Johann Heinrich Schütte – Biographie

Johann Heinrich Schütte wird am 2. April 1907 als erstes Kind von Diedrich Schütte und Marie Schütte auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Manfred und Heike Köster) geboren. Er ist der ältere Bruder von Heinrich Schütte, Georg Schütte und Willi Schütte.

In der Woche vor Johanns Geburt eröffnet der Berliner Unternehmer Adolf Jandorf in Charlottenburg das „Kaufhaus des Westens“. Es ist bereits Jandorfs siebtes Kaufhaus im Umfeld der Reichshauptstadt – mit dem er jedoch anders als bisher gezielt eine gehobene Klientel anspricht und damit in Konkurrenz zu vergleichbaren, kurz zuvor eröffneten Konsumtempeln von Georg Wertheim und Hermann Tietz tritt. Als Vorbild dienen einmal mehr das „Harrods“ in London und das „Printemps“ in Paris, die zwei damals wohl mondänsten Kaufhäuser Europas.

In puncto Angebotsvielfalt muss sich das KaDeWe, wie es von Anfang an genannt wird, keineswegs hinter den berühmten Vorbildern verstecken. Auf fünf Etagen und 24.000 Quadratmetern Verkaufsfläche findet die anspruchsvolle Kundschaft alles, was ihr Herz begehrt: Kolonialwaren aus Afrika und der Südsee, Stoffe aus China, Schweizer Präzisionsuhren, die neuesten Haushaltsgeräte aus den USA, Weine aus Frankreich, Mode aus Italien oder Pelze aus Russland. Völlig neu ist zudem, dass das vom Münchner Star-Architekten Johann Emil Schaudt im neoklassizistischen Stil gestaltete Gebäude auch externe Dienstleister wie eine Bankfiliale oder einen Friseursalon beherbergt. Prominentester Kunde der ersten Monate ist König Rama V. von Siam, der im August 1907 mit seinem Gefolge zwei volle Tage im KaDeWe verbringt und dabei der Überlieferung zufolge Waren im Wert von 250.000 Mark kauft.

Letztlich erweist sich auch die etwas abseitige und namensgebende Lage im „Neuen Westen“ zwischen den Bezirken Charlottenburg, Tiergarten und Wilmersdorf keineswegs als Nachteil – liegt doch der 1902 neu erbaute U-Bahnhof Wittenbergplatz direkt nebenan. In relativ kurzer Zeit entwickelt sich zudem die am Kaufhaus vorbeiführende Tauentzienstraße von einer reinen Wohn- zur belebten Geschäftsstraße mit direktem Anschluss an den vornehmen Kurfürstendamm. Jandorfs Hoffnung, wie 1910 Konkurrent Wertheim in der deutlich zentraler gelegenen Leipziger Straße irgendwann einmal auch Kaiser Wilhelm II. als Besucher begrüßen zu dürfen, erfüllt sich allerdings nicht.

Auch in anderen Großstädten des Deutschen Reichs geht der Trend in den ersten Jahren nach der Jahrhundertwende zum modernen Kaufhaus. Sogar im eher beschaulichen Oldenburg, wo Clemens Bernhard Hitzegrad 1913 an der Ecke Ritterstraße/Mühlenstraße einen repräsentativen Neubau aus Stahlbeton errichten lässt. Als besondere Attraktion bietet die „Einkaufsstätte für alle“ den ersten Personenaufzug der damals rund 30.000 Einwohner zählenden Stadt.

Dass Johann im nur 15 Kilometer entfernten Hurrel das Kaufhaus Hitzegrad in den ersten Jahren nach der Eröffnung einmal zu Gesicht bekommt, ist eher unwahrscheinlich: Dafür sind die Zeiten spätestens mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 zu schlecht. Vater Diedrich, der als gelernter Schmied seine Werkstatt in dem erst kurz vor Johanns Geburt an der Ortstraße erbauten Wohnhaus eingerichtet hat, leistet vermutlich von Beginn an Kriegsdienst, Mutter Marie kümmert sich um die als Nebenerwerb betriebene Landwirtschaft. Johann selbst besucht derweil die örtliche Volksschule, wo neben dem nur ein Jahr jüngeren Bruder Heinrich unter anderem Johann Janzen, Johann Pape, Bernhard Spreen, Karl Timmermann, Georg Wieting und Hinrich Wilkens zu seinen in etwa gleichaltrigen Mitschülern gehören.

Diedrich Schütte kehrt nach dem verlorenen Krieg wohlbehalten nach Hause zurück. Eine Woche vor der ersten „Friedens-Weihnacht“ seit sechs Jahren – zu Heiligabend 1918 hatte es in Berlin noch blutige Aufstände gegeben – stirbt allerdings im Dezember 1919 Johanns 1913 geborener Bruder Georg an Diphtherie. Dafür kommt im Februar 1921 mit Willi kurz vor Johanns Schulabschluss ein neues Familienmitglied hinzu.

Beruflich tritt Johann in die Fußstapfen seines Vaters. Ob er die gesamte Ausbildung in der Hurreler Werkstatt verbringt oder auch andere Schmieden in der näheren Umgebung kennenlernt, liegt heute im Dunkeln. Von letzterem darf man jedoch ausgehen, denn das Handwerk ist in der Verwandtschaft weit verbreitet: Schon Urgroßvater Christian Friedrich Schütte hat in Lintel eine eigene Schmiede betrieben, die Johanns Onkel Hinrich Schütte fortführt. Drei weitere Brüder seines Vaters haben dieselbe Laufbahn eingeschlagen und sich in Tweelbäke, Wüsting und Oberhausen selbstständig gemacht. Durchaus ein Zeichen dafür, dass es sich dabei in den wirtschaftlich fast durchgehend unruhigen Jahren der Weimarer Republik um ein vergleichsweise krisenfestes Gewerbe handelt. Auch Johanns Familie kann von der Schmiede gut leben, zumal Bruder Heinrich nach Schulentlassung und Konfirmation sein Geld in der Landwirtschaft verdient.

Am 17. Mai 1934 – knapp anderthalb Jahre nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und sechs Wochen vor dem angeblichen Röhm-Putsch – heiratet Johann Gesine Hohnholt aus Vosteen bei Steinkimmen. Gesine, die mit Mutter Anna und Stiefbruder Friedrich auf dem Hof ihres Stiefvaters Adolf Linnemann (die spätere Gaststätte „Vosteener Eck“) aufgewachsen ist, zieht daraufhin nach Hurrel. Bereits am 21. Oktober 1934 kommt Tochter Anni zur Welt.

Als fünf Jahre später mit dem Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg beginnt, wird Johann anders als seine Brüder nicht zur Wehrmacht eingezogen und arbeitet weiter in der väterlichen Schmiede. Die Schrecken des Krieges bekommt er dennoch zu spüren, und zwar lange vor der Einnahme Hurrels durch kanadische Truppen 1945: Schon 1942 – das genaue Datum ist nicht mehr bekannt – richtet ein feindlicher Fliegerangriff auf dem Schütte-Anwesen große Schäden an. Johann, seine Eltern, Gesine und Anni kommen mit dem Schrecken davon – nicht jedoch Nachbarin Gesine Grummer, die sich mit Tochter Alwine zu ihnen in den Keller geflüchtet hatte: Sie wird durch einen Bombensplitter schwer verletzt und liegt anschließend mehrere Monate in einem Oldenburger Krankenhaus.

Johann und Vater Diedrich beginnen zügig mit dem Wiederaufbau. Nach Kriegsende übernimmt Johann in der Schmiede mehr und mehr die Regie, auch wenn Diedrich Schütte bis zu seinem Tod im Juli 1954 in die tägliche Arbeit involviert bleibt. Zweieinhalb Jahre nach Johanns und Gesines Silberhochzeit stirbt im Januar 1962 auch Mutter Marie. Zu diesem Zeitpunkt hat Johanns Dienstleistung bereits deutlich an Attraktivität verloren – unter anderem auch deshalb, weil ihm Heino Borgmann mit seiner 1951 von Friedrich und Johann Spreen übernommenen Schmiede- und Schlosserwerkstatt an der Hurreler Straße (heute: Uwe und Anja Schubert) kräftig Konkurrenz macht.

Das letzte Lebens-Jahrzehnt nach Stilllegung der Schmiede verbringt Johann relativ zurückgezogen mit Gesine. Er stirbt nach kurzer Krankheit am 10. April 1982, nur eine Woche nach seinem 75. Geburtstag. Beerdigt ist Johann fünf Tage später in Hude auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche.