Hermann Ahrens – Biographie

Hermann Ahrens wird am 29. Oktober 1832 als viertes Kind von Johann Gerd Ahrens und Margarete Ahrens auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Rolf Ahrens und Sonja Kosmann) geboren. Er ist der jüngere Bruder von Johann Georg Ahrens, Hermann Ahrens und Catharina Margareta Barkemeyer und der ältere Bruder von Anna Christine Janzen, Helene Siemer, Johann Hinrich Ahrens und Johann Ahrens.

In den Wochen vor Hermanns Geburt kämpft in Würzburg der liberalen Ideen gegenüber aufgeschlossene Bürgermeister Wilhelm Joseph Behr gegen seine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand. Am Ende vergebens – per Ende Oktober 1832 muss er seinen Schreibtisch im Rathaus der zum Königreich Bayern gehörenden Stadt räumen. Damit nicht genug: Zwei Monate später folgt eine Anklage wegen Majestätsbeleidigung und Hochverrat. Gemäß Paragraph 300 des Bayerischen Strafgesetzbuches von 1813 droht Behr damit schlimmstenfalls sogar die Todesstrafe. Bis zum Prozessbeginn im März 1833 wird er auf der Festung Marienberg interniert.

Zum Verhängnis werden Behr Spitzelberichte über seinen Auftritt auf dem Gaibacher Fest. Ähnlich wie auf dem zeitgleich stattfindenden Hambacher Fest in der Rheinpfalz hatten die Teilnehmer dort im Mai 1832 demokratische Reformen eingefordert. Als einer der Hauptredner listet Behr die Verfehlungen der amtierenden Staatsregierung auf und kündigt einen entsprechenden Brief an König Ludwig I. an. Von den Anwesenden wird er daraufhin stürmisch gefeiert, einige bierselige Studenten sollen ihn sogar auf ihre Schultern gehoben und zum „neuen Franken-König“ ausgerufen haben. Ob diese Worte tatsächlich fallen und wie ernst sie gemeint sind, ist Hauptgegenstand des folgenden Verfahrens, bleibt aber letztlich ungeklärt. Am Ende zeigen sich die Richter von Behrs Schuld überzeugt und verurteilen ihn im September 1835 zu verschärfter Haft auf unbestimmte Zeit.

Mit dem Urteil verliert Behr nicht nur seine Pensionsansprüche, er muss auch für Prozess- und Haftkosten aufkommen und ist dadurch finanziell ruiniert. Gegenüber Vertrauten bedauert Ludwig zwar das Schicksal des in jungen Jahren mit ihm befreundeten Ex-Bürgermeisters und Hochschulprofessors und soll zeitweise sogar erwägen, ihn nach einem inszenierten Fluchtversuch in die USA abzuschieben. Um Nachahmer aus dem liberalen Lager abzuschrecken, verfolgt er jedoch nach außen hin eine harte Linie und lehnt sämtliche Gnadengesuche ab. Behr muss seine Strafe in der Veste Oberhaus bei Passau antreten. Die folgenden drei Jahre verbringt er dort in einer winzigen Zelle, weitgehend isoliert von anderen Mitgefangenen. Erst von August 1838 an werden die Haftbedingungen etwas gelockert, bevor Behr sich 1839 in Passau eine polizeilich überwachte Wohnung nehmen und 1842 zu seiner Schwester nach Regensburg übersiedeln darf.

Als Behr Passau verlässt, besucht Hermann bereits seit drei Jahren die gemeinsam mit dem Nachbardorf betriebene Volksschule in Lintel. Dort gehören aus Hurrel unter anderem Hinrich Wilhelm Ellinghusen, Heinrich Haverkamp, Bernhard Wilkens und Tönjes Hinrich Wilkens zu den in etwa gleichaltrigen Mitschülern. Bekommt er etwas mit von der allgemeinen Unzufriedenheit zwischen Maas, Memel, Etsch und Belt – jenen vier Flüssen, die im 1841 entstandenen „Lied der Deutschen“ von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben die Grenzen eines erhofften Nationalstaates bilden? Eines Staates, der über den zahlreichen im Deutschen Bund nur locker verbundenen Fürstentümern steht? Der seinen Bürgern Einigkeit, Recht und Freiheit bringt? Vermutlich eher nicht, denn im Großherzogtum Oldenburg, zu dem Hurrel gehört, bleibt es in den Jahren des Vormärz relativ ruhig. Auch die Märzrevolution von 1848 selbst verläuft wesentlich gesitteter als in Preußen oder im Süden Deutschlands, wo das Volk buchstäblich auf die Barrikaden geht und die anschließenden Straßenkämpfe Hunderte von Toten und Verletzten fordern.

Große Auswirkungen haben die von den Revolutionären erfochtenen und später teilweise wieder eingebüßten Rechte auf die Oldenburger Landbevölkerung indes nicht. Auf den Dörfern geht alles weiter seinen althergebrachten Gang – mit der in Familien mit mehr als einem Kind entscheidenden Frage, wer am Ende den Hof erbt und wer gegen eine meist geringe Abfindung weichen muss. In Hurrel, wo Söhne zu Hermanns Lebzeiten gegenüber Töchtern wie damals generell üblich grundsätzlich den Vorzug bekommen, gilt dabei das Jüngstenrecht. Wovon aber innerhalb der Familien, sofern vertraglich entsprechend fixiert, durchaus abgewichen werden kann.

Auf dem großenteils aus Heideland bestehenden, 1828 von Vater Johann Gerd gekauften Ahrens-Hof stehen mit Hermann und dem jüngsten Bruder Johann nur zwei potenzielle Erben zur Wahl, die übrigen drei Söhne sind bereits im Säuglings- beziehungsweise Kleinkindalter verstorben. Warum am Ende Hermann der Glückliche ist und wann diese Entscheidung fällt, liegt heute im Dunkeln. Sehr wahrscheinlich aber fällt sie lange bevor die Übertragung 1869 offiziell beurkundet wird.

Anfang August 1863 stirbt Mutter Margarete im Alter von 62 Jahren. Zehn Monate später heiratet Hermann Margarete Elise Schweers aus Munderloh. Aus der Verbindung gehen in der Zeit der deutschen Einigungskriege mit Meta (Oktober 1865), Adeline (August 1868) und Anna Gesine (Juli 1871) drei Töchter hervor. Alle drei überstehen die in jenen Jahren stets kritische Säuglingsphase – dafür zeichnet sich aber recht bald nach der Geburt von Hermanns jüngster Tochter ab, dass Ehefrau Margarete Elise ernstlich und womöglich unheilbar krank ist. Das Sterbebuch der Gemeinde Hude nennt nach ihrem Tod im Januar 1874 Wassersucht als Todesursache.

Für Hermann eine äußerst schwierige Situation, in der ihn Vater Johann Gerd – inzwischen 75 Jahre alt – vermutlich nur wenig unterstützen kann. Eine zweite Ehe scheint da die naheliegendste Lösung, und schon im November 1874 steht Hermann ein weiteres Mal vor dem Traualtar. Seine auserwählte, knapp 20 Jahre jüngere Braut Anna Katharina Tönjes kennt er schon von Kindesbeinen an, ist sie doch die Tochter des weniger als einen Kilometer entfernt wohnenden Dorfnachbarn Gerd Hinrich Tönjes. Mit ihr bekommt Hermann in den folgenden 19 Jahren neun weitere Kinder: Catharine Gesine (September 1875), Sophie Helene (Januar 1878), Helene (April 1880), Johann Gerhard (Juni 1882), Heinrich (August 1883), Gesine (Oktober 1885), Mathilde (Juni 1888), Hermann Friedrich (Oktober 1889) und Johann (Oktober 1893). Bis auf Johann Gerhard, der nur sechs Monate alt wird, erreichen später alle das Erwachsenenalter.

Da Hermann bei der Geburt des jüngsten Sohnes Johann kurz vor seinem 61. Geburtstag steht, erweist sich das Jüngstenrecht auch in diesem Fall als wenig praktikabel. Zum Nachfolger bestimmt er deshalb Heinrich, 1893 immerhin schon zehn Jahre alt. Dass Hermann auch in den folgenden zehn Jahren voll in die Bewirtschaftung des Hofes eingebunden ist und dabei die Richtung vorgibt, versteht sich angesichts dieser Konstellation jedoch von selbst. Unklar ist, welche Rolle die von den früheren Besitzern sehr intensiv betriebene Schafzucht am Ausgang des 19. Jahrhunderts noch spielt. Wahrscheinlich hat aber bereits Hermanns 1877 verstorbener Vater damit begonnen, weitere Teile des reichlich vorhandenen Heidelandes zu kultivieren und damit für den Ackerbau nutzbar zu machen. Eine Mammut-Aufgabe, die Hermann fortführen dürfte.

Vermutlich noch vor der Jahrhundertwende verlassen die älteren Töchter nach und nach den Ahrens-Hof. Als um das Jahr 1906 herum ein Fotograf die Familie ablichtet, leben nur noch die vier jüngsten Kinder im elterlichen Haushalt. Hoferbe Heinrich, damals Anfang 20, lässt sich mit einer Heirat zunächst Zeit. Dass der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 Heinrichs Pläne in diese Richtung um Jahre zurückwerfen werden, erlebt Hermann ebenso wenig mit wie den plötzlichen, durch Herzschlag bedingten Tod des jüngsten Sohnes Johann im Juni 1912: Er stirbt am 15. März 1911 infolge Altersschwäche und wird fünf Tage später in Hude auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche beerdigt.