Heinrich Kück – Biographie

Heinrich Kück wird am 12. Januar 1894 als einziges Kind von Claus Hermann Kück und Anna Catharina Kück in Worphausen bei Lilienthal geboren. Mit Dietrich Kück, Meta Hilken, Tine Bruns, Hermann Kück, Friedrich Kück, Anni Meyer und Lene Böttcher hat er insgesamt sieben Halbgeschwister aus der zweiten Ehe seines Vaters mit Marie Catharine Martens.

Fünf Tage vor Heinrichs Geburt soll sich in Passau etwas zugetragen haben, dessen Wahrheitsgehalt heute nicht mehr mit letzter Gewissheit überprüft werden kann – das aber seit Jahrzehnten Gedankenspielen der Marke „Was wäre, wenn …?“ Tür und Tor öffnet. Basis ist eine kurze Notiz in der örtlichen „Donau-Zeitung“ vom Dienstag, den 9. Januar 1894. Dort heißt es: „Am verflossenen Sonntag wurde ein Knabe gerade noch rechtzeitig vor dem sicheren Tode des Ertrinkens gerettet. Derselbe betrat am Inn unterhalb des Garnisons-Lazaretts neu gebildetes Eis und brach durch. Glücklicherweise konnte er von seinen beherzten Kameraden gerettet werden.“

Glaubt man mündlichen Überlieferungen, handelt es sich bei dem Eingebrochenen um den damals vierjährigen Adolf Hitler, aus dem Wasser gezogen vom gleichaltrigen Nachbarsjungen Johann Nepomuk Kühberger, einem späteren Priester und Dom-Kapellmeister. Einen Beweis gibt es dafür nicht, und tatsächlich mutet die Geschichte für eine Zeit, in der kaum ein Kind richtig schwimmen kann, etwas unglaubwürdig an. Immerhin lebt der spätere Diktator und Begründer des Großdeutschen Reiches Anfang 1894 tatsächlich in Passau: Sein Vater Alois Hitler ist im August 1892 als Zollbeamter in die Grenzstadt versetzt worden. Er lebt mit seiner Familie in einem Haus, das Kühbergers Eltern gehört – die beiden Jungen kennen sich also und haben auch Umgang miteinander. Zudem soll Kühberger den Vorfall, der ihn im Alter mit dem Wissen um die von Hitler zu verantwortenden Verbrechen offenbar stark belastet, in persönlichen Gesprächen bestätigt haben.

Wie auch immer: Ähnlich wie das Spiel der beiden Vierjährigen an den Ufern des Inn gerät auch Heinrichs Geburt 600 Kilometer weiter nördlich unversehens zum Drama – ohne glücklichen Ausgang. Seine Mutter stirbt nur fünf Tage später. Vater Claus Hermann gibt den zur Halbwaise gewordenen Sohn daraufhin in die Obhut eines befreundeten Bauern in Trupe. Mit dessen Familie wächst Heinrich in den ersten Lebensjahren auf, kehrt aber danach – der genaue Zeitpunkt ist nicht bekannt – nach Worphausen zurück. Dort besucht er ab der Jahrhundertwende die Volksschule.

Ob Heinrich in Worphausen mit der sich nur wenige Kilometer entfernt etablierenden Künstlerkolonie Worpswede in Berührung kommt, lässt sich heute ebenfalls nicht mehr konstruieren. Doch auch wenn er deren frühe Haupt-Protagonisten Fritz Mackensen, Otto Modersohn, Hans am Ende, Fritz Overbeck, Heinrich Vogeler, Paula Modersohn-Becker, Clara Westhoff und Rainer Maria Rilke vermutlich nicht persönlich kennenlernt, so ist er doch allein durch die räumliche Nähe Teil jenes Kosmos, den der Oldenburger Schriftsteller Klaus Modick in seinem 2015 veröffentlichten Roman-Bestseller „Konzert ohne Dichter“ detailreich beschreibt.

Nach dem Schulabschluss kehrt Heinrich nach Trupe zurück und arbeitet auf dem Hof seiner Pflegefamilie (heute: Hofmolkerei Dehlwes). Ganz in der Nähe unterhält der Bremer Weinhändler Johann Heinrich Menke ein Sommerhaus. Schon bald zieht eines der im Haus beschäftigten Dienstmädchen – Käthe Röver aus Braake bei Altenesch – Heinrichs ganze Aufmerksamkeit auf sich. Noch bevor sich daraus etwas entwickeln kann, lässt jedoch das Attentat von Sarajevo die alte Ordnung Europas auseinanderbrechen und schickt Heinrich an die verschiedensten Fronten des Ersten Weltkriegs: Als Mitglied des 1. Garde-Reserve-Regiments kämpft er in Polen, Weißrussland, der Ukraine, Belgien und Frankreich und wird dabei insgesamt dreimal verwundet.

Auch aus dieser Zeit ist übrigens, den im seit Mitte August 1914 in einem bayerischen Regiment dienenden Kriegsfreiwilligen Adolf Hitler betreffend, eine „Was-wäre-wenn“-Episode überliefert: Sie handelt vom britischen Soldaten Henry Tandey, der eigenen Erzählungen zufolge im September 1918 Hitler im Visier seines Gewehrs hatte und nicht abdrückte, weil dieser völlig abgehetzt und bereits verletzt war. Einen hieb- und stichfesten Beweis für diese Geschichte gibt es allerdings ebenfalls nicht.

Nach seiner Entlassung aus der Armee am 10. November 1918 trifft Heinrich Katharine in Trupe wieder, die beiden heiraten am 6. März 1920. Bei den Überlegungen, wie sie ihre gemeinsame Zukunft gestalten sollen, kommt ihnen kurz darauf der Zufall entgegen: Eduard Menke, der Sohn von Katharines Dienstherrn, hat gerade in Hurrel einen während des Krieges von Lucas Pannenborg bewirtschafteten Hof (heute: Constanze Fechner-Jung) gekauft und sucht nun einen Pächter. Die beiden Parteien werden sich schnell einig und Heinrich und Katharine siedeln nach Hurrel über.

Auf dem Pachthof kommen die Kinder Herbert (März 1921) und Hinrich (April 1923) zur Welt. Viel Zeit, in Hurrel heimisch zu werden, bleibt der jungen Familie indes nicht: Nach Hinrichs Geburt verkauft Eduard Menke seinen Besitz an Leo Jung, der prompt Eigenbedarf anmeldet. Auf der Suche nach Ersatz werden Heinrich und Katharine in Dwoberg bei Delmenhorst fündig: Dort pachten sie Ende 1923 einen anderen, 2005 durch Brandstiftung zerstörten Hof, auf dem sie ebenfalls Milchvieh halten und Ackerbau betreiben.

Weil die Ackerfläche mit nur fünf Hektar deutlich kleiner ist als in Hurrel, wird die Landwirtschaft schon bald zum Nebenerwerb: Noch vor der Geburt des dritten Kindes Elfriede im Januar 1929 tritt Heinrich eine Stelle bei den Deutschen Linoleum-Werken in Delmenhorst an. Ein Arbeitsverhältnis, das ihn nach der Machtergreifung Hitlers vor der Einberufung zum Zweiten Weltkrieg bewahrt, denn der Betrieb reklamiert Heinrichs Tätigkeit als kriegswichtig. Später wird er dann aber doch noch dienstverpflichtet und als Schutzpolizist im Großraum Delmenhorst eingesetzt. Bei den Luftangriffen alliierter Flieger auf die Stadt wird der Hof der Familie mehrfach getroffen. Dabei kommt Heinrich jedoch ebenso wenig zu Schaden wie Frau und Tochter. Die beiden zur Wehrmacht eingezogenen Söhne kämpfen zu dieser Zeit an der Ostfront, kehren aber nach Kriegsende unversehrt zurück.

Nach dem Krieg arbeitet Heinrich weiter in den Linoleumwerken und auf dem Hof, den Sohn Herbert – hauptberuflich als Tischlermeister tätig – Anfang 1959 als neuer Pächter übernimmt. Da er mit Katharine weiter auf dem Betrieb wohnt, bleibt Heinrich auch im Ruhestand in den Betrieb eingebunden. Letztlich währt diese letzte, nach jahrzehntelanger Doppelbelastung zum ersten Mal etwas ruhigere Phase seines Lebens nur kurz: Heinrich stirbt am 30. September 1967 im Alter von 73 Jahren an Magenkrebs. Beerdigt ist er wenige Tage später auf dem Friedhof Wildeshauser Straße in Delmenhorst.