Anni Hermine Meyer wird am 21. April 1910 als einziges Kind von Hermann Schlötelburg und Anna Schlötelburg auf dem elterlichen Hof in Neuenhuntorfermoor bei Berne geboren. Mit Heinz Schlötelburg, Hans Schlötelburg, Erna Petershagen, Magda Arning und Hermann Schlötelburg hat sie fünf Halbgeschwister aus der zweiten Ehe ihrer Mutter mit Gustav Hinrich Schlötelburg.
Am Tag von Annis Geburt stirbt auf seinem Altersruhesitz Stormfield in der US-Kleinstadt Redding der amerikanische Schriftsteller Samuel Langhorne Clemens, besser bekannt unter dem Pseudonym Mark Twain. Der Autor von „Tom Sawyer“, „Huckleberry Finn“ und „Leben auf dem Mississippi“ ist nicht der einzige prominente Tote des Jahres 1910: Auch der britische König Edward VII. (6. Mai), der deutsche Bakteriologe Robert Koch (27. Mai), die englische Krankenpflegerin Florence Nightingale (13. August), der Schweizer Friedensnobelpreis-Träger Henry Dunant (30. Oktober) und der russische Schriftsteller Leo Tolstoi (20. November) sind weit über die Grenzen ihres Heimatlandes hinaus bekannt.
Noch bevor Henry Dunant und Leo Tolstoi zu Grabe getragen werden, stirbt im Oktober 1910 Annis Vater – ein geplatzter Blinddarm wird ihm zum Verhängnis. Mutter Anna, als älteste von drei Töchtern Erbin des rund 14 Hektar großen Familienhofes, heiratet daraufhin im folgenden Jahr Hermanns jüngeren Bruder Gustav.
Annis erste Lebensjahre sind geprägt durch die Schwierigkeiten von Mutter Anna, ihren Hof ohne Mann zu bewirtschaften. Hilfe bekommt sie zwar in dieser Zeit durch ihre Eltern, ihre beiden Schwestern und zwischenzeitlich auch durch ihren zweiten Ehemann. Letzterer wird allerdings bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 zur Armee eingezogen und steht vier Jahre lang nicht zur Verfügung. Zudem kommt ab 1913 die Versorgung der neu geborenen Geschwisterkinder hinzu.
Ihre Schulzeit verbringt Anni in der Volksschule Buttel, die zweieinhalb Kilometer von ihrem Elternhaus entfernt liegt. Den Weg bewältigt sie jeden Tag zu Fuß, mittags bleibt sie wie die anderen Schüler im Schulgebäude und wird von der Ehefrau des Lehrers mit Essen versorgt. Nach dem Abschluss der achten Klasse arbeitet sie noch ein halbes Jahr zu Hause mit, bevor sie für zwei Jahre auf dem Hof Gerdes in Berne in Stellung geht. Weitere Stationen sind eine Landbäckerei in Dreisielen, wo Anni den Haushalt führt und nebenbei die Tochter des Bäckers betreut, und der Gasthof Ton Drögen Schinken in Hude-Reiherholz. Dort arbeitet Anni als Magd auf dem Hof, bevor sie am 28. November 1930 Heinrich Meyer aus Hiddigwardermoor heiratet und mit ihm zu den Schwiegereltern zieht.
Weil die Wohnverhältnisse bei den Eltern sehr beengt sind, kauft Heinrich Meyer unmittelbar nach der Geburt von Sohn Wilhelm am 24. Januar 1931 ein kleines Grundstück in Hurrel. Dort beginnt er mit dem Bau eines zunächst nur aus zwei Zimmern bestehenden Wohnhauses, das er zusammen mit Anni und Wilhelm im Oktober 1931 bezieht. Zehn Monate später, am 14. August 1932, kommt Tochter Hanna zur Welt.
Die ersten Jahre in Hurrel stehen für harte Pionierarbeit, doch auch danach wird das Leben für Anni keineswegs leichter. Im Gegenteil. Noch bevor Heinrich sich dem weiteren Ausbau des Hauses widmen kann, wird er zum nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten neu eingerichteten Reichsarbeitsdienst eingezogen und muss ab 1937 mehr als ein Jahr lang helfen, das Nazi-Prestige-Projekt Westwall zu errichten. Kaum zurückgekehrt, beginnt der Zweite Weltkrieg, der Annis Mann nach Wittmund, Hamburg und Lübeck und schließlich ab Herbst 1944 an die Westfront führt. Bis er dort im Februar 1945 fällt, hat er fast die Hälfte seiner 14-jährigen Ehe von der Familie getrennt gelebt – eine Zeit, in der Anni weitgehend auf sich allein gestellt für Haus, zwei heranwachsende Kinder und die aus kleinsten Anfängen heraus begonnene Landwirtschaft verantwortlich ist.
Weil zunächst unklar bleibt, wo Heinrich unmittelbar nach seinem Tod begraben wird, erhält Anni nach 1945 erst einmal keinerlei Rente oder sonstige Unterstützung und muss sich und ihre Kinder irgendwie durch die Wirren der Nachkriegszeit bringen. Erst 1949, nach der offiziellen Todesnachricht aus Belgien, bessert sich die finanzielle Lage etwas – zumal Sohn Wilhelm 1948 eine Lehre als Zimmerer abgeschlossen hat und seither Geld zum Lebensunterhalt beitragen kann. Doch auch der daraus entstehende Spielraum bleibt begrenzt: Nach einem 1954 erlittenen Arbeitsunfall kann Wilhelm seinen Beruf nicht mehr ausüben und wird zu 80 Prozent erwerbsunfähig.
Mit Schwiegertochter Liselotte und den 1955 und 1960 geborenen Enkeltöchtern Ingrid und Petra wächst Annis Haushalt in den folgenden Jahren um drei Mitglieder an. Die nach Wilhelms Arbeitsunfall etwas vergrößerte Landwirtschaft, in der Anni nach Kräften mithilft, gibt die Familie 1972 wieder auf. Das verschafft Anni Entlastung und ermöglicht es ihr in den folgenden Jahren, regelmäßig in Urlaub zu fahren. Mit einem Klub befreundeter Frauen reist sie unter anderem mehrmals nach Bayern, an den Titisee und nach Berlin. Mit den Kindern besucht sie zweimal Heinrichs Grab in Belgien, zum ersten Mal 1967 und ein weiteres Mal 1982. Daneben kegelt sie regelmäßig bis ins hohe Alter und nimmt unter anderem an Veranstaltungen des Sozialverbands VDK teil.
Anni stirbt am 22. November 2001, wenige Monate vor ihrem 92. Geburtstag. Beerdigt ist sie sechs Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.