Heinrich Georg Schwarting wird am 18. Mai 1891 als zweites Kind von Johann Hinrich Schwarting und Catharine Schwarting auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Gerd und Ute Schwarting) geboren. Er ist der jüngere Bruder von Gerhard Schwarting und der ältere Bruder von Gustav Schwarting und Adele Blankemeyer.
Am 1. Januar 1891 tritt mit der gesetzlichen Rentenversicherung das nach der Kranken- und der Unfallversicherung dritte bedeutende Sozialgesetz in Kraft, das auf den langjährigen, von Kaiser Wilhelm II. 1890 aus dem Amt gedrängten Reichskanzler Otto von Bismarck zurückgeht. Es sieht neben einer Absicherung bei Invalidität vor, dass Arbeitnehmer, die mindestens 30 Jahre lang Beiträge bezahlt haben, ab dem 70. Lebensjahr eine Altersrente beziehen können. Diese beträgt zwar im Durchschnitt nur ein Fünftel des Normallohns, aber immerhin: Etwas Vergleichbares gibt es zum damaligen Zeitpunkt außer im Deutschen Reich in keinem anderen Land der Welt.
So fortschrittlich sich der Obrigkeitsstaat kurz vor Ende des 19. Jahrhunderts auch geriert – letztlich geht es bei den Sozialgesetzen in erster Linie darum, der im Zuge der Industrialisierung entstandenen Gewerkschaftsbewegung und der mit ihr eng verbundenen Sozialdemokratie das Wasser abzugraben. Die Furcht, dass die nicht nur in Deutschland zu beobachtende Verelendung breiter Schichten eines Tages zu einem gesellschaftlichen Umsturz führen könnte, treibt auch die Kirchen um. Am 15. Mai 1891, also drei Tage vor Heinrichs Geburt, nimmt Papst Leo XIII. in seiner später berühmt gewordenen Enzyklika Rerum Novarum Stellung gegen Kinderarbeit, 72-Stunden-Woche und andere Begleiterscheinungen des modernen Kapitalismus. Gleichzeitig spricht er sich aber für Privateigentum aus und lehnt jede Form von Klassenkampf strikt ab.
Die im Prinzip richtigen Ansätze der Bismarck’schen Sozialgesetze und der Papst-Enzyklika helfen Heinrich auf seinem Lebensweg nicht weiter – und hätten es angesichts der stets besonderen Verhältnisse in der bäuerlichen Landwirtschaft vermutlich auch dann nicht getan, wenn dieser Weg ähnlich verlaufen wäre wie bei den meisten Menschen aus seinem persönlichen Umfeld. Denn von einer staatlichen Altersrente und dem 1918 in Deutschland eingeführten Acht-Stunden-Tag sind die meisten Menschen in Hurrel auch Jahrzehnte nach Heinrichs Geburt noch weit entfernt. Davon abgesehen führt Heinrich von Beginn an ein besonderes Leben: Er kommt geistig behindert zur Welt.
Wo genau Heinrichs Defizite herrühren und wie ausgeprägt diese sind, darüber weiß heute niemand mehr Genaueres. Bekannt ist lediglich, dass er zunächst innerhalb der Familie aufwächst. Ein ihn wie auch seine Eltern und die Geschwister prägendes Ereignis jener Jahre dürfte ein aus nicht mehr rekonstruierbarem Anlass ausgebrochenes Feuer sein, das 1898 den größten Teil des 1681 begründeten und 1788 bereits einmal abgebrannten Schwarting-Hofes in Schutt und Asche legt. Während der Zeit des Wiederaufbaus lebt Heinrich mehrere Monate lang im Haushalt seiner Tante Meta Barkemeyer.
Besondere Rechte für Behinderte sind in den Sozialgesetzen jener Zeit nicht vorgesehen, auch eine allgemeine Schulpflicht gibt es für sie nicht. Zwar existieren – etwa in Dresden, Elberfeld oder Braunschweig – vereinzelt Hilfsschulen oder Klassen für schwachbegabte Kinder, doch deren Besuch kommt für Heinrich aus naheliegenden Gründen nicht in Frage. Was neben der Pflege in der Familie bleibt, sind überwiegend aus privater Initiative heraus entstandene Einrichtungen wie das seit 1887 bestehende, von Hans Hubertus Partisch gestiftete Gertrudenheim in Oldenburg.
Ab wann Heinrich im Gertrudenheim lebt, liegt heute im Dunkeln – eine Krankenakte existiert nicht mehr. Überliefert ist lediglich der Zeitpunkt seines frühen Todes: Heinrich stirbt am 3. Februar 1906 im Alter von 14 Jahren und wird fünf Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.