Gesine Hartmann – Biographie

Gesine Hartmann wird am 14. März 1869 als drittes Kind von Johann Hinrich Schweers und Anna Margarete Schweers auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Ingo und Edo Schweers) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Meta Lütjen und Diedrich Schweers und die ältere Schwester von Hinrich Schweers.

Vier Tage nach Gesines Geburt stellt der Chemiker Nikolai Menschutkin auf einem Kongress in Sankt Petersburg – dort zeigt der Julianische Kalender noch den 6. März 1869 an – das von seinem Lehrer Dmitri Mendelejew entwickelte Periodensystem der chemischen Elemente vor. Darin sortiert Mendelejew die zum damaligen Zeitpunkt bekannten 63 Elemente nicht nur nach dem Gewicht ihrer Atome, sondern gleichzeitig auch nach ihren Beziehungen zueinander. Dabei lässt er bewusst Lücken für bislang noch nicht entdeckte Elemente und trifft konkrete Prognosen über deren Eigenschaften.

Mendelejews Periodensystem ist nicht der erste Versuch, Ordnung in der unsichtbaren Welt der Atome zu schaffen. Den ersten großen Schritt in diese Richtung hatte 1817 der deutsche Apotheker Johann Wolfgang Döbereiner unternommen. Er erkannte, dass die Eigenschaften einzelner Elemente wesentlich von ihrem Gewicht bestimmt werden und teilte gemäß dieser Regel miteinander verwandte Stoffe in Dreiergruppen ein, die sogenannten Triaden. Noch weiter geht 1864 der britische Chemiker John Newlands: Weil er erkennt, dass sich die Eigenschaften der nach ihrem Gewicht geordneten Elemente in jeder achten Position wiederholen, spricht er In Anlehnung an die Welt der Musik von einem „Gesetz der Oktave“. Weitgehend unabhängig von Mendelejew entwickelt darüber hinaus der in Varel geborene Chemiker Lothar Meyer ein fast identisches Ordnungssystem, präsentiert es aber erst im Dezember 1869 der Öffentlichkeit.

Nach anfänglichen Zweifeln setzen sich die von Mendelejew und Meyer aufgestellten Theorien in der Fachwelt rasch durch: Schon bald zieren noch heutigen Schüler-Generationen vertraute Schautafeln mit dem im Laufe der Jahrzehnte um diverse weitere Mitglieder wachsenden Periodensystem der Elemente weltweit Hörsäle und Klassenräume. Ganz so weit ist es selbstverständlich noch nicht, als Gesine – mutmaßlich Anfang April 1875 und damit unmittelbar vor Geburt des jüngsten Bruders Hinrich – in der Volksschule in Lintel ihren ersten Schultag erlebt. Dass sie und in etwa gleichaltrige Klassenkameraden wie Heinrich Brockshus, Bernhard Haverkamp, Diedrich Heinemann oder Magdalene Heinemann in den folgenden Jahren mehr Zeit mit dem Auswendiglernen von Bibeltexten verbringen als mit chemischen Experimenten, darf zudem als gesichert gelten.

Es wie Lothar Meyer – der spätere Chemiker legt 1851 auf dem Alten Gymnasium in Oldenburg sein Abitur ab – auf eine weiterführende Schule zu schaffen, ist Ende des 19. Jahrhunderts im stark landwirtschaftlich geprägten Großherzogtum Oldenburg für die meisten Volksschüler illusorisch. Von Glück reden kann, wer wie Gesines Bruder Hinrich gemäß Jüngstenrecht die Aussicht auf eine Hofübernahme hat oder auf dem dörflichen Heiratsmarkt einen Hoferben oder eine Hoferbin abbekommt. Eine Alternative besteht für viele Oldenburger in jenen Jahren darin, nach Nordamerika auszuwandern – so wie es unter anderem Gesines Klassenkamerad Heinrich Brockshus und ihre vier Jahre jüngere Nachbarin Anna Wilkens tun. Beide schlagen damit einen Weg ein, den 1885 auch Gesines astrologischer Zwilling Friedrich Trump geht: Der wie sie am 14. März 1869 geborene Großvater des späteren US-Präsidenten Donald Trump siedelt mit gerade einmal 16 Jahren von Kallstadt in der Pfalz nach New York über.

Ob Gesine für sich selbst je Ähnliches in Erwägung zieht, lässt sich nur vermuten. Ebenso, wann sie und Georg Hartmann ein Paar werden. Gesines künftiger Ehemann bewirtschaftet in Hurrel mit seinen Eltern Hinrich und Anna Catharine Hartmann einen Hof in unmittelbarer Nähe des Brinks (heute: Michael und Sara Westphal). Gut möglich, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits als Nachfolger des rund 15 Hektar großen Betriebs feststeht – obwohl es mit Georg Hinrich Hartmann noch einen jüngeren Bruder gibt. Über dessen Lebensweg ist heute im Dorf allerdings nichts mehr bekannt.

Gesine und Georg heiraten im April 1894. Eine Hochzeit, an der die Mütter des Brautpaares nicht mehr teilnehmen können: Anna Margarete Schweers ist im Juni 1891 verstorben, Anna Catharine Hartmann im April 1893. Gesines Ankunft auf dem Hartmann-Hof dürfte deshalb hochwillkommen sein, zumal Schwiegervater Hinrich kurz zuvor seinen 72. Geburtstag gefeiert hat. Er stirbt im November 1901 und erlebt so in nächster Nähe noch die Geburt dreier Enkelkinder mit: Johann (Juni 1895), Emma (März 1897) und Meta (März 1900). Gesines und Georgs viertes Kind Georg Junior kommt im März 1903 zur Welt.

In den folgenden Jahren bestimmt neben der Arbeit auf dem Hof vor allem ein Bauprojekt Gesines und Georgs Leben. Weil das bestehende, schon vor 1678 erbaute und von Georgs Großvater Johann Hinrich Hartmann modernisierte Wohn- und Wirtschaftsgebäude aufgrund von Staunässe an einer sehr feuchten Stelle liegt, errichten sie auf der gegenüberliegenden Seite des Brinks am heutigen Standort ein neues Domizil. Dort zieht die Familie 1913 am Vorabend des Ersten Weltkriegs ein.

Der von August 1914 an mehr als vier Jahre lang tobende Krieg kostet Gesines ältesten Sohn Johann beinahe das Leben: Er wird den amtlichen Verlustlisten des deutschen Heeres zufolge im Sommer 1917 an der Front schwer verwundet. Zu diesem Zeitpunkt hat Gesines Bruder Hinrich bereits in Lettland durch einen nicht näher bezeichneten Unglücksfall den Tod gefunden. Schwägerin Gesine Schweers – eine Schwester der Nordamerika-Auswanderin Anna Wilkens – bleibt mit zwei halbwüchsigen Töchtern und einem zweijährigen Sohn zurück.

Über die durch die Hyperinflation von 1923 und eine anhaltende Krise der Landwirtschaft überschatteten Jahre zwischen Kriegsende und Ausbruch der Weltwirtschaftskrise sind kaum besondere Begebenheiten aus Gesines Leben überliefert. Im Mai 1930 heiratet der als Hofnachfolger feststehende Sohn Georg Junior – die anderen drei Kinder haben Hurrel inzwischen verlassen – Martha Würdemann aus Maibusch. Der Geburt von Enkeltochter Anita im Mai 1931 folgt im Januar 1933 die Machtübernahme der Nationalsozialisten, die die Welt schon bald nach der Geburt des zweiten auf dem Hartmann-Hof aufwachsenden Enkelkindes Werner (Juni 1936) abermals in einen mörderischen Krieg stürzen. Ein Krieg, der schon bei der Geburt von Enkeltochter Linda im Januar 1943 kaum mehr zu gewinnen ist. Er wird sich gleichwohl noch bis Frühjahr 1945 hinziehen und mehr als 60 Millionen Menschenleben fordern – unter anderem das von Gesines Neffen Diedrich Schweers, der seit Juli 1944 an der Ostfront vermisst wird.

Gesines letztes Lebensjahr ist neben den Folgen des Krieges vor allem vom Hungerwinter 1946/47 überschattet, zu dessen Beginn Ehemann Georg im Alter von 86 Jahren stirbt. Sie selbst stirbt am 2. Juli 1947 und wird drei Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.