Gesine Aline Haverkamp wird am 8. Juli 1859 als siebtes Kind von Johann Hinrich Kreye und Anna Gesine Kreye auf dem elterlichen Hof in Nordenholz geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Sophia Catharina Kreye, Metta Heinemann, Johann Kreye, Bernhard Kreye und Christian Friedrich Kreye. Ein weiterer Bruder kommt im November 1854 tot zur Welt und bleibt deshalb namenlos.
Am Tag von Gesines Geburt vereinbaren Frankreich und Österreich im Zweiten Italienischen Unabhängigkeitskrieg einen Waffenstillstand, den beide Seiten zusammen mit der dritten Kriegspartei Sardinien-Piemont am 11. Juli 1859 im Vorfrieden von Villafranca bestätigen. Der Vertrag schwächt die Position der zuvor bei der Schlacht von Solferino unterlegenen Österreicher in Norditalien und ermutigt den Freischärler und späteren Volkshelden Giuseppe Garibaldi, auch im Süden des Landes für die Einheit Italiens zu kämpfen. Er erobert 1860 mit seinem „Zug der Tausend“ das Königreich Sizilien und Neapel und hat so entscheidenden Anteil daran, dass sich Viktor Emanuel II. – damals König von Sardinien-Piemont – am 17. März 1861 zum König von Italien ernennen lassen kann. Zur vollständigen Einigung fehlen mit Venetien und der im Kirchenstaat gelegenen späteren Hauptstadt Rom nur noch zwei Gebiete, die nach dem 1866 geführten Dritten Italienischen Unabhängigkeitskrieg beziehungsweise 1870 hinzukommen.
Ähnlich wie in Italien gibt es in jenen Jahren auch in Deutschland Bemühungen, aus dem bisherigen Flickenteppich von Fürstentümern einen Nationalstaat zu formen. Und wie in Italien braucht es dazu drei Kriege – den Deutsch-Dänischen Krieg 1864, den Preußisch-Österreichischen Krieg 1866 und den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, an dessen Ende der preußische König Wilhelm I. im Spiegelsaal von Versailles zum Kaiser ausgerufen wird. Noch bevor Gesine die Volksschule verlässt, gehört sie deshalb gleich drei verschiedenen souveränen Staaten an: dem Großherzogtum Oldenburg, dem 1866 gebildeten Norddeutschen Bund und seit dem 18. Januar 1871 dem Deutschen Reich.
An der grundsätzlichen Staatsform – der konstitutionellen Monarchie – ändert sich freilich nichts. Reichskanzler und Reichsbeamte sind dem Kaiser verpflichtet und nicht dem Parlament, Frauen bleiben weiter vom Wahlrecht ausgeschlossen. Und in ländlichen Gebieten wie dem Großherzogtum Oldenburg gestaltet sich das bäuerliche Leben so beschwerlich, wie es all die Jahrzehnte zuvor auch war. Für die junge Gesine bedeutet das zweifellos harte Arbeit, auch wenn sie mit fünf älteren Geschwistern auf dem Hof vielleicht nicht ganz so stark gefordert ist wie andere Klassenkameraden und Nachbarskinder.
Wie es Gesine nach ihrem Schulabschluss ergeht und wo sie in den fast 20 Jahren bis zu ihrer Heirat mit Bernhard Haverkamp am 25. Februar 1892 lebt und arbeitet, liegt heute komplett im Dunkeln. Fest steht allerdings: Es wird höchste Zeit für eine Hochzeit, denn keine vier Wochen später kommt auf Bernhards Hof in Hurrel (heute: Eike und Nathalie Haverkamp) Tochter Klara zur Welt.
Nicht ausgeschlossen, dass Gesine bereits lange vor der Hochzeit auf ihrem künftigen Besitz lebt – vielleicht sogar schon, bevor ihr Ehemann dort das Kommando übernimmt. Denn als Bernhard im Februar 1869 als Erbe des zuvor seinen Großeltern Gerd Hinrich und Gesche Haverkamp gehörenden Hofes eingesetzt wird, ist er erst wenige Monate alt. Wer den damals rund 100 Hektar großen Betrieb bis zu Bernhards formeller Volljährigkeit im September 1889 bewirtschaftet, ist heute in der Familie nicht mehr bekannt. Ohne ein ganzes Heer an Bediensteten, zu denen möglicherweise auch Gesine gehört, lässt sich die damit verbundene Arbeit aber kaum bewältigen.
Mit Johann (Juli 1894), Georg Heinrich (Juli 1898) und Bernhard Diedrich (August 1902) bringt Gesine in den kommenden Jahren noch drei weitere Kinder zur Welt. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Sommer 1914 bringt dann größere Veränderungen mit sich. Johann wird wie die meisten anderen jungen Männer des Dorfes zum Kriegsdienst eingezogen, während die übrigen Familienmitglieder zusehen müssen, wie sie die Ernte eingefahren bekommen. Möglich, dass Ehemann Bernhard sich im darauffolgenden Winter zu viel zumutet – er zieht sich eine Lungenentzündung zu, der er Ende Februar 1915 im Alter von nur 46 Jahren erliegt.
Die folgenden Jahre dürften für Gesine nicht einfach sein, auch wenn Johann bereits 1917 aus der Armee entlassen wird und seiner Mutter bei der Bewirtschaftung des Hofes wieder unter die Arme greifen kann. Nach Kriegsende im November 1918 wächst dann der jüngste Sohn Bernhard Diedrich langsam in die ihm zugedachte Rolle als Hoferbe hinein. Spätestens nach dessen Hochzeit mit Johanne Kreye im Mai 1929 tritt Gesine dann mehr und mehr ins zweite Glied zurück.
Ob Gesine zu diesem Zeitpunkt bereits Probleme mit den Augen hat und wann sie vollständig erblindet, ist in der Familie heute nicht mehr bekannt. Als Ende der 30er Jahre noch weitere Gebrechen hinzukommen, zieht sie zu Tochter Klara und deren Ehemann Johann Schweers, der als Postbeamter in Oldenburg arbeitet, nach Osternburg. Dort stirbt sie am 6. April 1941 an Altersschwäche. Beerdigt ist Gesine wenige Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.