Gesche Schütte – Biographie

Gesche Schütte wird am 28. Juni 1774 als erstes Kind von Johann Berend Tönjes und Anna Sophie Cathrine Tönjes auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Heiko Pflug) geboren. Sie ist die ältere Schwester von Johann Hinrich Tönjes und Berend Tönjes.

Sechs Wochen vor Gesches Geburt geht in Frankreich eine Epoche zu Ende: Am 10. Mai 1774 stirbt König Ludwig XV. mit 64 Jahren an Pocken. Beim Tod seines Urgroßvaters Ludwig XIV. hatte er 1715 schon als Fünfjähriger den Thron zugesprochen bekommen, weil sowohl Großvater und Vater als auch zwei ältere Brüder nicht mehr am Leben waren. Seine Regierungszeit ist geprägt von einer durch die Vermählung seines Enkels Ludwig-August mit der habsburgischen Prinzessin Maria Antonia besiegelten Aussöhnung mit Österreich, aber auch von kolonialen Verlusten in Nordamerika und Indien sowie einer ein bedrohliches Ausmaß annehmenden Staatsverschuldung. Die Mätressenwirtschaft des Urgroßvaters setzte Ludwig XV. nahtlos fort, wobei insbesondere seine als Madame de Pompadour bekanntgewordene Geliebte Jeanne-Antoinette Poisson zwischenzeitlich großen politischen Einfluss ausübt.

In der Erbfolge auf Rang 1 steht Enkel Ludwig-August, der fortan als Ludwig XVI. regiert. Da der 19-Jährige nur über wenig Erfahrung verfügt, vertraut er zunächst weitgehend den Ratschlägen von Jean-Frédéric Phélypeaux, einem unter Ludwig XV. wegen eines Konflikts mit Madame de Pompadour in Ungnade gefallenen Staatssekretär. Eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den drohenden Staatsbankrott kommt dem für Finanzen zuständigen Minister Anne Robert Jacques Turgot zu. Dieser schafft sich allerdings mit seinen vor allem auf Sparsamkeit und die Beseitigung von Privilegien zielenden Reformvorschlägen mächtige Gegner im Umfeld des Königs und muss deshalb schon im Mai 1776 wieder gehen.

In den folgenden Jahren reißt neben dem Ausbau der Marine vor allem die Unterstützung des amerikanischen Freiheitskampfes neue tiefe Löcher in die Staatskasse. Frankreich entsendet mehr als 10.000 Soldaten nach Übersee, die am Ende einen wichtigen Beitrag zum Sieg der Amerikaner um George Washington liefern. Materiell zieht Frankreich daraus jedoch im 1783 in Paris geschlossenen Friedensvertrag kaum Vorteile. Da das Land wirtschaftlich immer weiter abrutscht, steigt die Unzufriedenheit im Volk – die Lunte für eine der blutigsten Revolutionen der europäischen Geschichte und Ludwigs gewaltsamen Tod unter der Guillotine ist gelegt.

Was sechs Jahre später der Sturm auf die Bastille auslöst und wie die weiteren Ereignisse schon bald darauf auch das eigene Leben massiv beeinflussen werden, davon ahnt 1783 in Hurrel noch niemand etwas. Das gilt selbstverständlich auch für Gesches Familie, über deren konkreten Lebensumstände zu jener Zeit heute allerdings kaum noch etwas bekannt ist. Ihre Eltern bewirtschaften in dritter Generation einen 1647 erstmals erwähnten Hof auf dem vom Dorfkern etwas abseits gelegenen Hesterort, dessen Siedlungsfläche im Wesentlichen noch aus unberührtem Heide-, Wald- und Buschland besteht. Es urbar zu machen, bedeutet eine Menge Arbeit, zu der mit Sicherheit auch Gesche und ihre 1777 und 1779 geborenen Geschwister früh herangezogen werden.

Während sich in Paris im weiteren Verlauf der Revolution ein außerhalb Frankreichs noch weitgehend unbekannter Offizier namens Napoleon Bonaparte an die Macht putscht, geschieht in Gesches unmittelbarer Nähe etwas, das zwei möglicherweise wichtige Wendepunkte in ihrem Leben für immer in Dunkelheit hüllt: die Sterbedaten der Eltern. In der für Hurrel zuständigen Gemeinde Hude nämlich vernichtet ein Feuer die Kirchenbücher der zurückliegenden Jahrzehnte. Da die entsprechenden Informationen im 1801 neu angelegten Folgebuch nicht aufzufinden sind, dürften Johann Berend und Anna Sophie Cathrine Tönjes bereits vorher verstorben sein.

Nicht nur Gesches Eltern sterben früh, sondern auch ihr Bruder Johann Hinrich. Sein Tod in Schmede ist im Kirchenbuch der Gemeinde Hatten auf den 11. November 1801 datiert – er hat den von Bruder Berend fortgeführten Tönjes-Hof zu jenem Zeitpunkt also bereits verlassen. Gesche selbst geht spätestens im August 1805 nach ihrer Heirat mit Johann Hinrich Schütte, wohnt aber weiter in Hurrel. Wo genau im Dorf das junge Paar sich niederlässt, liegt heute im Dunkeln, eigenen Grundbesitz haben beide nicht.

Der schon kurz vor der Eheschließung geborenen und verstorbenen Tochter Anne folgt am 12. Oktober 1806 ein Sohn, der aber nicht lebensfähig ist und deshalb namenlos bleibt. Gesche, durch die Geburt vermutlich stark geschwächt, stirbt am 28. November 1806 und erlebt so den vier Jahre später durch Napoleon Bonaparte verfügten Anschluss ihrer Heimat an das Französische Kaiserreich nicht mehr mit. Beerdigt ist sie am 4. Dezember 1806 auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.