Frieda Heinemann – Biographie

Frieda Katharine Heinemann wird am 21. März 1910 als erstes Kind von Karl Müller und Louise Müller in Hakendorferwurp bei Rodenkirchen in der Wesermarsch geboren. Sie ist die ältere Schwester von Karl Bernhard Müller und Heino Wilhelm Müller.

Zwei Wochen vor Friedas Geburt schließen sich in Berlin die Freisinnige Volkspartei, die Freisinnige Vereinigung und die Deutsche Volkspartei zur Fortschrittlichen Volkspartei (FVP) zusammen. Damit bündelt eine betont linksliberal ausgerichtete politische Gruppierung ihre Kräfte, die auf bestimmten Politikfeldern eine auch längerfristige Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten sucht und in Deutschkonservativen sowie der katholischen Zentrumspartei ihre parlamentarischen Hauptgegner sieht. Zu ihren führenden Repräsentanten gehören unter anderem der evangelische Theologe Friedrich Naumann, der Rechtsanwalt Friedrich von Payer und der Staatswissenschaftler Otto Fischbeck, der den Vorsitz der neugebildeten Reichstagsfraktion übernimmt.

Ein zentraler Punkt im Parteiprogramm ist die Forderung nach allgemeinen, gleichen und direkten Wahlen und damit die Beseitigung des preußischen Drei-Klassen-Wahlrechts. Ferner setzt sich die FVP für eine konsequente Trennung von Kirche und Staat, eine allmähliche Senkung der Zölle auf Lebensmittel und Industriegüter sowie eine verbesserte Volksbildung ein. Nicht durchsetzen kann sich Naumann mit seiner Forderung nach einer staatsbürgerlichen Gleichstellung von Männern und Frauen. Die SPD bleibt somit neben der nicht der FVP beigetretenen liberalen Splittergruppe „Demokratische Vereinigung“ bis auf weiteres die einzige Partei, die sich im Reichstag aktiv für das Frauenwahlrecht einsetzt – sehr zur Enttäuschung von linksliberalen Frauenrechtlerinnen wie Minna Cauer oder der aus Oldenburg stammenden Reformpädagogin Helene Lange.

Eine relativ große Anziehungskraft übt die FVP auf Volksschullehrer und evangelische Pfarrer aus, in einigen Regionen wie dem Großherzogtum Oldenburg oder Schleswig-Holstein gehören aber auch überdurchschnittlich viele Bauern zu ihrem Mitgliedern beziehungsweise Wählern. Bei den Reichstagswahlen vom 12. Januar 1912 holt sie 12,3 Prozent der Stimmen und landet damit hinter SPD (34,8 Prozent), Zentrum (16,4 Prozent) und Nationalliberalen (13,6 Prozent) auf dem vierten Platz. Hätten allein die wahlberechtigten Bürger des Großherzogtums Oldenburg abstimmen dürfen, wären es 29,1 Prozent gewesen. Zu den prominentesten FVP-Vertretern der Region gehört neben den 1912 direkt gewählten Reichstagsabgeordneten Johann Ahlhorn und Albert Traeger der Landtagsabgeordnete Theodor Tantzen, dessen Familie nur rund 15 Kilometer von Friedas Geburtsort entfernt in Heering bei Abbehausen einen Bauernhof bewirtschaftet.

Mit dem Clan des späteren Oldenburger Ministerpräsidenten hat Friedas Vater zeitlebens eng zu tun: Der von ihm gepachtete Hof gehört einem Verwandten von Theodor Tantzen. Ein Sohn dieses Familienzweigs – Robert Tantzen – emigriert nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA und arbeitet dort im Team des Raketenforschers Wernher von Braun. An ihn überweist Karl Müller bis zu seinem Tod im Dezember 1956 die Pacht.

Friedas Kindheit in der Wesermarsch ist überschattet von zwei Todesfällen, wobei sie an den ersten kaum eine Erinnerung haben dürfte: Ihr im Oktober 1911 geborener Bruder Karl Bernhard stirbt nur sechs Wochen später, am Tag vor Heiligabend. Umso härter trifft sie vermutlich der Verlust der Mutter im März 1916. Mitten in den Wirren des Ersten Weltkriegs, an dem er als mehrfach dekorierter Soldat teilnimmt, steht Vater Karl plötzlich allein mit zwei sechs und zweieinhalb Jahre alten Kindern da. Zu ihrer Versorgung stellt er die Haushälterin Lina Schmidt ein, die in den folgenden 40 Jahren auf dem Hof bleibt.

Mit einer Pachtfläche von 18 Hektar ist der Müller-Hof, den Friedas Vater nach seiner Rückkehr aus dem Krieg wieder bewirtschaftet, für damalige Verhältnisse vergleichsweise groß. Während ihrer Schulzeit und auch in den Jahren danach ist Frieda deshalb wie auch ihr Bruder Heino voll in der Landwirtschaft eingespannt. Für andere Dinge bleibt da wenig Zeit – zumal die für viele Bauern oft dramatischen Folgen der Hyperinflation von 1923 und die aufziehende Weltwirtschaftskrise auch die überwiegend milchwirtschaftlich geprägten Betriebe der Wesermarsch nicht verschonen.

Obwohl Mutter Louise bereits seit mehr als zehn Jahren tot ist, hält Frieda auch Ende der 20er Jahre noch regen Kontakt zur Familie ihres Onkels Wilhelm Hohlen. Auf der Hochzeit ihrer Kusine Alma Hohlen mit Friedrich August Heinemann in Hurrel lernt sie dessen Bruder Diedrich kennen. Die beiden werden ein Paar, und nach der Hochzeit im Dezember 1934 zieht Frieda zu Diedrich nach Hurrel.

Die Verhältnisse auf dem Heinemann-Hof sind etwas kompliziert: Genau genommen existieren zwei Höfe – ein kleinerer, auf dem Diedrich mit seiner seit 1908 verwitweten Mutter Anna lebt (heute: Gerd und Erika Heinemann), und ein deutlich größerer, der zu den ältesten des Dorfes gehört und seit dem Tod von Diedrichs Vater verpachtet ist (heute: Ursula Schlake). Als der Vertrag mit dem bisherigen Pächter Friedrich Stöver ausläuft, siedeln Frieda und Diedrich auf den Stamm-Hof über und bewirtschaften ihn selbst. Für Frieda bedeutet dies bis zum Tod von Anna 1939 eine Dreifach-Belastung: Neben der Hofarbeit pflegt sie ihre an den Rollstuhl gefesselte Schwiegermutter und bringt zudem mit Agnes (August 1935) und Karla (März 1938) zwei Kinder zur Welt.

Als im Dezember 1939 mit Sohn Edo das dritte Kind hinzukommt, tobt in Europa bereits der von den Nationalsozialisten mit dem Überfall auf Polen begonnene Zweite Weltkrieg – und reißt bald erste Lücken in der Familie: Friedas Bruder Heino Wilhelm kehrt ebenso wenig von der Front zurück wie Diedrichs in Steinkimmen lebender Bruder Johann. Diedrich selbst, der schon länger mit gesundheitlichen Problemen kämpft, bleibt von einem Stellungsbefehl verschont und erlebt so auch die Geburt der weiteren Söhne Gerd (September 1941) und Fred (April 1943) aus nächster Nähe.

Nach Kriegsende bessert sich Diedrichs Gesundheit nicht, was letztlich eine Fortführung des Stamm-Hofes unmöglich macht. Er wird deshalb erneut – dieses Mal an Heinrich Wiechmann – verpachtet, die Familie wohnt wieder auf dem kleineren Hof. Dort stirbt Diedrich im Februar 1955 an Magenkrebs. Frieda führt zunächst den kleineren Betrieb weiter, lässt sich dann aber nach dem Tod ihres Vaters Karl Müller für kurze Zeit im heimatlichen Hakendorferwurp nieder, wo Sohn Gerd in den vorangegangenen drei Jahren seinen Großvater unterstützt hat. Als die Pacht aufgegeben, das Inventar verkauft und das Erbe geregelt ist, kehren beide nach Hurrel zurück.

Bis auf den jüngsten Sohn Fred, der im November 1967 Ursula Schwarting aus Tweelbäke heiratet, verlassen alle Kinder nach und nach das Elternhaus. Als kurz darauf Pächter Heinrich Wiechmann einen eigenen Hof in Neuenkoop kauft, ziehen Fred und Ursula auf den Stamm-Hof, betreiben dort aber keine Landwirtschaft mehr. Frieda wohnt künftig allein in dem 1911 für ihre Schwiegermutter erbauten Altenteiler-Haus. Um etwas eigenes Geld zu verdienen, hilft sie hin und wieder auf benachbarten Höfen – beispielsweise nach dem Tod von dessen Ehefrau Gretchen bei Adolf Sparke – oder im Gasthof von Bodo Mehrings.

Im Herbst 1982 kaufen Sohn Gerd und dessen Ehefrau Erika das Altenteiler-Haus und renovieren es, Frieda erhält im oberen Stockwerk Wohnrecht. Als sie Mitte der 90er Jahre pflegebedürftig wird, wohnt sie kurz bei Fred und Ursula, die 1992 den Stamm-Hof verkauft haben und nach Kreyenbrück verzogen sind, und später im Pflegeheim Kückens in Berne. Dort stirbt Frieda am 4. April 2001 an Altersschwäche. Beerdigt ist sie fünf Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.