Erna Sophie Heyne wird am 1. Februar 1911 als erstes Kind von Georg Barkemeyer und Frieda Barkemeyer auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Irmgard Wachtendorf) geboren. Sie ist die ältere Schwester von Karl Barkemeyer und Henny Wilkens.
Das Jahr 1911 markiert einige wichtige Meilensteine in der Geschichte der Luftfahrt. Am 18. Januar gelingt dem amerikanischen Flugpionier Eugene Burton Ely erstmals die Landung auf einem Schiff der US-Marine – der Prototyp des Flugzeugträgers ist geboren. Nur eine Woche später startet sein Landsmann Glenn Curtiss zum ersten Mal mit einem Wasserflugzeug. Am 18. Februar absolviert der französische Pilot Henri Pequet in Indien den ersten offiziellen Postbeförderungsflug, am 12. April fliegt der Franzose Pierre Prier als erster Mensch von London nach Paris, am 19. August hebt in Berlin die erste deutsche Frachtmaschine ab und am 13. September erhält mit Melli Beese die erste Frau in Deutschland ihre Flugzeugführer-Lizenz.
Kein Zweifel, die Welt befindet sich 1911 in Aufbruchsstimmung. Gerade das letztgenannte Beispiel zeigt allerdings exemplarisch, welchen Benachteiligungen Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch immer ausgesetzt sind. Bevor nämlich Beese den begehrten Flugschein in Händen hält, muss sie eine Vielzahl von Hürden überwinden. Mehrere Flugschulen, bei denen sie sich vorstellt, lehnen es entrüstet ab, eine Frau zu unterrichten, und als sie mit Robert Thelen und später Hellmuth Hirth endlich zwei Lehrer gefunden hat, wird sie gegenüber männlichen Flugschülern immer wieder benachteiligt und zurückgesetzt. Einmal wird Beeses Flugzeug sogar auf lebensgefährliche Art und Weise sabotiert – was Fluglehrer Hirth lapidar als „Streich von Männern, einer Frau gespielt, die unerlaubt in ein Männern vorbehaltenes Revier eingedrungen ist“ abtut.
Ganz allgemein ist es mit der Emanzipation 1911 im Deutschen Reich nicht allzu weit her. Frauen müssen zwar wie fast überall auf der Welt hart arbeiten. Sie haben aber nicht einmal das Wahlrecht, wie in Berlin auch zahlreiche Rednerinnen auf dem am 19. März 1911 erstmals in Deutschland begangenen Internationalen Frauentag beklagen. Hinzu kommt die einseitige Belastung des Kinderkriegens: Nicht wenige Frauen im gebärfähigen Alter sind alle zwei Jahre schwanger, neben den an die Substanz gehenden Strapazen der Geburt bleibt häufig auch die Erziehung des Nachwuchses an ihnen hängen.
Was diese Doppel- und Dreifachbelastung gerade auf dem Dorf bedeutet, erlebt Erna in der eigenen Familie von frühen Kindesbeinen an mit. Kurz nach ihrem ersten Geburtstag ist Mutter Frieda wieder schwanger, im Oktober 1912 bringt sie Bruder Karl zur Welt. Dabei kommt es allerdings zu einer bis heute geläufigen Komplikation: Karl ist ein Zwillingskind, dessen Bruder oder Schwester schon Wochen oder gar Monate vor der Entbindung im Mutterleib stirbt. Dieser im Vorfeld nicht erkannte Umstand führt bei ihm zu Verkrüppelungen an Armen und Beinen, er ist zeit seines Lebens ein Pflegefall. Viel hätte überdies nicht gefehlt, und Erna hätte den Rest ihrer Kindheit als Halbwaise verbracht.
Frieda Barkemeyer erholt sich nur langsam, ist aber bereits im Spätsommer 1913 erneut schwanger. Knapp vier Monate nach der Geburt von Ernas Schwester Henny im April 1914 bricht der Erste Weltkrieg aus. Vater Georg muss an die Front, ihn sieht Erna fortan nur noch selten. Zu einer wichtigen Bezugsperson in ihrer Kindheit wird die Dienstmagd Alma Bührmann, die die Familie sowohl bei der Hausarbeit als auch bei der Bewirtschaftung des rund 20 Hektar großen Hofes unterstützt.
In der Volksschule Hurrel findet Erna schnell Freundinnen fürs Leben: neben ihrer ein Jahr älteren Kusine Elli Rüdebusch noch Marie Janzen und Martha Schmerdtmann. Mit ihnen erlebt sie bis zu ihrer Konfirmation 1925 nicht nur den Zusammenbruch des Kaiserreichs und – glücklicherweise – die Rückkehr der unversehrt gebliebenen Väter aus dem verlorenen Weltkrieg, sondern auch den mehr als holprigen Start der Weimarer Republik und den in der Hyperinflation von 1923 mündenden Verfall des Geldsystems.
Nach dem Schulabschluss bleibt Erna zunächst auf dem elterlichen Hof, wo angesichts der Behinderung ihres Bruders und der für die Landwirtschaft schwierigen Zeiten jede helfende Hand willkommen ist. Vor ihrer Heirat arbeitet sie jedoch Erzählungen aus der Familie zufolge auch noch mindestens ein Jahr lang auf einem Bauernhof in Motzen.
Wann und bei welcher Gelegenheit Erna ihren künftigen Ehemann Adolf Heyne aus Reiherholz bei Lintel kennenlernt, ist nicht überliefert. Die beiden verloben sich im Juni 1932 und heiraten am 31. August 1933 – ein Datum, das in der Familie noch aus einem anderen Grund unvergesslich bleiben wird. Denn just in den frühen Morgenstunden dieses Tages stirbt Ernas an Lungenentzündung erkrankter Onkel Heinrich Rüdebusch, der Vater ihrer Kusine und guten Schulfreundin Elli. Dass der plötzliche Todesfall die Stimmung auf der eigentlich als Freudenfest gedachten Hochzeitsfeier im Gasthof von Fritz Knutzen in Lintel ein Stück weit dämpft, dürfte außer Frage stehen.
Nach der Hochzeit zieht Erna auf den damals rund 11 Hektar großen Hof ihrer Schwiegereltern Hermann und Katharine Heyne (heute: Martin Werner) in Reiherholz. Wenige Monate, bevor die seit Anfang 1933 regierenden Nationalsozialisten unter Adolf Hitler mit den Olympischen Spielen von Berlin ihren außenpolitisch größten Achtungserfolg feiern, bringt Erna im April 1936 in Delmenhorst Tochter Ilse zur Welt.
Für Hitler ist Olympia jedoch in erster Linie Mittel zum Zweck. „Man gebe der deutschen Nation sechs Millionen sportlich tadellos trainierte Körper, alle von fanatischer Vaterlandsliebe durchglüht und zu höchstem Angriffsgeist erzogen, und ein nationaler Staat wird aus ihnen in nicht einmal zwei Jahren eine Armee geschaffen haben“, formuliert der spätere Führer bereits Mitte der 20er Jahre in seiner politischen Programmschrift Mein Kampf. Zwar umfasst diese Armee Anfang 1938 noch weniger als eine Million Mann. Doch das reicht aus, den Anschluss Österreichs zu erzwingen, die Tschechoslowakei zu zerschlagen und mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg zu entfesseln. Als die Truppenstärke der Wehrmacht Ende 1940 knapp neun Millionen Mann beträgt, gehört längst auch Adolf Heyne dazu. Wie eine Generation zuvor Mutter Frieda muss Erna jahrelang ohne ihren Ehemann zurechtkommen.
Am Tag nach Ernas 32. Geburtstag endet die Schlacht von Stalingrad mit der Kapitulation der 6. Armee unter Generalfeldmarschall Friedrich Paulus – ein Wendepunkt im mittlerweile auch gegen den einstigen Verbündeten Sowjetunion geführten Krieg. Nach einer letzten Großoffensive im Juli 1943 („Unternehmen Zitadelle“) befindet sich die Wehrmacht auf dem Rückzug. Wann Erna die Meldung erreicht, dass Adolf dabei in russische Gefangenschaft geraten ist, lässt sich heute ebenso wenig rekonstruieren wie das exakte Datum seiner Rückkehr. Da ist der Krieg jedoch schon viele Monate lang vorbei und Reiherholz wie das gesamte Umland von britischen Truppen besetzt. Mit auf dem Hof wohnen zu jener Zeit neben Erna und Ilse nur noch die aus Pommern geflüchteten Eheleute Martha und Hermann Saat – Ernas Schwiegereltern sind im März 1944 beziehungsweise im Januar 1946 verstorben.
Als sich die wirtschaftliche Lage im Nachkriegs-Deutschland nach Währungsreform und Entstehung der Bundesrepublik allmählich bessert, kaufen Adolf und Erna einige Hektar Moorland hinzu. Angesichts der Technisierung der Landwirtschaft und des beginnenden Strukturwandels ist jedoch schon bei der Hochzeit von Tochter Ilse mit Heinz Niedernüfemann im Mai 1957 absehbar, dass Ackerbau und Viehzucht auf dem Heyne-Hof über kurz oder lang zum Auslaufmodell werden – zumal Schwiegersohn Heinz einen anderen Beruf erlernt hat und dort viel im Außendienst unterwegs ist. Schon bald nach der Geburt der ersten Enkeltochter Ute im September 1957 schalten Erna und Adolf deshalb einen Gang herunter und beschränken sich bei der Bewirtschaftung des Betriebes auf das Sinnvolle und Notwendige. In diese bis Anfang der 70er Jahre andauernde Lebensphase fallen auch mehrere Kuraufenthalte – unter anderem in Bad Pyrmont – und der Kauf des ersten eigenen Autos: ein umgebauter und in der Geschwindigkeit gedrosselter Fiat 500, den Adolf nur dann in Gang setzt, wenn Erna zuvor auf dem Beifahrersitz Platz genommen hat und die Navigation übernimmt.
Mit Dörte (August 1967) und Martina kommen bis April 1973 noch zwei Enkeltöchter zur Familie hinzu. Die folgenden Jahre sind für Erna – wie für alle anderen davon Betroffenen – sicher nicht einfach: Tochter Ilse trennt sich 1975 von Ehemann Heinz und heiratet den Vater ihrer beiden jüngsten Töchter, Martin Werner. Mit den familiären Veränderungen überschneidet sich der Bau der Freiherr-von-Münnich-Straße, die auf ihrem Weg von Hude nach Wüsting direkt am Heyne-Hof vorüberführt. Nahezu zeitgleich mit ihrer Fertigstellung geben Erna und Adolf die Landwirtschaft auf.
Auch als Rentner sind Erna und Adolf noch viel unterwegs – inzwischen mit einem Goggomobil, aber immer noch in der derselben Rollenverteilung. Gemeinsame Aktivitäten gibt es unter anderem mit den Nachbarn Heinrich und Grete Wachtendorf sowie Karl und Alma Wachtendorf und natürlich mit Ernas Kusine Elli und ihrem Ehemann Fritz Aschenbeck. Während Adolf darüber hinaus regelmäßig an den Singabenden des Männergesangvereins Lintel teilnimmt, widmet sich Erna mit großer Hingabe dem eigenen Garten.
Am 31. August 1983 feiern Erna und Adolf ihre Goldene Hochzeit in der Gastwirtschaft To’n drögen Schinken, drei Jahre später dann Ernas 75. Geburtstag. Danach baut Erna gesundheitlich jedoch deutlich ab. Nach längerer Krankheit stirbt sie am 2. Mai 1989 und wird sechs Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.