Enno Schmidt – Biographie

Bergisch Gladbacher StrAdolf Gerhard Enno Schmidt – Rufname Enno – wird am 9. Februar 1915 als zweites Kind von Gerhard Schmidt und Emma Schmidt in der Gastwirtschaft seines Großvaters Carl Busch (heute: Hajo und Dagmar Mehrings) in Hurrel geboren. Er ist der jüngere Bruder von Karl Edmund Schmidt.

Der mitunter auf Glückwunschkarten zitierte Sinnspruch „Wenn das Kind mit der neuen Umgebung ringt und der erste Schrei nach außen dringt, dann steht für eine Sekunde die Erde still, weil niemand diesen Augenblick missen will“ trifft im Falle von Ennos Geburt auf eine Person ganz sicher nicht zu: Großvater Carl Busch. Dieser nämlich ist, als bei seiner Tochter Emma frühmorgens die Wehen einsetzen, eiligst bemüht, mit Pferd und Wagen eine Hebamme herbeizuschaffen. Als beide endlich an den Ort des Geschehens zurückkehren, liegt Enno längst friedlich neben seiner Mutter – er ist, wie Emma Jahrzehnte später im Familienkreis berichten wird, „nur so herausgeflutscht“.

Losgelöst von aller Grußkarten-Lyrik dreht sich die Welt an jenem Februar-Dienstag des Jahres 1915 natürlich weiter wie bisher. Seit sechs Monaten führen die Großmächte Europas an den verschiedensten Schauplätzen gegeneinander Krieg. Dessen Dimension macht eine erste Zwischenbilanz deutlich, die Deutschlands Hauptgegner Anfang Februar ziehen: Seit Anfang August 1914 sind laut Mitteilung des französischen Kriegsministeriums rund 250.000 französische Soldaten gefallen, weitere 700.000 wurden verwundet und 200.000 gelten als gefangen oder vermisst. Großbritanniens Premierminister Herbert Henry Asquith wiederum beziffert die Verluste der britischen Armee an der stark umkämpften Westfront auf bislang 104.000 Mann.

Die für den genannten Zeitraum nicht exakt überlieferten deutschen Verluste dürften sich in ähnlichen Größenordnungen bewegen. Im Vergleich zu Großbritannien und Frankreich hat das Deutsche Reich allerdings einen strategischen Nachteil: Es ist durch eine britische Seeblockade weitgehend vom Nachschub mit Lebensmitteln und kriegswichtigen Rohstoffen abgeschnitten. Die Marineführung unter Admiral Hugo von Pohl wehrt sich, indem sie fünf Tage vor Ennos Geburt die Gewässer um Großbritannien und Irland zum Kriegsgebiet erklärt. Damit verbunden ist die Ankündigung, ab dem 18. Februar jedes dort angetroffene „feindliche Kauffahrteischiff“ zu zerstören.

Die daraufhin noch einmal verschärften Blockademaßnahmen und der von deutscher Seite pünktlich begonnene U-Boot-Krieg schaukeln sich in den folgenden Monaten hoch und gipfeln schließlich am 7. Mai 1915 in der Versenkung des britischen Passagierdampfers „Lusitania“. Fast 1.200 Zivilisten sterben, darunter mehr als 120 US-Amerikaner. Um die USA von einem Kriegseintritt abzuhalten, befiehlt Kaiser Wilhelm II. kurz darauf, den U-Boot-Krieg deutlich einzuschränken.

Dramatische Zeiten also, die auch an Ennos Familie nicht spurlos vorübergehen. Vater Gerhard tut im Februar 1915 im Ersatz-Bataillon des Dritten Rheinischen Infanterie-Regiments Nr. 29 Dienst. Neun Wochen später wird er an die Westfront verlegt – Enno bekommt ihn in den folgenden dreieinhalb Jahren nur sporadisch zu Gesicht. Zu seinen wichtigsten Bezugspersonen bis zum Kriegsende im November 1918 dürften neben Mutter Emma vor allem Großmutter Bertha und die Tanten Adele, Hermine und Else gehören.

Im Laufe des Jahres 1919 heißt es für Enno Abschied nehmen aus Hurrel: Weil Vater Gerhard sich dadurch in seinem erlernten Beruf als Kellner bessere Arbeitsmöglichkeiten erhofft, siedelt die Familie nach Köln über. Den Ausschlag für diese Entscheidung gibt neben zweifellos in der Rekruten-Zeit geknüpften persönlichen Kontakten vor allem die Tatsache, dass Köln seit Dezember 1918 von britischen Truppen besetzt ist: Nach einem ausbildungsbedingten Großbritannien-Aufenthalt  zwischen 1904 und 1907 spricht Gerhard Schmidt fließend Englisch.

Über Ennos im Frühjahr 1921 in Köln beginnende Schulzeit sind in der Familie zwar keine exakten Ortsangaben überliefert, aber diverse Details. So glänzt er vor allem in Sport und Zeichnen und geht zeitweise sogar auf die Realschule, für deren weiteren Besuch letztlich das geforderte Schulgeld fehlt. Auf einem Klavier, das Großvater Carl Busch für ihn und Karl Edmund gekauft hat, erhält er regelmäßig Unterricht, kann es jedoch in punkto Fingerfertigkeit nicht mit seinem Bruder aufnehmen. Handwerklich geschickt ist er gleichwohl: In späteren Jahren fertigt er einmal ganz allein ein Kajak, mit dem er auf dem Rhein Touren unternimmt, ein anderes Mal baut er sich ein Fahrrad komplett aus Einzelteilen zusammen.

Bis zum Tod von Großmutter Bertha im April 1927 verbringt Enno mit seiner Mutter und Karl Edmund jedes Jahr einen beträchtlichen Teil der Sommerferien in Hurrel. Neben der Schule ist er unter anderem im Schwimmverein aktiv. Mit Freunden hält er sich häufig am Rheinufer auf, klettert an Deck der regelmäßig flussaufwärts vorbeifahrenden Lastkähne, springt nach einer gewissen Zeit wieder ins Wasser und schwimmt mit der Strömung an den Ausgangsort zurück. Das ist natürlich streng verboten und keineswegs ungefährlich, doch dem Vergnügen tut das keinen Abbruch.

Im Schwimmverein referieren regelmäßig Ärzte über die Vorzüge einer gesunden Lebensweise. Vielleicht steht Enno deshalb dem Alkohol- und Tabakkonsum immer sehr kritisch gegenüber. Einmal bringt ihn das in Schwierigkeiten mit seinem Vater, der inzwischen in Köln an der Bergisch Gladbacher Straße eine Gaststätte führt. Als er erfährt, dass Enno eines Abends in seiner Abwesenheit zwei stark alkoholisierte Gäste etwas unsanft auf die Straße befördert hat, setzt es eine gehörige Standpauke.

Nach dem Ende seiner Schulzeit im Frühjahr 1929 beginnt Enno eine Malerlehre bei der Firma Ritter & Drieling im Kölner Stadtteil Ehrenfeld. Als er sie am 14. November 1932 abschließt, liegt eine turbulente Zeit hinter Deutschland: Im Zuge der Weltwirtschaftskrise ist die Zahl der Arbeitslosen auf über sechs Millionen in die Höhe geschnellt, parallel dazu hat die völkisch-nationalistische NSDAP die Zahl ihrer Wähler von 810.000 (Reichstagswahl vom 20. Mai 1928) auf 11.700.000 (Reichstagswahl vom 6. November 1932) mehr als vervierzehnfacht. Nur zehn Wochen später ernennt Reichspräsident Paul von Hindenburg NSDAP-Führer Adolf Hitler zum Reichskanzler, der Marsch in den NS-Staat beginnt.

Zwar kann Enno in den folgenden Monaten noch als Malergeselle bei seiner Lehrfirma weiterarbeiten. Ab September 1933 ist er jedoch arbeitslos und hilft zunächst notgedrungen in der Gastwirtschaft seiner Eltern aus. Im Februar 1934 meldet er sich dann zum Freiwilligen Arbeitsdienst (FAD), einer noch in der Weimarer Republik gegründeten Organisation, die Arbeitssuchende von der Straße holt. Als der FAD im Juni 1935 im Reichsarbeitsdienst aufgeht, arbeitet Enno bereits seit drei Monaten wieder auf dem regulären Arbeitsmarkt – ob als Maler oder in einer anderen Funktion, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren.

Ab Dezember 1936 leistet Enno seinen Wehrdienst in der neugegründeten Wehrmacht ab. Kaum ist dieser zu Ende, beginnt am 1. September 1939 mit dem von langer Hand vorbereiteten Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Enno nimmt zunächst am Westfeldzug gegen Frankreich teil und wird dann kurz vor dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 an die Ostfront abkommandiert. Zwischen Oktober 1942 und Februar 1943 folgt abermals ein Einsatz in Frankreich, bevor es nach der Niederlage bei Stalingrad wieder Richtung Osten geht. Während eines kurzen Heimaturlaubs im Juli 1943 heiratet Enno in Köln-Mülheim seine Jugendfreundin Leni Fassbender.

Spätestens mit der erfolgreichen Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 ist die Niederlage der Wehrmacht absehbar. Die letzten Kriegsmonate verbringt Enno zunächst in Polen, ab Dezember 1944 dann in Ungarn und Österreich. Dort geht er am 9. Mai 1945 mit seiner Einheit bei Linz in amerikanische Gefangenschaft, wird dann aber an die Rote Armee ausgeliefert. Auf Gefangenen-Märschen nach Russland gelingt ihm zweimal nachts die Flucht zurück nach Westen, gerät aber dabei erneut in amerikanischen Gewahrsam. Nachdem er beim ersten Mal erneut an die Russen überstellt wird, verbleibt er nach dem zweiten Mal bei den Amerikanern, die ihn am 22. Juli 1945 zu Aufräumarbeiten ins völlig zerstörte Köln schicken.

In Köln muss Enno der Tatsache ins Auge blicken, dass Ehefrau Leni inzwischen von einem anderen Mann schwanger ist. Bruder Karl Edmund befindet sich noch in britischer Gefangenschaft, dessen vor den Luftangriffen der Alliierten aus der Stadt geflüchtete Ehefrau hält sich mit ihren Kindern in Tirol auf. Ennos Eltern wiederum haben bei einem Bruder seines Vaters in Aschhauserfeld Unterschlupf gefunden. Auf dessen Bauernhof kommt am 6. Mai 1946 auch Enno an, nachdem er zuvor von den britischen Besatzungsbehörden die Genehmigung erhalten hat, sich dort als entlassener Kriegsgefangener anzusiedeln.

Nach Ennos Ankunft bekommt Vater Gerhard von seinem Bruder ein für die Landwirtschaft unbrauchbares Eckgrundstück zur Nutzung überlassen. Darauf baut Enno zunächst nur für sich eine kleine Behelfsunterkunft. Zwei Jahre später kauft er dann eine ehemalige Arbeitsdienst-Baracke und baut sie zusammen mit Hilfe seines Vaters und einiger Nachbarn auf dem Grundstück auf. Nach und nach entsteht daraus eine mehr oder weniger komfortable Wohnbaracke.

Im zerbombten Köln wiederum hat Ennos inzwischen aus Tirol zurückgekehrte Schwägerin Margarete große Probleme, ihre drei Kinder Edith, Alint und Enno allein durchzubringen. Deshalb beschließt Enno, seine beiden Nichten nach Aschhauserfeld zu holen. Sie bleiben rund drei Jahre im Norden, bis Bruder Karl Edmund nach der Entlassung aus der Gefangenschaft in der Domstadt mit einem eigenen Graphik-Atelier wieder Fuß gefasst hat.

Enno selbst arbeitet bereits seit 1946 wieder als Malergeselle, wenn auch unterbrochen von diversen Phasen der Arbeitslosigkeit. Anfang Mai 1952 macht er sich dann als Gebrauchsgraphiker selbstständig. Drei Monate später heiratet Enno – seit Sommer 1949 von Leni geschieden – Lisa Hinrichs aus Westerholtsfelde. Im Juni 1953 wird er mit der Geburt eines nach seinem Bruder Edmund benannten Sohnes zum ersten und einzigen Mal Vater.

Das Wirtschaftswunder der 50er Jahre lässt die schlimmen Erfahrungen der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit mehr und mehr verblassen. Weil die Geschäfte seines Graphik-Ateliers gut anlaufen, kann sich Enno schon 1957 sein erstes eigenes Auto leisten, einen nagelneuen Renault 4CV. Im September 1961 übernimmt Ehefrau Lisa die Leitung einer in der Bahnhofstraße in Bad Zwischenahn gelegenen Filiale des Lebensmittelhändlers Gebrüder Kessener. Fortan wohnen Enno, Lisa und Edmund in der dazugehörigen Wohnung im gleichen Haus. Im selben Jahr bekommt Enno das zuvor von seinem Vater gekaufte Grundstück in Aschhauserfeld als Eigentum übertragen, verbunden mit einem lebenslangen unentgeltlichen Wohnrecht. Ein Neubau entsteht, den Enno mit seiner Familie und den Eltern 1964 bezieht. Die noch immer vorhandene Baracke nutzt Enno nach einigen in Eigenleistung vollbrachten Umbaumaßnahmen fortan als Arbeitsraum.

Ennos Vater Gerhard stirbt Ende November 1968 an den Folgen eines Unfalls, Mutter Emma im Januar 1975. In den Jahren dazwischen und auch danach gestalten Enno und Lisa Haus und Garten noch mehrfach um. Als Sohn Edmund 1979 heiratet und ein Wohnhaus im nahegelegenen Südmoslesfehn kauft, sind Ennos handwerkliche Fähigkeiten dort ebenfalls immer wieder gefragt. Die nötige Zeit dafür ist vorhanden: Seit 1980 ist Enno Rentner. Zwei Jahre später kommt Enkel Jan-Ole zur Welt, Enkelin Amely folgt 1985. Nahezu zeitgleich scheidet auch Lisa aus dem Berufsleben aus.

Die folgenden Jahre leben Enno und Lisa eher zurückgezogen, wobei Enno sich bis ins hohe Alter seine Begeisterung fürs Tüfteln bewahrt und immer wieder Ideen ausheckt, was sich an Haus und Garten technisch oder organisatorisch noch verbessern lässt. Ist Lisa damit einverstanden, macht er sich an die Umsetzung. Nach einem 1999 erlittenen Herzinfarkt bleibt er allerdings gesundheitlich angeschlagen. Enno stirbt am 28. Mai 2006 im Alter von 91 Jahren zu Hause in Aschhauserfeld. Beerdigt ist er drei Wochen später im Familiengrab auf der Ahnenstätte Hilligenloh in Hurrel.