Else Mathilde Kornagel wird am 12. August 1904 als sechstes Kind von Carl Busch und Bertha Busch in Hurrel geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Emma Schmidt, Frieda Martens, Adele Asseln, Adolf Busch und Hermine Meyer.
Der 12. August 1904 ist ein Tag, den Russlands Zar Nikolaus II. seit Jahren herbeigefleht hat: Nach vier Mädchen bringt Zarin Alexandra Fjodorowna auf Schloss Peterhof bei Sankt Petersburg endlich einen Jungen zur Welt. Der langersehnte Thronfolger erhält den Namen Alexei Nikolajewitsch. Zu seiner Taufe am 3. September reisen neben Urgroßvater Christian IX. aus Dänemark unter anderem Großbritanniens König Edward VII. und dessen Sohn George sowie Deutschlands Kaiser Wilhelm II. an. George und Wilhelm gehören wie Zarin Alexandra Fjodorowna zu den insgesamt 40 Enkelkindern der 1901 verstorbenen britischen Königin Victoria.
Bei den mit der Taufe einhergehenden Feierlichkeiten hat die väterliche Euphorie bei Nikolaus womöglich schon ein Stück weit nachgelassen – steht doch inzwischen zweifelsfrei fest, dass der erst drei Wochen alte Zarewitsch an der Bluterkrankheit leidet. Ein auf Queen Victoria zurückgehender Gendefekt, der zwar ganz überwiegend von Frauen weitergetragen wird, aber fast ausschließlich Männer heimsucht. Weil ihr Blut gar nicht oder nur sehr langsam gerinnt, geraten davon betroffene Personen bereits durch harmlose Verletzungen in Lebensgefahr. Ob Alexei Nikolajewitsch das für ihn vorgesehene Amt jemals wird antreten können, erscheint deshalb mehr als fraglich.
Auch sonst dürfte Nikolaus der politische Alltag schnell wieder eingeholt haben. Seit Februar 1904 tobt im Osten des Riesenreiches der Russisch-Japanische Krieg, und die Meldungen von der Front sind alles andere als aufbauend. Seit Monaten ist der russische Flottenstützpunkt Port Arthur von den Japanern blockiert, bei einem gescheiterten Ausbruchsversuch am 10. August kommt neben zahlreichen anderen Offizieren Oberbefehlshaber Wilhelm Karlowitsch Withöft ums Leben. Fast alle seit Beginn des Konflikts geführten Landschlachten gehen angesichts der Überlegenheit der japanischen Artillerie verloren – wie letztlich der ganze Krieg. Am 5. September 1905 unterzeichnet Nikolaus den Vertrag von Portsmouth, der Japans Vormachtstellung in Korea und der südlichen Mandschurei festschreibt. In Russland selbst wird derweil der Ruf nach sozialen Reformen immer lauter: Sich bis 1907 hinziehende innenpolitische Unruhen sind die Folge.
Wie es sich anfühlt, nach mehreren Töchtern endlich den ersehnten Stammhalter in Händen zu halten, kann Elses Vater Carl in Hurrel gut nachvollziehen – ist es ihm doch ein Jahrzehnt zuvor ganz ähnlich ergangen. Mit der Geburt von Sohn Adolf im September 1893 schien die Familienplanung im Hause Busch eigentlich abgeschlossen. Doch Mutter Bertha, damals 27 Jahre alt, bleibt natürlich im gebärfähigen Alter, so dass erst Hermine (geboren im Mai 1902) und nun Else den Schlusspunkt setzen. Für Carl letztlich kein Problem: Hat er doch in den Jahren zuvor als erfolgreicher Gastwirt und Unternehmer allemal die materiellen Voraussetzungen geschaffen, neben den vier vorhandenen Kindern noch zwei Nachzügler durchzufüttern.
Carl und Bertha Busch betreiben in Hurrel die Gastwirtschaft „Zur fröhlichen Einkehr“ (heute: Hajo und Dagmar Mehrings), daneben existiert eine Bäckerei mit angeschlossenem Lebensmittelladen. Auch wer Fensterglas, Malerzubehör oder andere Dinge des täglichen Bedarfs benötigt, wird bei ihnen fündig. Nicht zu vergessen die kleine Landwirtschaft, die quasi nebenher läuft. Trotz mehrerer Angestellte ein eng getakteter Familienbetrieb, der die Mithilfe aller erfordert – wobei Else es in den ersten Lebensjahren sicher leichter hat als ihre älteren Geschwister. Da die beiden ältesten Schwestern das Elternhaus früh verlassen, dürfte jedoch auch sie bald einbezogen werden.
Zwischen den Hochzeiten von Emma (März 1910) und Frieda (September 1911) wird Else in die ihrem Elternhaus gegenüber liegende Volksschule Hurrel (heute: Gunda Hagestedt) eingeschult. Neben Schwester Hermine gehören dort unter anderem Sophie Albers, Alma Bleckwehl, Henny Heinemann, Martha Lange, Martha Spreen, Martha Wieting und Martha Wilkens zu ihren in etwa gleichaltrigen Mitschülerinnen.
Der Anfang August 1914 ausbrechende Erste Weltkrieg verändert auch in Hurrel das Alltagsleben radikal: Elses Bruder Adolf wird ebenso zur Armee eingezogen wie zahlreiche andere Dorfbewohner, Bekannte und Verwandte. Zu den ersten Opfern aus Elses unmittelbarem Umfeld gehört neben Nachbar Georg von Seggern Friedas Ehemann Christian Friedrich Stalling, der im Juni 1916 an der Ostfront fällt. Frieda bleibt im Nachbarort Kirchhatten mit drei kleinen Kindern und einem Bekleidungsgeschäft zurück.
In ihren Erinnerungen an die regelmäßigen Visiten in Hurrel berichtet Friedas älteste Tochter Elfriede Stalling davon, wie sie während des Krieges im Saal der Gaststätte unter Elses Aufsicht Fahrradfahren übt oder mit ihrer nur acht Jahre älteren Tante in einem nahegelegenen Waldstück Heidelbeeren und Pfifferlinge pflückt. Auch mit Emmas 1910 und 1915 geborenen, seit Kriegsbeginn im Haushalt von Carl und Bertha Busch lebenden Kindern Karl Edmund und Enno dürfte Else in jenen Jahren nach dem täglichen Schulbesuch viel Zeit verbringen.
Mitten in Elses Vorbereitungen auf Schulabschluss und Konfirmation geht der Krieg mit dem Waffenstillstand von Compiègne endgültig verloren. Zu diesem Zeitpunkt lebt auch Elses astrologischer Zwilling Alexei Nikolajewitsch bereits nicht mehr: Er wird am 17. Juli 1918 mit seiner gesamten Familie im Auftrag der seit der Oktoberrevolution das Land regierenden Bolschewiki ermordet.
Bis sich in Deutschland nach der Abdankung von Wilhelm II. die am 9. November 1918 ausgerufene Weimarer Republik etablieren kann, folgen weitere unruhige Monate. In Elses Familie gerät ebenfalls einiges in Bewegung. So beschließt Schwester Emma, mit Ehemann Gerhard Schmidt und den beiden Kindern nach Köln überzusiedeln. Daneben bahnt sich eine weitere Hochzeit an: Im Januar 1920 heiratet Schwester Adele Reinhard Asseln, der schon seit längerem als Geselle in der Bäckerei Busch arbeitet. Etwa zur gleichen Zeit kommt es zu einem Zerwürfnis zwischen Vater Carl und Bruder Adolf, dessen Hintergründe heute im Dunkeln liegen. Zu den Ergebnissen zählt in jedem Fall, dass über kurz oder lang Adele und Reinhard den elterlichen Betrieb weiterführen sollen.
Im September 1923 stirbt Elses Vater, im April 1927 auch Mutter Bertha. Sehr wahrscheinlich arbeitet Else noch bis mindestens Anfang der 30er Jahre weiter in Gaststätte und Laden mit. Dabei lernt sie ihren künftigen Ehemann Hugo Kornagel kennen, der eine Stelle als Bäcker im nunmehr von Reinhard Asseln geführten Betrieb antritt.
Wann Else und Hugo heiraten und wann genau sie Hurrel verlassen, ist heute im Dorf nicht mehr bekannt. Ihr Weg führt sie rund 400 Kilometer südlich nach Wiesbaden. Ob Hugo dort Verwandte hat und zunächst weiter als Bäcker arbeitet, darüber lässt sich nur spekulieren – ebenso darüber, wie beide unbeschadet durch die Schrecken der Nazizeit und des Zweiten Weltkriegs kommen. Fest steht nur: Else und Hugo bauen in Wiesbaden ein Milchgeschäft mit Auslieferung auf, das in den Wirtschaftswunder-Jahren nach Währungsreform und Gründung der Bundesrepublik einiges abzuwerfen scheint: Als sie sich später zur Ruhe setzen, gehört ihnen an der Dotzheimer Straße ein Eckhaus, das außer dem Laden insgesamt sechs Wohnungen beherbergt. Eine davon bewohnen sie selbst.
In den 50er und 60er Jahren fährt Else mit Hugo regelmäßig Richtung Norden, um ihre Schwestern zu besuchen. Eine liebgewonnene Gewohnheit, der allerdings nach Adeles Tod 1966 – Hermine und Frieda sind bereits 1957 und 1961 verstorben – mehr und mehr der Boden entzogen ist. Mit der letzten noch verbliebenen Schwester Emma, seit Kriegsende in Aschhauserfeld bei Bad Zwischenahn ansässig, steht Else allerdings noch bis 1975 in regelmäßigem Briefkontakt. In einem dieser Briefe bedauert sie, dass ihre Ehe mit Hugo kinderlos geblieben ist: Zunächst habe das Geschäft im Mittelpunkt gestanden, nach Krieg und Wiederaufbau sei es dann irgendwann zu spät gewesen.
Hugo stirbt im August 1979. Else lebt danach weiter in ihrem Haus in Wiesbaden. Ganz reißt der Kontakt nach Hurrel auch in den folgenden Jahren nicht ab: Gehalten wird er durch Adeles Tochter Ilse Heinemann, die ihre Tante hin und wieder besucht. Else selbst stirbt am 2. Januar 1996 im Alter von 91 Jahren, das genaue Datum und der Ort ihres Begräbnisses sind nicht bekannt.