Diedrich Petershagen – Biographie

Diedrich Friedrich Petershagen wird am 23. April 1867 als erstes Kind von Diedrich Friedrich Petershagen und Catharine Margarethe Petershagen in Kirchkimmen geboren. Er ist der ältere Bruder von Hinrich Petershagen und Heinrich Georg Wilhelm Petershagen.

Drei Wochen vor Diedrichs Geburt verkauft Russland seine Übersee-Kolonie Alaska für 7,2 Millionen US-Dollar an die USA – eine Übereinkunft, die später als einer der billigsten Landkäufe aller Zeiten in die Geschichte eingeht. Der Preis für den Quadratkilometer beträgt lediglich 4,74 Dollar, was in heutiger Kaufkraft etwa 80 Dollar entspricht. Dennoch fühlt sich der Verkäufer in Person des russischen Zaren Alexander II. keineswegs übervorteilt. Schließlich bietet ihm das Geschäft Gelegenheit, die nach dem verlorenen Krim-Krieg arg lädierte Staatskasse wieder etwas aufzufüllen. Die seit 1745 von einigen wenigen Pelztierjägern besiedelte Kolonie ist für Russland kaum von Nutzen und liegt überdies viel zu abgelegen: Von der Hauptstadt St. Petersburg bis dorthin dauert jede Schiffspassage länger als ein halbes Jahr. Gegen einen Angriff Großbritanniens, mit dem Alexander II. eher früher als später rechnet, ließe sich Alaska deshalb kaum wirksam verteidigen.

Für die USA hat der Kauf in erster Linie strategischen Wert. Die Regierung von Präsident Andrew Johnson signalisiert damit Großbritannien, dass es in Nordamerika keinen Platz für weitere Expansion gibt – in der Hoffnung, eines Tages auch die Briten vom Verkauf ihrer vor der Haustür der USA gelegenen Kolonien überzeugen zu können. Daraus wird freilich nichts: Bereits am 1. Juli 1867 entsteht nördlich der Großen Seen mit der Kanadischen Konföderation ein eigenständiges Staatengebilde. Zeitgenössische Kritiker des Alaska-Deals sprechen deshalb von einer teuren Fehlentscheidung. Die „New York World“ nennt das erworbene Gebiet eine „gelutschte Orange“, für die „New York Tribune“ ist es nichts weiter als „gefrorene Wildnis“. Angesichts der enormen Rohstoffvorkommen, die dort einige Jahrzehnte später zutage treten, haben Johnson und sein mit den Verhandlungen betrauter Außenminister William H. Seward aber wohl alles richtig gemacht.

Ein drittes Ereignis jener Monate spielt sich ebenfalls viele tausend Kilometer vom Großherzogtum Oldenburg entfernt ab, zu dem Diedrichs Geburtsort Kirchkimmen damals gehört. Am 1. März 1867 tritt Nebraska den USA als 37. Bundesstaat bei. Anders als bei den beiden anderen Ereignissen gibt es aber durchaus einen direkten Bezug, denn schon bald entwickelt sich Nebraska zu einem bevorzugten Anlaufpunkt ehemaliger Oldenburger. Vier Jahre vor Gründung des Deutschen Reiches läuft die Auswanderungswelle weiter auf vollen Touren. Seit der gescheiterten März-Revolution von 1848/49 haben mehr als 1,5 Millionen Deutsche ihre Heimat verlassen – darunter mit Christopher August Huntemann, Bernhard Hinrich Menkens und Hermann Hinrich Meyer mindestens drei Kirchkimmer. Im Februar 1864 geht mit Bernhard Petershagen aus Lintel auch ein Namensvetter und mutmaßlicher Verwandter von Diedrich diesen Weg.

Ob Auswanderung für Diedrichs Eltern je ein Thema ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Sie sind Heuerleute ohne eigenen Grundbesitz, ihr genauer Wohnsitz in Kirchkimmen ist in der Familie nicht mehr bekannt. Gleiches gilt für besondere Ereignisse aus Diedrichs Kinder- und Jugendjahren. Zu seinen in etwa gleichaltrigen Klassenkameraden in der Volksschule dürfte aber mit einiger Sicherheit Diedrich Timmermann gehören, der im November 1867 in Kirchkimmen geboren ist und als Erwachsener wie Diedrich selbst in den Nachbarort Hurrel zieht.

Wann genau Diedrich in Hurrel ansässig wird, liegt heute ebenfalls im Dunkeln. Spätestens jedoch 1893, denn im Mai dieses Jahres kommt im Dorf mit Friedrich sein erster Sohn aus der 1891 in Hude geschlossenen Ehe mit Aline Gesine Loseken zur Welt. Auf welchem Hof? Auch das lässt sich heute nicht mehr zweifelsfrei feststellen, denn das Paar arbeitet wie Diedrichs Eltern auf fremdem Grund und Boden. Informationen aus der Familie zufolge könnte es sich dabei um ein zum Hof von Bernhard Haverkamp gehörendes Heuerhaus am Goehlweg (heute: Marie Herrmann) handeln. Dort – oder an anderer Stelle – gibt es mit Elisa Martha (März 1895), Anna (Oktober 1897), Gesine (Februar 1900) und Johann Hinrich (November 1902) schon bald weiteren Nachwuchs. In den Anfangsjahren leben offenbar auch Vater Diedrich Friedrich und Mutter Catharine Margarethe mit im Haushalt, denn das Kirchenbuch der Gemeinde Hude gibt bei ihrem Tod (April 1895 beziehungsweise April 1896) jeweils Hurrel als Sterbeort an.

Kurz vor Gesines Geburt verewigt sich Diedrich in den Annalen des Dorfes: Er gehört zu jenen 14 Männern, die am 23. April 1899 – also an seinem 32. Geburtstag – den Schützenverein Hurrel aus der Taufe heben. Bei der Gründungsversammlung im Gasthof von Carl Busch (heute: Hajo und Dagmar Mehrings) sind neben Diedrichs Bruder Hinrich unter anderem auch Johann Bleckwehl, Diedrich Albers und der mutmaßliche Verpächter Berhard Haverkamp zugegen, letzterer übernimmt den Vorsitz des neuen Vereins.

Irgendwann nach der Geburt des bis dato jüngsten Sohnes Johann Hinrich verlässt Diedrich mit seiner Familie Hurrel, Tochter Johanne wird am 11. Mai 1905 bereits am neuen Wohnort Nordenholz geboren. Eine Geburt, die Mutter Aline Gesine nicht überlebt. Diedrich, plötzlich alleine mit einem Säugling und fünf weiteren Kindern im Alter von zweieinhalb bis zwölf Jahren, muss eine Lösung finden und verteilt die älteren Kinder auf mehrere Höfe in der näheren Umgebung. Über Details dieser unfreiwilligen Familientrennung weiß aber 113 Jahre später niemand mehr zu berichten.

Im August 1911 geht Diedrich mit Meta Sophie Klattenhoff, der Tochter eines Brinksitzers aus Nordenholz, die zweite Ehe ein. Laut Huder Kirchenbuch arbeitet er zu dieser Zeit als Viehhändler. Zwischen 1913 und 1917 kommen mit Aline Luise und Heinrich zwei weitere Kinder zur Welt, von denen aber lediglich Heinrich das Ende des Ersten Weltkriegs im November 1918 erlebt. Von den älteren Kindern muss Sohn Friedrich an die Front, er kehrt aber nach Einsätzen in Frankreich, Italien, Serbien und Russland unversehrt zurück.

Über die Jahre der Weimarer Republik ist lediglich bekannt, dass Diedrich in dieser Zeit weiter in Nordenholz wohnt und wie Sohn Friedrich sehr aktiv an Veranstaltungen der umliegenden Schützenvereine teilnimmt. Dass Friedrich 1928 in Köln den Titel eines Deutschen Meisters im Großkaliberschießen erringt, dürfte ihn mit Vaterstolz erfüllen.

Scheint sich Deutschland 1928 weitgehend von den Folgen des verlorenen Krieges und der verheerenden Hyperinflation erholt zu haben, so löst nur ein Jahr später die von den USA ausgehende Weltwirtschaftskrise neue Verwerfungen aus. Sie münden schließlich Anfang 1933 direkt in die Diktatur des Dritten Reiches. Vier Jahre später stirbt Diedrichs Ehefrau Meta Sophie. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 bringt Diedrich dann erneut dunkle Stunden – zu den dunkelsten gehört sicher jener Moment, in dem er die Nachricht erhält, dass sein jüngster, zuletzt in Italien kämpfender Sohn Heinrich seit Dezember 1943 als vermisst gilt.

Als der Krieg im Mai 1945 endlich zu Ende geht, ist Diedrich 78 Jahre alt. Auch über seine letzten Lebensjahre lässt sich heute vergleichsweise wenig in Erfahrung bringen. Belegt ist allerdings, dass er im Juli 1950 noch einmal nach Hurrel zurückkehrt: Als einer von drei noch lebenden Mitbegründern des Schützenvereins Hurrel nimmt er dort am ersten nach dem Krieg gefeierten Schützenfest teil.

Diedrich stirbt am 25. Februar 1953 in seiner Wohnung in Nordenholz an Altersschwäche. Beerdigt ist er fünf Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.