Bertha Johanne Tönjes wird am 5. September 1894 als siebtes Kind von Johann Diedrich Rüdebusch und Beke Margarete Rüdebusch auf dem elterlichen Hof in Kirchkimmen (heute: Udo Rüdebusch) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Johann Hinrich Rüdebusch, Gesine Mathilde Vosteen, Friedrich Wilhelm Rüdebusch, Georg Diedrich Rüdebusch, Anna Mathilde Ahrens und Diedrich Rüdebusch.
Ein Ereignis aus dem Sommer 1894 läutet ein Ritual ein, das heute in seiner modernen Form an 20 Wochenenden im Jahr Abermillionen Menschen vor den Bildschirm lockt: das erste Autorennen der Welt, veranstaltet von der französischen Zeitung „Petit Journal“. Die 126 Kilometer lange Strecke führt insgesamt 21 Teilnehmer von Paris nach Rouen. Am Ende gewinnt laut Reglement nicht das schnellste Fahrzeug, sondern das „ungefährlichste, am leichtesten zu bedienende und billigste Gefährt“. Vor Ort sind mit dem Stuttgarter Automobil-Pionier Gottlieb Daimler und seinem Sohn Paul auch zwei Deutsche. Sie freuen sich am Ende darüber, dass die vier am besten platzierten Benzinwagen einen in Lizenz gebauten Daimler-Motor unter der Haube haben.
Ein zweites bedeutendes und zumindest in Frankreich bis heute unvergessenes Ereignis des Jahres 1894 nimmt drei Wochen nach Berthas Geburt ebenfalls in Paris seinen Lauf. Am 25. September entdeckt eine in der deutschen Botschaft angestellte, nebenbei für den Auslandsnachrichtendienst Deuxième Bureau spionierende Putzfrau beim Entleeren der Papierkörbe einen zerrissenen Brief, der den Geheimnisverrat eines französischen Armee-Angehörigen aufdeckt. Der Verdacht fällt auf den jüdischen Generalstabsoffizier Alfred Dreyfus, der am 15. Oktober verhaftet und im April 1895 nach einem äußerst fragwürdigen Prozess auf die Teufelsinsel verbannt wird. Die nach ihm benannte Dreyfus-Affäre zieht sich fast zwölf Jahre lang hin und erschüttert die Dritte Republik in ihren Grundfesten.
Als Alfred Dreyfus am 11. Juli 1906 von allen Vorwürfen freigesprochen und vollständig rehabilitiert wird, hat Bertha in Kirchkimmen bereits den größten Teil ihrer Volksschulzeit hinter sich – und ist seit sechs Jahren Halbwaise. Vater Johann Diedrich ist im Februar 1900 an einer Lungenentzündung gestorben, und auch zwei ihrer älteren Brüder sind längst tot: Sowohl Friedrich Wilhelm als auch Georg Diedrich Rüdebusch kommen nicht über das Säuglingsalter hinaus. Da ihre Mutter nicht erneut heiratet, dürfte Bertha von früher Kindheit an in die Bewirtschaftung des elterlichen Hofes eingebunden sein, den später einmal ihr jüngster Bruder Diedrich übernimmt.
Es steht zu vermuten, dass Bertha bereits in ihrer Schulzeit regelmäßig Kontakt nach Hurrel hat, denn dort lebt – auf dem heutigen Hof von Birgit Ganteföhr – die Familie ihres Onkels Johann Heinrich Rüdebusch. Gut möglich, dass sie über diesen Kontakt auch ihren künftigen Ehemann Heinrich Tönjes kennenlernt. Dass beide schon bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 ein Paar sind, ist jedoch eher unwahrscheinlich: Heinrich ist zu diesem Zeitpunkt 20 Jahre alt, Bertha 19.
Wo Bertha die in Hurrel wie in Kirchkimmen gleichermaßen schwierigen Kriegsjahre verbringt, ist nicht überliefert. Im April 1919 heiratet ihre Schwester Anna Mathilde Heinrich Ahrens aus Hurrel. Dessen Hof (heute: Rolf Ahrens und Sonja Kosmann) liegt von jenem Hof, den Heinrich Tönjes mit seinen Eltern am Hesterort (heute: Ingo Stöver und Sara Bolte) bewirtschaftet, weniger als einen Kilometer entfernt. Vielleicht treffen Bertha und Heinrich auch erst auf der Feier dieser Hochzeit das erste Mal aufeinander.
Bertha und Heinrich heiraten am 27. Juni 1922, zehn Monate nach dem Tod von Heinrichs Vater Hinrich. Anschließend zieht Bertha auf den Tönjes-Hof, der zu den größeren Betrieben im Dorf gehört und als einer der wenigen über mehrere Heuerhäuser verfügt. Während Berthas Schwester Anna Mathilde bis November 1928 vier Kinder – von denen zwei im Säuglingsalter sterben – bekommt, bleibt ihre eigene Ehe kinderlos. Ein Schicksal, das sie mit ihrem ab Februar 1927 mit Berta Hegeler aus Habbrügge verheirateten Bruder Diedrich auf dem Kirchkimmer Stammhof teilt.
Ob Bertha über ihren 1934 gefeierten 40. Geburtstag hinaus weiter Hoffnung auf eigenen Nachwuchs hegt, lässt sich nur erahnen. Kinder wachsen auf dem Tönjes-Hof in den folgenden Jahren dennoch auf: In einem der Heuerhäuser wohnen die langjährigen Angestellten Heino und Martha Stöver mit ihren Kindern Willy (geboren im November 1935), Luise (April 1937), Frieda (September 1938), Fritz (Januar 1940) und Erika (Mai 1941).
Berthas letzte Lebensjahre sind geprägt durch die Schrecken des von den Nationalsozialisten begonnenen Zweiten Weltkriegs und die bittere Not der ersten Nachkriegsjahre. Sie erlebt die Einberufung zahlreicher Nachbarn, Verwandter und Bekannter und so manche Todes- und Vermisstenmeldung aus diesem Umfeld – unter anderem jene von Heino Stöver. In den letzten Wochen des Krieges zerstört zudem ein Tiefflieger-Angriff große Teile des Tönjes-Hofes. Als es nach der Währungsreform und der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Mai 1949 ganz allmählich wieder aufwärts geht, ist Bertha bereits schwer an Krebs erkrankt. Sie stirbt am 16. September 1949 im Alter von nur 55 Jahren und wird wenige Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.