Bernhard Wiedau – Biographie

Johann Bernhard Wiedau – Rufname Bernhard – wird am 25. März 1856 als siebtes Kind von Hinrich Wiedau und Ahlke Margarete Wiedau auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Heinz und Alke Brinkmann) geboren. Er ist der jüngere Bruder von Anna Catharina Wiedau, Anna Gesine Barkemeyer, Meta Catharina Wiedau, Hinrich Wiedau, Ahrend Diedrich Wiedau und Hermann Wiedau und der ältere Bruder von Johann Diedrich Wiedau und Anna Adeline Schwarting.

Am Tag nach Bernhards Geburt stirbt im österreichisch-schlesischen Kurort Lindewiese der Naturheiler Johann Schroth. Der Begründer der Schrothkur erliegt im Alter von nur 58 Jahren einem Herzleiden. Seine Heilmethoden haben bis heute Bestand – werden aber wie schon zu Schroths Lebzeiten von Medizinern und Ernährungswissenschaftlern immer wieder angezweifelt und attackiert.

Der Legende nach entwickelt Schroth die Grundlagen seiner Kur, als er in jungen Jahren von einem Pferd so unglücklich getreten wird, dass sein rechtes Knie steif zu bleiben droht. Mehrere konsultierte Ärzte können nicht helfen, doch die von einem Mönch empfohlenen feuchten Wickel bringen schon bald eine deutliche Linderung. Parallel dazu beobachtet Schroth, dass sich Tiere bei Krankheit zurückziehen und so lange hungern, bis sie gesunden. Fortan predigt er, den eigenen Körper durch Schwitzen sowie den Wechsel von Fasten und normaler, aber sehr eiweißarmer Kost zu entgiften. Was im Falle von Gicht oder Migräne oft bemerkenswerte Erfolge zeitigt, andere Krankheiten wie Tuberkulose oder Leberstörungen jedoch durchaus auch verschlimmern kann.

Einen Achtungserfolg erzielt Schroth, als er 1850 Prinz Wilhelm von Württemberg behandelt. Der österreichische Adelige war in der Schlacht bei Novara von einer Kugel unterhalb der Kniescheibe getroffen worden, namhafte Ärzte sehen keinen anderen Ausweg als die Amputation. Schroth hingegen gelingt es innerhalb von vier Monaten, das Bein zu retten – bei voller Funktionstüchtigkeit. Zum Dank erteilt Wilhelm ihm die offizielle Erlaubnis, die Schrothkur als Naturheilverfahren anzuwenden. Das ermöglicht es Schroth wiederum, den 1829 in Lindewiese errichteten Kurbetrieb aufrechtzuerhalten und sogar auszubauen. Nach Schroths Tod führt dessen Sohn Emanuel die Klinik weiter.

Anders als im damaligen Kaisertum Österreich, wo Lindewiese bald einen sehr guten Ruf als Kurort genießt, dürften Schroths Methoden Mitte des 19. Jahrhunderts im Großherzogtum Oldenburg und damit in Hurrel kaum bekannt sein. In Bernhards Familie hätten sie vermutlich auch keinen großen Nutzen gestiftet, denn das zentrale Problem dort ist – wie fast überall in den deutschen Fürstentümern – die hohe Kindersterblichkeit. Drei seiner älteren Geschwister (Anna Catharina, Ahrend Diedrich und Hermann) lernt Bernhard nie kennen, sie kommen wie auch der jüngere Bruder Johann Diedrich nicht über das Säuglingsalter hinaus. Mutter Ahlke Margarete stirbt ebenfalls sehr früh: Als sie im Januar 1862 zu Grabe getragen wird, ist Bernhard gerade einmal fünf Jahre alt.

Die Volksschule besucht Bernhard wie alle Hurreler Kinder seiner Generation in Lintel. Zu den in etwa gleichalten Mitschülern, die jeden Morgen zu Fuß ins Nachbardorf marschieren, gehören unter anderem Johann Christian Brockshus, Mathilde Haverkamp, Johann Dierk Mönnich, Johann Schwarting, Tönjes Hinrich Tönjes und Catharine Tönjes. Wann genau Bernhard die Schule verlässt, ist nicht überliefert – ebenso wenig, ob er danach irgendwo in Stellung geht oder gleich in den väterlichen Betrieb einsteigt. Dass er den 1521 zum ersten Mal urkundlich erwähnten, rund 35 Hektar großen Hof als der jüngere der beiden überlebenden Söhne eines Tages übernehmen würde, dürfte allerdings innerhalb der Familie relativ früh vereinbart worden sein.

Kurz nach dem Tod von Bernhards Vater im April 1883 wird der Hof auf seinen Namen überschrieben. Zu diesem Zeitpunkt ist Bernhard 27 Jahre alt und noch ledig. Erst am 14. Mai 1891 heiratet er Catharine Vosteen aus Kirchkimmen. Der Geburt von Tochter Adele am 20. März 1892 folgt am 19. Dezember 1893 die Geburt des potenziellen Hoferben Georg Hinrich. Er stirbt jedoch sechs Monate später an Masern.

Fast auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Tod von Georg Hinrich kommt am 14. Mai 1895 die zweite Tochter Johanne zur Welt, der mit Martha (26. Oktober 1897) und Clara (24. April 1900) noch zwei Mädchen folgen und nach einem totgeborenen Jungen (19. Februar 1903) mit Bertha (25. September 1905) ein weiteres Mädchen. Bertha stirbt jedoch im August 1906 wie Georg Hinrich noch vor dem ersten Geburtstag. Die genaue Todesursache ist im Huder Kirchenbuch nicht verzeichnet.

So sehr sich Bernhard und Katharine vermutlich in all den Jahren noch einmal einen Sohn gewünscht haben – nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 dürften sie froh sein, alle vier überlebenden Kinder sicher in der Heimat zu wissen und nicht auf einem der zahlreichen europäischen Schlachtfelder. Ihr größtes Problem in dieser Zeit wird wahrscheinlich der Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften sein, der in den Dörfern der Umgebung anders als im Zweiten Weltkrieg kaum durch den Einsatz von Kriegsgefangenen kompensiert wird.

Spätestens ab 1919 geht das Leben auf dem Wiedau-Hof wieder seinen gewohnten Gang – abgesehen von der Tatsache, dass die Frage der Nachfolge noch immer nicht abschließend geklärt ist. Eine Frage, die zunehmend drängender wird: Im März 1921 feiert Bernhard seinen 65. und im März 1926 seinen 70. Geburtstag, ohne dass sich eine einvernehmliche Lösung anbahnt. Bernhard favorisiert seine älteste Tochter Adele und deren Ehemann Friedrich Brinkmann, die nur wenige hundert Meter Luftlinie entfernt den Hof von Friedrichs Onkel Hinrich Brinkmann (heute: Uwe und Inge Ramke) bewirtschaften. Als die jüngste und eigentlich erbberechtigte Tochter Clara daraufhin mit ihrem Ehemann Heinrich Neuhaus 1927 nach Nordamerika auswandert, stimmen Adele und Friedrich schließlich einem Umzug zu: Kurz nach der Geburt ihres jüngsten Sohnes Adolf im Juni 1928 lässt Bernhard den Wiedau-Hof auf Friedrich überschreiben.

Auch in den folgenden Jahren arbeitet Bernhard wie selbstverständlich auf dem Hof mit, der ohne größere Schäden und ohne Verluste unter seinen zur Familie gehörenden Bewohnern die Zeit des Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg übersteht. Drei Monate nach Kriegsende, im August 1945, stirbt allerdings Ehefrau Catharine im Alter von 83 Jahren. Bernhard ist zu diesem Zeitpunkt bereits 89 Jahre alt, erfreut sich aber immer noch guter Gesundheit. So überlebt er auch seinen Schwiegersohn Friedrich, der Anfang Januar 1948 einem Gehirntumor erliegt.

Die 50er Jahre brechen an, und damit das Jahrzehnt, in dem Bernhard seinen 100. Geburtstag feiern könnte. Ganz so weit kommt es nicht: Zwar steigt er in den letzten Jahren seines Lebens zum ältesten Einwohner der Gemeinde Hude auf, dessen Ehrentag der 1946 gegründeten Nordwest-Zeitung mit jeder Wiederkehr ein paar Zeilen mehr wert ist. Nach dem 97. Geburtstag im März 1953, zu dem der verantwortliche Redakteur dem „rüstigen Greis“ herzlich gratuliert, ist allerdings Schluss: Bernhard stirbt am 30. Januar 1954, kurz vor seinem 98. Geburtstag, und wird sechs Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.