Bernhard Lüning wird am 28. Juni 1842 als erstes Kind von Johann Hinrich Lüning und Metje Margarete Lüning in Hurrel geboren. Er ist der ältere Bruder von Anna Maria Möhlenbrock, Catharine Pleus, Diedrich Lüning, Gesine Margarete Neels, Metta Gesina Wiese und Tabete Gesine Lüning.
Im Juni 1842 nimmt das Leben des belgischen Instrumentenbauers und Musikers Adolphe Sax eine entscheidende Wende. Mit leerem Geldbeutel, aber einem neuartigen, selbstentwickelten Instrument im Gepäck reist er nach Paris und stellt die bald darauf Saxophon getaufte Konstruktion dem französischen Komponisten Hector Berlioz vor. Berlioz ist hellauf begeistert – er verfasst sogleich einen lobenden Artikel für die vielgelesene Zeitung „Journal des débats“, der Sax in der Musik-Szene der französischen Hauptstadt auf einen Schlag bekannt macht.
Dass Sax im Alter von 27 Jahren diesen Erfolg feiern kann, hat sich in seiner Kindheit kaum abgezeichnet. Die nämlich ist der Überlieferung zufolge gekennzeichnet von einer nahezu unglaublich anmutenden Serie von Unfällen und beinahe tödlich verlaufenden Missgeschicken. Als Zweijähriger stürzt der kleine Adolphe von einer Treppe, später wird er von herabfallenden Dachziegeln getroffen. Beide Male liegt er danach im Koma. Ein weiterer Sturz bringt Sax einen Schädelbruch ein, ein anderes Mal wird er von einem Nachbarn leblos in einem Teich treibend gefunden, und in der Instrumentenbau-Werkstatt seines mit den verschiedensten Chemikalien experimentierenden Vaters erleidet er gleich mehrere schwere Vergiftungen. Gleichwohl kämpft Sax sich immer wieder ins Leben zurück und tritt nach dem Schulabschluss in die väterliche Werkstatt ein.
In Paris erhält Sax zwar auf einen Schlag die ihm in seiner Heimat zunächst vorenthaltene Anerkennung. Doch auch dort muss er sich einer Reihe von Problemen erwehren. Das größte ist die Missgunst anderer Instrumentenbauer. Als Inhaber des entsprechenden Patents darf über einen Zeitraum von zunächst 15 Jahren nur er selbst Saxophone herstellen. Ferner verfügt Frankreichs König Louis Philippe nach einem öffentlich ausgetragenen Wettstreit auf dem Marsfeld, dass das Saxophon fortan bevorzugt in Militärkapellen eingesetzt werden soll. Daraufhin verbündet sich die Konkurrenz gegen Sax und überzieht ihn wegen diverser Plagiats-Vorwürfe mit Gerichtsprozessen, die sich über Jahre hinweg hinziehen. Obwohl Sax am Ende siegt, leidet darunter sein Ruf und auch der seines Instruments. Insgesamt muss er dreimal Konkurs anmelden und stirbt 1894 unter ärmlichen Verhältnissen. Seinen weltweiten Siegeszug in der Populär-Musik beginnt das Saxophon erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Welche Musikinstrumente geben Mitte des 19. Jahrhunderts in Hurrel und umzu den Ton an? An erster Stelle nennen muss man hier sicher die beim Kirchgang allgegenwärtige Orgel. Trommel, Flöte, Klavier, Drehleier, Geige und – insbesondere auf Hochzeiten und sonstigen Festlichkeiten – Handharmonika und Teufelsgeige dürften ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Dass eines dieser Instrumente in professioneller Ausführung in Bernhards Elternhaus einen festen Platz hat, ist allerdings wie auch bei den meisten Nachbarn eher unwahrscheinlich.
Die Frage, wo genau im Dorf Bernhards Wiege steht, lässt ebenfalls Raum für Spekulationen. Gut möglich, dass es bereits jener Hof an der Pirschstraße ist, den seine Eltern 1849 von Tönjes Hinrich Wübbenhorst kaufen (heute: Karin Spreen). Wobei es sich dabei genau genommen bis 1845 lediglich um ein Heuerhaus handelt, dem unmittelbar vor dem Verkauf einige Hektar Land hinzugefügt werden. Sollten Johann Hinrich und Metje Margarete Lüning das Haus bereits unmittelbar nach oder sogar schon vor ihrer im November 1841 gefeierten Hochzeit gemietet haben, arbeiten sie damals mit ziemlicher Sicherheit als Heuerleute für einen der umliegenden Bauern.
Wie auch immer: Spätestens ab 1849 ist Bernhard an der Pirschstraße zu Hause, von wo aus er mit den anderen Hurreler Kindern die gemeinsam mit dem Nachbardorf betriebene Volksschule in Lintel besucht. Dort gehören unter anderem Ernst Haverkamp, Johann Pieper, Johann Hinrich Stolle, Johann Tönjes und Hermann Heinrich Wübbenhorst zu seinen in etwa gleichaltrigen Klassenkameraden.
Auf die spätere Übernahme des elterlichen Hofes darf sich Bernhard mit Blick auf die in der Gemeinde Hude gängigen Regeln nur wenig Hoffnung machen – gemäß Jüngstenrecht muss er in dieser Frage seinem 1847 geborenen Bruder Diedrich den Vortritt lassen. Warum es anders kommt, liegt heute im Dunkeln. Vielleicht hat Bernhard den besseren Draht zum Vater, vielleicht ist Johann Hinrich Lüning vor seinem Tod im Februar 1862 auch schon längere Zeit krank und regelt sein Erbe deshalb frühzeitig zu Gunsten des älteren Sohnes. Fünfeinhalb Jahre später stirbt auch Mutter Metje Margarete im Alter von 53 Jahren. Diedrich verschlägt es daraufhin als Heuermann in die Wesermarsch, wo er 1873 Anna Gesine Friederike Schwetmann aus Pfahlhausen heiratet. Nach dem frühen Tod der Ehefrau (April 1875) und der gemeinsamen Tochter Anna Louise Friederike (März 1876) lebt er mit Sohn Hinrich Bernhard Friedrich in der Nähe von Oldenburg und geht dort 1877 und 1880 noch zwei weitere Ehen ein.
Bernhard wiederum heiratet am 16. Juni 1874 Hermine Bierfischer aus Tweelbäke. Der im März 1875 geborene Sohn Johann Diedrich stirbt 1876 wenige Tage vor seinem ersten Geburtstag – mutmaßlich an Tuberkulose, worauf der Vermerk „Brustkrankheit“ im Huder Kirchenbuch hindeutet. Derselbe Eintrag findet sich elf Jahre später beim vierten, im Mai 1886 geborenen Sohn Hermann Bernhard. Ein am 18. Mai 1890 zur Welt gekommenes Mädchen stirbt noch am selben Tag und bleibt deshalb namenlos. Die an zweiter und dritter Stelle geborenen Kinder Hinrich (Januar 1877) und Mathilde (Juli 1880) überstehen hingegen das Säuglings- und Kleinkindalter und wachsen in den folgenden Jahren zusammen auf dem Lüning-Hof auf.
Ähnlich wie eine Generation zuvor erscheint zu Beginn der 1890er Jahre die Rollenverteilung unter Bernhards und Hermines verbliebenen Kindern klar: Hinrich soll eines Tages den Hof weiterführen, während Mathilde im besten Fall die Möglichkeit hat, auf irgendeinem anderen Hof einzuheiraten. Doch wieder kommt es anders: Hinrich stirbt im Juni 1895, fünf Monate nach seinem 18. Geburtstag, ohne dass das Kirchenbuch eine Todesursache nennt. Dadurch wird Mathilde zur Alleinerbin.
Nach der Jahrhundertwende erlebt Bernhard noch Mathildes Hochzeit mit Friedrich Spreen im September 1904 und die Geburt der Enkelkinder Martha (Januar 1905) und Bernhard Heinrich (Oktober 1906). Dann – am 26. November 1908 – stirbt auch er. Beerdigt ist Bernhard sechs Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.