Bernhard Heinrich Schwarting – Biographie

Bernhard Heinrich Schwarting wird am 2. August 1859 als erstes Kind von Gerhard Hinrich Schwarting und Anna Sophia Schwarting auf dem elterlichen Hof in Brandewurth bei Ganderkesee (heute: Hans-Gerd Rodiek) geboren. Er ist der ältere Bruder von Johanne Mathilde Bernhardine Lankenau, Anna Sophie Wilhelmine Schwarting, Gerhard Heinrich Schwarting und Bernhard Friedrich Georg Schwarting.

In den Wochen vor Bernhards Geburt schaukelt sich auf den San-Juan-Inseln bei Vancouver ein als Schweine-Konflikt in die Geschichtsbücher eingegangener Streit zwischen zwei Siedlern derart hoch, dass daraus ein handfester Krieg zu entstehen droht. Die Inseln liegen im Niemandsland zwischen den USA und der damals zu Großbritannien gehörenden Provinz Kanada – ihre Zugehörigkeit wurde im 1846 zwischen beiden Staaten geschlossenen Oregon-Kompromiss nicht exakt geklärt. Das hat dazu geführt, dass sich dort neben vor allem Schafzucht betreibenden Mitarbeitern der kanadischen Hudson’s Bay Company auch einige US-Farmer niedergelassen haben. Anfangs weitgehend konfliktfrei, was sich jedoch am 15. Juni 1859 schlagartig ändert. Am Morgen jenes Tages nämlich erschießt der Amerikaner Lyman Cutlar einen zum wiederholten Male in seinen Gemüsegarten eingedrungenen Zuchteber des aus Irland stammenden Kanadiers Charles Griffin.

Nach der Tat kommt es zunächst zu einem Wortgefecht: Griffin beruft sich darauf, dass das gesamte Gebiet der Hudson’s Bay Company gehöre. Er dürfe seine Tiere folglich überall frei herumlaufen und fressen lassen, was Cutlar energisch bestreitet. Die Entschädigung in Höhe von zehn US-Dollar, die er Griffin anbietet, lehnt dieser brüsk ab – der geschossene Eber sei aufgrund besonderer Zuchteigenschaften mindestens 100 Dollar wert. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, alarmiert Griffin die britischen Behörden. Die wiederum drohen, Cutlar in Haft zu nehmen und alle Amerikaner als unbefugte Eindringlinge auszuweisen. Cutlar und seine Nachbarn rufen daraufhin die im benachbarten Oregon stationierte US-Armee zu Hilfe, die Ende Juli 1859 ein Bataillon Soldaten auf die Inseln abkommandiert. Die Antwort des britischen Gouverneurs James Douglas: Er fordert drei Kriegsschiffe der Royal Navy mit zusammen mehr als 2.000 Mann Besatzung an, die einige Tage darauf Aufstellung vor den San-Juan-Inseln nehmen.

Im Laufe des August spitzt sich die Lage weiter zu. Immer mehr Amerikaner landen an und verbarrikadieren sich auf dem südlichen Teil der Hauptinsel. Beide Seiten erhalten von ihren örtlichen Kommandanten den Befehl, auf keinen Fall anzugreifen, versuchen aber ihrerseits den Gegner durch Provokationen und Beleidigungen zum Abfeuern des ersten Schusses zu bewegen. Das gegenseitige Belauern hält solange an, bis US-Präsident James Buchanan – er erfährt angeblich erst aus der Zeitung von dem Vorfall – seinen Oberbefehlshaber Winfield Scott zu Verhandlungen in die Krisenregion schickt. Scott einigt sich mit Gouverneur Douglas darauf, den Großteil der Soldaten abzuziehen und den ungeklärten Status der Inselgruppe zunächst beizubehalten. Erst im Oktober 1872 schlägt eine internationale, vom deutschen Kaiser Wilhelm I. geleitete Schiedskommission in Genf sie komplett den USA zu.

Dass es bis zur endgültigen Lösung 13 lange Jahre dauert, hat unter anderem mit dem Amerikanischen Bürgerkrieg zu tun, der zwischen 1861 und 1865 mutmaßlich mehr als 750.000 Menschen das Leben kostet. Nicht ganz so blutig, aber kaum weniger dramatisch geht es in jenen Jahren in Mitteleuropa zu: Bevor sich Wilhelm Anfang 1871 im Spiegelsaal von Versailles zum Kaiser krönen und das Deutsche Reich ausrufen lassen kann, muss er als preußischer König mit dem Deutsch-Dänischen Krieg (1864), dem Preußisch-Österreichischen Krieg (1866) und dem Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) drei Waffengänge siegreich überstehen.

Spannende Zeiten also, in denen Bernhard in Brandewurth aufwächst. Seine Familie, deren Wurzeln in der Gemeinde Ganderkesee sich bis ins Jahr 1308 zurückverfolgen lassen, bewirtschaftet dort seit 1744 durch Einheirat seines Ur-Urgroßvaters Gerd Heinrich Schwarting einen der größten Höfe der Umgebung. Da in Ganderkesee das Jüngstenrecht gilt, dürfte aber relativ früh feststehen, dass auf diesem Hof später nicht Bernhard Regie führen wird, sondern einer seiner beiden Brüder. Der jüngere von ihnen kommt am 22. Januar 1871 zur Welt – vier Tage nach der Kaiserkrönung von Versailles.

Sehr wahrscheinlich ab Frühjahr 1866 besucht Bernhard die Volksschule im nahegelegenen Grüppenbühren. Sie ist auch für den Nachbarort Hollen zuständig, aus dem Bernhards künftige, fast gleichaltrige Ehefrau Anna Scharf stammt. Bernhard und Anna, die am 27. April 1883 in Ganderkesee heiraten, kennen sich also von Kindesbeinen an. Wann und bei welcher Gelegenheit beide sich näherkommen und beschließen, künftig gemeinsam durchs Leben zu gehen, ist freilich nicht überliefert.

Nach der Hochzeit verlässt das junge Paar seine Heimatgemeinde und siedelt auf den Hof von Bernhards Onkel Bernhard Friedrich Schwarting in Lintel über. Letzterer ist in diesen 1528 erstmals erwähnten, heute von Georg Hollmann bewirtschafteten Hof 1857 eingeheiratet. Welche Funktion Bernhard dort zunächst ausübt, lässt sich rund 140 Jahre später nicht mehr zweifelsfrei rekonstruieren. Als rechtmäßiger Erbe jedenfalls kann er nicht vorgesehen sein: Aus der Ehe seines Onkels mit Anna Gesine Schröder sind schließlich zwischen 1858 und 1877 acht Kinder hervorgegangen, von denen fünf das Erwachsenenalter erreichen. Trotzdem nennt die Linteler Chronik von Walter Janßen-Holldiek ab 1890 Bernhard als Eigentümer des Hofes. Sein Onkel stirbt 1898 in Oldenburg – möglicherweise im Haushalt des 1872 geborenen Sohnes Bernhard Friedrich Junior, der sich in der Residenzstadt als langjähriger Gemeindevorsteher von Eversten (1901 bis 1914) und erster Direktor der 1903 gegründeten Raiffeisenbank Oldenburg einen Namen macht.

Unter welchen Umständen auch immer der Eigentümerwechsel zwischen 1883 und 1890 über die Bühne geht: In Lintel wird Bernhard durch die Geburt von Sophie (Dezember 1883), Diedrich (Januar 1887), Heinrich (September 1888) und Friedrich (Mai 1890) insgesamt viermal Vater. Während Annas fünfter Schwangerschaft entscheidet Bernhard sich 1896 noch einmal zu einem Neuanfang: Er verkauft den Linteler Hof an Heinrich Hollmann und kauft dafür in Hurrel von den Erben des Australien-Rückkehrers Johann Berend Voigt eine am Hesterort gelegene Hofstelle mit dazugehörigem Heideland (heute: Heiko und Anieka Schwarting). Dort kommt am 25. Mai 1896 – wenige Wochen nach dem Umzug – die jüngste Tochter Johanne zur Welt.

Der neue Besitz umfasst zwar eine Fläche von 36 Hektar, ist aber noch zum größten Teil unkultiviert. In mühevoller Kleinarbeit machen sich Bernhard und Anna in den folgenden Jahren daran, die Wildnis Hektar für Hektar in Weide- und Ackerland umzuwandeln. Zudem verlängern sie das beim Kauf 22 Meter lange Wirtschaftsgebäude 1911 noch einmal um 11 Meter und schaffen so Platz für zusätzliche Tiere. Zu diesem Zeitpunkt steht bereits fest, dass entgegen des auch in Hurrel geltenden Jüngstenrechts der älteste Sohn Diedrich den Hof weiterführen soll. Die beiden anderen Söhne haben daraufhin die Lehrer-Laufbahn eingeschlagen: Heinrich unterrichtet seit 1910 in Achternmeer, Friedrich steht am Lehrerseminar in Oldenburg kurz vor dem Abschluss seiner Ausbildung. Die älteste Tochter Sophie wiederum lebt seit 1906 auf dem Hof ihres Ehemannes Hermann Grummer in Altmoorhausen (heute: Henning Struthoff).

Der einen Tag vor Bernhards 55. Geburtstag beginnende Erste Weltkrieg wirbelt ab 1914 auch das Leben auf dem Schwarting-Hof durcheinander. Alle drei Söhne werden zur kaiserlichen Armee eingezogen, kehren 1918 aber trotz zwischenzeitlich erlittener Verwundungen wohlbehalten und im Falle von Heinrich hochdekoriert in die Heimat zurück. In den Gründungsjahren der auf den Trümmern des Kaiserreichs entstandenen Weimarer Republik erlebt Bernhard noch Diedrichs Hochzeit mit Annchen Hollmann (Oktober 1920) und Johannes Hochzeit mit Georg Dählmann (August 1921) mit, erkrankt dann aber schwer. Er stirbt am 5. April 1922 im Alter von nur 62 Jahren und wird fünf Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.