Artur Braun – Biographie

Artur Braun wird am 9. Februar 1919 als viertes Kind von Reinhard Braun und Emma Braun in Marsow in Hinterpommern geboren. Er ist der jüngere Bruder von Hildegard Lemm, Erna Graffunder und Willi Braun und der ältere Bruder von Kurt Braun, Elfriede Braun und Helmut Braun.

Drei Wochen vor Arturs Geburt finden in der nach dem Ende des Ersten Weltkrieg und der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. ausgerufenen Weimarer Republik reichsweit Parlamentswahlen statt. Eine Premiere in gleich mehrerer Hinsicht: Zum ersten Mal steht danach an der Spitze des deutschen Staates nicht mehr ein Monarch von Gottes Gnaden, sondern ein gewählter Präsident. Erstmals kommt das Verhältniswahlrecht zur Anwendung, und zum ersten Mal dürfen auch Frauen und Soldaten mitwählen. Das Wahlalter ist gegenüber der vorangegangenen Reichstagswahl von 1912 von 25 auf 20 Jahre herabgesetzt worden. Insgesamt erhöht sich durch die genannten Veränderungen die Zahl der Wahlberechtigten von 14,4 auf 36,8 Millionen.

Die Wahl soll ein Provisorium beenden: Nach der Ausrufung der Republik am 9. November 1918 hatte ein aus zunächst sechs Personen bestehender Rat der Volksbeauftragten die Regierungsverantwortung übernommen und den Waffenstillstand von Compiègne unterzeichnet. Danach tobt ein monatelanger Machtkampf um die künftige Regierungsform, der am 5. Januar mit Beginn des Spartakusaufstandes in Berlin einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Zwar wird dieser innerhalb einer Woche niedergeschlagen, doch die seit Ende 1918 in der KPD organisierten Verfechter einer Räterepublik nach sowjetischem Vorbild halten auch nach der Ermordung der Parteiführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 15. Januar an ihren Umsturzplänen fest. Am Urnengang vier Tage später beteiligen sie sich nicht.

Auf die bis dato provisorisch regierenden Mehrheits-Sozialdemokraten entfallen 37,9 Prozent der abgegebenen Stimmen. Als Koalitionspartner bietet sich ein Bürger-Block aus DDP und Zentrum an. Statt im unruhigen Berlin tritt das neu gewählte Parlament am 6. Februar 1919 in Weimar zusammen und wählt dort am 11. Februar den Sozialdemokraten Friedrich Ebert zum ersten Reichspräsidenten. Der politische Alltag beginnt, auch wenn es angesichts der noch immer landesweit anhaltenden Kämpfe zwischen KPD-Anhängern auf der einen sowie Freikorps und Truppen der vorläufigen Reichswehr auf der anderen Seite noch weitere drei Monate dauert, ehe halbwegs Normalität eintritt.

In Arturs Heimat dürfte von diesen Unruhen nur wenig zu spüren sein. Vater Reinhard hat den Ersten Weltkrieg als aktiver Soldat überlebt und bleibt mit seiner Familie auch von den Folgen verschont, die der dem Waffenstillstand folgende Friedensvertrag von Versailles nur 100 Kilometer weiter östlich mit sich bringt: Im Juli 1920 muss Deutschland weite Teile Westpreußens und auch einen kleinen Zipfel pommerschen Gebiets an die neu entstandene Zweite Polnische Republik abtreten. Für die knapp 400, fast ausschließlich evangelischen und überwiegend in der Landwirtschaft beschäftigten Einwohner Marsows geht also bald wieder alles seinen gewohnten Gang.

Der von Arturs Eltern geführte Bauernhof umfasst rund 30 Hektar und gehört damit zu den größten Betrieben im Ort. Er liegt direkt gegenüber der Dorfschule, die Artur acht Jahre lang besucht. Obwohl er nach dem in Marsow geltenden Ältestenrecht nicht der Hoferbe ist, interessiert er sich von klein auf stark für die Landwirtschaft und geht nach dem Schulabschluss zu einem Bauern im Nachbardorf Pustamin in die Lehre. Anschließend arbeitet er wie auch sein älterer Bruder Willi auf dem elterlichen Hof, bis beide zum Reichsarbeitsdienst nach Lauenburg einberufen werden.

Nach dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 wird aus dem Arbeits- ein Kriegsdienst, der Willi schon bald das Leben kostet und Artur zur Marineartillerie nach Schleswig-Holstein führt. Dort nehmen ihn bei Kriegsende englische Truppen gefangen. Ohne Nachricht von seiner Familie bleibt er bis Sommer 1945 in Haft und bekommt als weiteren Aufenthaltsort Oldenburg zugewiesen. Von dort aus gelangt er schließlich auf den Hof von Diedrich Lüers in Hemmelsberg. Über den neugegründeten Suchdienst des Roten Kreuzes erfährt Artur, dass sein Vater und einige seiner Geschwister 300 Kilometer westlich von Marsow in Stoltenhagen eine Bleibe gefunden haben. Ende des Jahres macht er in der Nähe von Bremerhaven dann auch seinen jüngsten Bruder Helmut ausfindig.

Der Krieg ist zwar zu Ende, doch im Landkreis Oldenburg bleiben die Zeiten noch einige Jahre lang hart – wie überall anders in Deutschland auch. Tanzabende, wie sie der Altmoorhauser Gastwirt Anton Budde bald regelmäßig veranstaltet, bieten da eine willkommene Abwechslung. An einem dieser Abende lernt Artur Wilma Lange kennen, die er schließlich am 28. November 1947 heiratet.

Der Heirat folgt der Umzug nach Hurrel, denn als jüngere von zwei Töchtern ohne Bruder wird Wilma einmal den Hof ihres Vaters Georg Lange (heute: Helmut und Linda Braun) erben. Dort fühlt sich Artur auf Anhieb am rechten Platz und hilft mit seinem nach der Hochzeit nicht mehr nach Stoltenhagen zurückgekehrten Vater Reinhard nach Kräften, den damals knapp 15 Hektar großen Hof besseren Zeiten entgegenzuführen. Am 23. Mai 1948 – vier Wochen vor der Währungsreform und auf den Tag genau ein Jahr vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland – kommt Sohn Egon zur Welt, der zweite, nach Arturs jüngstem Bruder Helmut benannte Sohn folgt am 6. Dezember 1950.

Ins Hurreler Dorfleben integriert sich Artur rasch: So tritt er unter anderem dem 1950 wieder zum Leben erweckten Schützenverein bei und ist 1954 Adjutant des in jenem Jahr zum König gekürten Hinrich Wieting. Drei Jahre später bauen Artur und Georg dann ein neues Wohnhaus, das für die nach Helmuts Geburt auf sieben Personen angewachsene Familie mehr Platz schafft.

Zum 65. Geburtstag seines Schwiegervaters im August 1960 übernimmt Artur offiziell den Hof und vergrößert ihn: Die Zahl der gehaltenen Kühe, Hühner und vor allem Schweine steigt stetig, was 1969 den Bau eines ersten und 1972 eines zweiten Schweinestalls erforderlich macht. Auch etwas Land kauft Artur hinzu, so dass der Hof bis zu Georgs Tod im Juli 1973 auf eine Größe von 17 Hektar wächst. Neben der Arbeit bleibt ihm aber auch Zeit zum Reisen: So besucht er regelmäßig seine Geschwister in Bremen, Köln und Bodenwerder. Der Kontakt zu seinen beiden älteren Schwestern und deren Familien in Stoltenhagen, die er bis zum Mauerbau 1961 noch ein paar Mal besucht hat, bleibt jedoch schwierig: Als DDR-Volkspolizist sind Hildegard Lemms Schwiegersohn Rudi Beth jegliche Westkontakte strikt untersagt.

Den weiteren Ausbau des Hofes bremsen zunächst gesundheitliche Probleme: So erleidet Artur bereits 1974 seinen ersten Schlaganfall. Davon erholt er sich zwar rasch, kämpft aber seither außer mit einem schon länger bestehenden Nierenleiden auch mit hohem Blutdruck und regelmäßigen Kopfschmerzen, als deren Ursache sich schließlich mehrere Aneurysmen herausstellen. Als im April 1990 eines davon platzt, kommt er ins Evangelische Krankenhaus nach Oldenburg, wo er kurz nach der Einlieferung einen zweiten Schlaganfall erleidet und schließlich am 23. April stirbt. Beerdigt ist er vier Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.