Anna Wilhelmine Gramberg – Biographie

Anna Wilhelmine Gramberg wird am 12. März 1899 als erstes oder zweites Kind von Adolf Achtermann und Katharina Achtermann in Eversten geboren. Sie ist die Zwillingsschwester von August Achtermann. Darüber hinaus hat sie mit Johanne Siebert, Adolf Heinrich Achtermann, Diedrich August Achtermann, Helena Auguste Achtermann, Martha Auguste Achtermann, Heinrich Diedrich Achtermann und Alwine Jacobsen noch sieben zwischen 1900 und 1914 geborene jüngere Geschwister.

Am 18. März 1899 – jenem Tag, an dem Annas Vater die Geburt seiner Tochter und ihres Zwillingsbruders auf dem Everstener Standesamt anzeigt – erscheint in Berlin die erste Ausgabe der von August Scherl herausgegebenen IllustriertenDie Woche“. Damit nimmt der seit Monaten tobende „Zeitungs-Krieg“ zwischen Scherl und dessen wichtigstem Konkurrenten Leopold Ullstein noch einmal an Schärfe zu. „Die Woche“ soll dem seit 1894 im Ullstein Verlag erscheinenden Wochenmagazin „Berliner Illustrirte Zeitung“ Leser abjagen und setzt folgerichtig ebenfalls sehr stark auf die Wirkung von Bildern beziehungsweise aktuellen Pressefotos.

Wichtigster Schauplatz des Konkurrenzkampfes bleibt allerdings der Tageszeitungs-Markt. Dort hat Ullstein im September 1898 die „Berliner Morgenpost“ etabliert, die schnell an Auflage gewinnt und schon im April 1899 die Schwelle von 100.000 Abonnenten überschreitet. Sehr zum Leidwesen von Scherl, dessen „Berliner Lokal-Anzeiger“ entsprechend Auflage verliert. Den umwerfenden Erfolg verdankt Ullstein unter anderem seiner Preispolitik: Er bietet für die „Morgenpost“ Wochen-Abonnements inklusive Zustellung für 10 Pfennig an, während die meisten anderen örtlichen Tageszeitungen mindestens 5 Pfennig pro Ausgabe kosten.

Ein ruinöses und zudem teuer beworbenes Angebot, das kaum ewig aufrechterhalten werden kann. Das weiß neben Ullstein natürlich auch Scherl. Er rührt deshalb ebenfalls ordentlich die Werbetrommel für den „Lokalanzeiger“ – in der Hoffnung, die Kosten des Gegners noch weiter in die Höhe zu treiben und ihn so zu einer Preiserhöhung zu zwingen. Auf dem Höhepunkt dieser von der Bevölkerung mit Spannung verfolgten Kraftprobe, in der beide Seiten ihre jeweilige Auflagenhöhe regelmäßig auf Litfaßsäulen plakatieren, stirbt im Dezember 1899 Leopold Ullstein. Mit Ullsteins Söhnen einigt sich Scherl schließlich im Frühjahr 1890 auf eine Beteiligung an der „Morgenpost“. Unmittelbar darauf steigt der Abo-Preis auf 15 Pfennig pro Woche.

Verglichen mit der zu Beginn des 20. Jahrhunderts rund 1,9 Millionen Einwohner zählenden Reichshauptstadt Berlin geht es auf dem Oldenburger Zeitungsmarkt natürlich deutlich beschaulicher zu. Eine fast schon monopolartige Stellung nehmen die seit 1867 erscheinenden „Nachrichten für Stadt und Land“ ein, die mit einiger Sicherheit auch in Annas Elternhaus in Eversten gelesen werden. Vater Adolf arbeitet in dem damals noch selbstständigen Vorort als Schuhmachermeister, der genaue Standort seiner Werkstatt ist heute in der Familie allerdings nicht mehr bekannt.

Vier ihrer acht Geschwister lernt Anna nur für kurze Zeit kennen: Adolf Heinrich, Diedrich August und dessen Zwillingsschwester Helena Auguste sterben 1903 beziehungsweise 1911 noch im Säuglingsalter, von Martha Auguste heißt es im Februar 1920 im Alter von neun Jahren Abschied nehmen. Ob Anna zu diesem Zeitpunkt noch im elterlichen Haushalt lebt oder – 15 Monate nach Ende des Ersten Weltkriegs – irgendwo anders eine Stellung als Magd oder Hausmädchen angenommen hat, liegt heute ebenfalls im Dunkeln. In jedem Fall wird sie nur zehn Monate später zum ersten Mal Mutter: Am 2. Dezember 1920 erblickt Tochter Käte das Licht der Welt.

Zur Hochzeit mit Kätes Vater kommt es nicht. Sollte Anna zwischenzeitlich woanders gewohnt haben, zieht sie in den wirtschaftlich äußerst schwierigen Zeiten nach der Niederkunft vermutlich erst einmal zu ihren Eltern zurück. Und lernt über deren Umfeld den gleichaltrigen Schuster Johann Gramberg aus Hurrel kennen, den sie am 11. Dezember 1925 heiratet. Zu diesem Zeitpunkt ist Anna bereits wieder schwanger – mit Sohn Günther, der am 26. April 1926 geboren wird.

Während Käte bei ihren Großeltern in Eversten bleibt, zieht Anna zu Johann nach Hurrel. Dort bewirtschaften Johanns Eltern am Hasenlager einen rund 18 Hektar großen Hof, den später einmal Johanns jüngerer Bruder Diedrich weiterführen soll. Als Ausgleich hat Johann ein nahegelegenes Stück Land überschrieben bekommen, auf dem er 1926 mit dem Bau eines Wohnhauses beginnt. Dort richtet er nach dem Einzug eine eigene Werkstatt ein und arbeitet weiter als Schuhmacher. Anna hält ihm dafür den Rücken frei und kümmert sich um Günther und den im Januar 1931 hinzukommenden zweiten Sohn Helmut.

Wenige Monate nach Helmuts Geburt schlägt die Ende 1929 in den USA begonnene Weltwirtschaftskrise voll auf Deutschland durch. Eine direkte Folge ist der rasante Aufstieg der NSDAP, die in den Landtagswahlen des Jahres 1931 teils erdrutschartige Erfolge feiert: 26,9 Prozent in Schaumburg-Lippe (3. Mai), 37,2 Prozent im Freistaat Oldenburg (17. Mai), 26,3 Prozent in Hamburg (27. September) und 37,1 Prozent in Hessen (15. November). Kräftiger Rückenwind kommt von den Zeitungen des Medien-Unternehmers Alfred Hugenberg, zu dessen Imperium seit 1916 auch der Berliner Scherl-Verlag gehört. Hugenberg ist zwar Vorsitzender der DNVP, sympathisiert jedoch offen mit den Nationalsozialisten. Nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler im Januar 1933 tritt er als Minister für Wirtschaft, Landwirtschaft und Ernährung in dessen Kabinett ein.

Wie von Hitler und Hugenberg immer wieder gebetsmühlenartig versprochen, bessert sich die wirtschaftliche Lage im NS-Staat zunächst tatsächlich. Ein Zurück aus der Diktatur gibt es jedoch spätestens mit Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes im März 1933 nicht mehr. Dem von Anfang an menschenverachtenden Terror nach innen folgen zunehmende außenpolitische Provokationen, die im September 1939 direkt in den Zweiten Weltkrieg münden. Ein Krieg, der aus deutscher Sicht spätestens ab Anfang 1943 immer aussichtsloser wird und neben Millionen anderen auch Annas jüngsten Bruder das Leben kostet: Heinrich Diedrich Achtermann stirbt am 3. Februar 1944 in einem Reserve-Lazarett in Rotenburg (Wümme). Annas Sohn Günther wird 1944 ebenfalls noch einberufen, kehrt aber nach der Kapitulation der Wehrmacht im Mai 1945 unversehrt zurück.

Kaum lässt die Not der ersten Nachkriegsjahre etwas nach, schlägt das Schicksal in Annas Familie ein weiteres Mal zu. Ehemann Johann erliegt im März 1948 einem zu spät behandelten Darmverschluss. Finanziell sind dadurch für Anna weitere schwierige Jahre programmiert. Immerhin, über eines muss sie sich keine Sorgen machen: Beide Söhne durchlaufen eine für die Wirren der damaligen Zeit sehr gute Ausbildung im Kfz-Handwerk und finden in diesem Bereich mühelos Beschäftigung. Während Günther nach seiner Hochzeit mit Hertha Imholze nicht weit entfernt an der Bremer Straße wohnt, bleibt Helmut mit Ehefrau Christa zunächst im Elternhaus. Dort wird im März 1953 deren Tochter Gudrun geboren – nach Kätes und Günthers Kindern bereits Annas sechstes Enkelkind.

Nach dem Auszug von Helmut, Christa und Gudrun 1955 bleibt Anna zunächst am Hasenlager wohnen, ein Teil des Hauses ist in dieser Zeit an das Ehepaar Günter und Elfriede Rossmann vermietet. Die 60er Jahre beginnen für Anna mit dem Tod ihres fast 90-jährigen Vaters (September 1961) und der Geburt des siebten Enkelkindes Hans-Günther (Januar 1963). Mit ihren beiden noch in Oldenburg lebenden Schwestern Alwine und Johanne hat Anna weiter regelmäßig Kontakt, ebenso mit Anna Hobbie im Hurreler Sand, einer Kusine ihres verstorbenen Ehemannes. Auch Helmuts Familie in Bookholzberg besucht Anna oft mit dem Fahrrad. Enkeltochter Gudrun wiederum erinnert sich gut und gerne daran, als Kind viel Zeit bei ihr in Hurrel verbracht zu haben und dort stets sehr liebevoll umsorgt worden zu sein. Die am Bäckerwagen von Otto Mehrings gekauften Süßigkeiten sind ein Teil dieser Erinnerung, Annas mit viel Hingabe gepflegter Blumengarten ein anderer.

Am 1. März 1964 gründet Annas Sohn Günther in Sandersfeld einen Reparaturbetrieb für Landmaschinen und PKW, in den im Juli 1966 auch der zweite Sohn Helmut einsteigt. Kurz darauf zieht Anna in das zum Betriebsgelände gehörende, 1961 von Günther und Ehefrau Hertha gekaufte Wohnhaus. Annas Haus am Hasenlager wird daraufhin 1965 an Heino Mahlstedt verkauft.

Auch über ihren 75. Geburtstag hinaus bleibt Anna mobil – bis sie im Januar 1976 bei Glatteis unglücklich stürzt und mit einem Oberschenkelhalsbruch ins Klinikum Delmenhorst kommt. Dort stirbt sie am 4. Februar 1976 an einer Lungenentzündung. Beerdigt ist Anna drei Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.