Anna Sophie Barkemeyer wird am 21. September 1841 als drittes Kind von Gerd Barkemeyer und Anna Margarete Barkemeyer auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heutige Eigentümerin: Irmgard Wachtendorf) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Hermann Barkemeyer und Johann Gerhard Barkemeyer und die ältere Schwester von Meta Margarete Schmerdtmann, Catharine Barkemeyer und Diedrich Barkemeyer.
Zwei Tage vor Anna Sophies Geburt geht in der französischen Stadt Tulle einer der spektakulärsten Strafprozesse des 19. Jahrhunderts zu Ende: Die mit dem Fall befassten Richter sehen es als erwiesen an, dass die angeklagte 24-jährige Witwe Marie Lafarge im Januar 1840 ihren Mann Charles Lafarge mit Arsen vergiftet hat.
Bis zu diesem Urteil ist es ein weiter Weg – obwohl die Beweislage zunächst eindeutig scheint. Denn es gibt Zeugen dafür, dass Lafarge ihrem bereits deutlich geschwächten Mann auf dem Krankenbett aus einer Malachit-Dose mehrfach ein von ihr als Orangenblütenzucker bezeichnetes weißes Pulver verabreicht. In der später sichergestellten Dose finden sich Spuren von Arsen, dessen Besitz Lafarge nicht abstreiten kann. Ihr Hinweis, das in einer Apotheke gekaufte Gift an den Hausgärtner zur Bekämpfung einer Rattenplage weitergegeben zu haben, erweist sich schon bald als Lüge: Die vom Gärtner ausgelegten Köder enthalten lediglich Natron.
Trotz der erdrückenden Indizien bestreitet Lafarge vehement ihre Schuld. Zudem haben ihre wohlhabenden Pflegeeltern mit Alphonse Paillet einen zu jener Zeit in Frankreich sehr prominenten Strafverteidiger engagiert, der selbst von der Unschuld seiner Mandantin überzeugt ist. Dadurch zieht er schnell Teile des Publikums und auch der Presse auf seine Seite. Das hauptsächliche Problem ist jedoch ein anderes: Die Ärzte, die bei der Autopsie von Charles Lafarge dessen Vergiftung nachweisen sollen, arbeiten mit veralteten Methoden und geben anschließend den Leichnam zur Bestattung frei. Ihre Aussage, dass sich im Körper des Toten kein Arsen habe nachweisen lassen, droht die Anklage in sich zusammenbrechen zu lassen.
Die Wende bringt ausgerechnet der ganz am Anfang des Prozesses gestellte Antrag von Verteidiger Paillet, den ihm durch einen anderen Fall persönlich bekannten Toxikologen Mathieu Orfila hinzuzuziehen. Der Antrag wird zwar zunächst abgelehnt. Doch als sich neben den ursprünglich beauftragen Ärzten auch zwei später zu Rate gezogene Apotheker und ein Chemiker außerstande sehen, zur Lösung des Falls beizutragen, greift das Gericht Paillets Vorschlag wieder auf.
Und siehe da, Orfila liefert – allerdings anders, als Lafarges Verteidiger sich das vorgestellt hatte: Mit Hilfe eines 1836 vom britischen Chemiker James Marsh entwickelten Verfahrens weist er zweifelsfrei nach, dass Charles Lafarge mit Arsen vergiftet wurde. Das am 19. September 1841 verkündete Urteil lautet deshalb auf lebenslange Zwangsarbeit. Später wird es vom französischen König Louis-Philippe I. abgemildert auf lebenslange Gefängnishaft. Es ist weltweit das erste Mal, dass ein Gericht einen Schuldspruch auf der Grundlage eines toxikologisch-chemischen Beweises fällt.
Ob das Urteil gegen Marie Lafarge auch im rund 1.200 Kilometer entfernten Hurrel ein Gesprächsthema ist, lässt sich knapp 180 Jahre später nicht mehr rekonstruieren. Immerhin kommen mit Arsen begangene Giftmorde zu jener Zeit recht häufig vor. Erst zehn Jahre zuvor war dafür im nahe gelegenen Bremen die Witwe Gesche Gottfried in einem nicht minder Aufsehen erregenden Prozess verurteilt und anschließend hingerichtet worden. Letztlich dürfte es jedoch andere, für die Dorfbewohner wichtigere Themen geben. Insbesondere für Anna Sophies Familie, die sich nur wenige Monate später mit dem erstmaligen Verlust eines Kindes konfrontiert sieht. Woran Anna Sophie letztlich am 12. März 1842 stirbt, darüber gibt das Kirchenbuch der Gemeinde Hude keine Auskunft. Vielleicht an Tuberkulose – jener Volkskrankheit, der in den Jahrzehnten davor und danach zahlreiche weitere Hurreler erliegen und die 1852 sehr wahrscheinlich auch die überführte Giftmörderin Marie Lafarge das Leben kostet. Beerdigt ist Anna Sophie am 17. März 1842 auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.