Anna Gesina Margaretha Hartmann wird am 12. November 1838 als erstes Kind von Hermann Hartmann und Gesche Margarete Hartmann auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Gerd und Ute Schwarting) geboren. Sie ist die ältere Schwester von Meta Elise Johanne Wieting, Hermann Hinrich Wilhelm Hartmann, Metta Catharina Hartmann und Anna Gesine Catherine Friederike Hartmann.
Am Tag von Anna Gesinas Geburt beginnt in Richmond im US-Staat Missouri eine erste Anhörung im Hochverrats-Prozess gegen Joseph Smith und weitere hochrangige Mormonen-Führer. Vorausgegangen sind bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern der 1830 von Smith gegründeten Religionsgemeinschaft und anderen Siedlern, die am 27. Oktober 1838 in der Missouri Executive Order 44 gipfelten. Auf Befehl von Gouverneur Lilburn Boggs sollen alle Mormonen unter der Androhung, beim geringsten Widerstand „ausgerottet“ zu werden, Missouri verlassen. Dass es sich dabei keineswegs um eine leere Drohung handelt, hatte am 30. Oktober der Angriff eines Miliztrupps auf Hawn’s Mill gezeigt, der insgesamt 17 Menschen – darunter zwei Kinder – das Leben kostete und bei dem viele weitere verletzt wurden. Auch Smith entging nach seiner Festnahme nur knapp einer sofortigen Erschießung ohne vorherige Gerichtsverhandlung.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Mormonen in Konflikt mit ihren Nachbarn geraten – was in erster Linie damit zu tun hat, dass ihre Zahl seit einigen Jahren sprunghaft wächst. Sammelte Smith anfangs nur wenige Anhänger um sich, sind es inzwischen Tausende. Sie alle folgen der im Buch Mormon verbreiteten Lehre, im 4. Jahrhundert nach Christi Geburt habe in Nordamerika ein Prophet und Heerführer namens Mormon gelebt. Dessen Sohn Moroni ist Smith eigenen Angaben zufolge mehrfach erschienen. Den dabei erteilten Auftrag, die in „reformiertem Ägyptisch“ geschriebenen Texte des Buches ins Englische zu übersetzen, will der Mormonen-Führer mit Hilfe zweier „Seher-Steine“ befolgt haben. Seither betrachtet er es als vorrangige Lebensaufgabe, mit seinen Anhängern ein „neues Zion“ zu errichten und dort die Wiederkunft Jesus Christi zu erwarten.
Eine Vision, die Nicht-Mormonen eher ängstigt. Zumindest dann, wenn sie sich in ihrer unmittelbaren Nähe erfüllen soll und für einen ungebremsten Zuzug immer neuer Anhänger der fremden Glaubensrichtung sorgt. Deshalb scheiterte Smith gleich an mehreren Orten mit dem Versuch, dauerhaft eine größere Stadt zu gründen. Bereits ab 1836 waren alle Mormonen in Missouri gehalten, sich lediglich in einem Bezirk – Caldwell County – anzusiedeln, was viele von ihnen aber mit Hinweis auf die allgemeine Niederlassungsfreiheit ablehnten. Die daraus entstehenden Konflikte eskalierten im Sommer 1838 und führten zu gegenseitigen Überfällen und Brandschatzungen, für die Smith nun vor Gericht steht. Noch bevor es zu einem Urteil kommt, kann er jedoch Anfang April 1839 unter nie restlos aufgeklärten Umständen aus dem Gefängnis fliehen.
Der größte Teil der aus Missouri vertriebenen Mormonen hat sich in der Zwischenzeit im Nachbarstaat Illinois niedergelassen. Smith folgt ihnen und kauft eine kleine Siedlung am Mississippi, die er in Nauvoo umbenennt und zur neuen Hauptstadt seiner Bewegung erklärt. Nur fünf Jahre später ist Nauvoo mit 12.000 Einwohnern bereits ähnlich groß wie Chicago, doch zur Ruhe kommen die Mormonen auch dort nicht. Nach Auseinandersetzungen um die von Smith propagierte Polygamie und weiteren Konflikten mit andersgläubigen Siedlern landet ihr Führer erneut im Gefängnis, wo er am 27. Juni 1844 von einer aufgebrachten Menschenmenge gelyncht wird. Nachfolger Brigham Young organisiert daraufhin den im Februar 1846 beginnenden Mormon Trail an den mehr als 2000 Kilometer westlich gelegenen, damals noch zu Mexiko gehörenden Großen Salzsee. An dessen Ufern entsteht im Juli 1847 die heutige Mormonen-Hochburg Salt Lake City.
Zwar gibt es Anfang der 1840er Jahre auch in Deutschland vereinzelte Bestrebungen, das Mormonentum zu etablieren. Sonderlich viel Zulauf erhalten die ersten, in Hamburg und im Großherzogtum Hessen etablierten Gemeinden allerdings nicht – wer sich zu dieser Religion hingezogen fühlt, wandert eher aus uns schließt sich ihr in den USA an. Somit dürfte die Bewegung in Hurrel und damit auch in Anna Gesinas Familie gänzlich unbekannt sein, Anna Gesina selbst bekommt davon ohnehin nichts mit: Sie stirbt bereits am 5. Juni 1840, ohne dass das Kirchenbuch der Gemeinde Hude eine Todesursache nennt, und wird fünf Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.