Adele Rohlfs – Biographie

Adele Rohlfs wird am 31. August 1909 als Adele Adelheid Timmering in Lesum geboren. Zum jetzigen Zeitpunkt (Stand September 2021) gibt es leider keine öffentlich einsehbaren Kirchenbuch- oder Standesamt-Einträge, die über Eltern und Geschwister Auskunft geben. Der anlässlich ihres Todes im April 1959 veröffentlichten Traueranzeige lässt sich jedoch entnehmen, dass sie mindestens einen Bruder oder eine Schwester hat.

Einen Tag nach Adeles Geburt empfängt die Königliche Sternwarte in Brüssel ein auf den Shetland-Inseln aufgegebenes Telegramm. Darin teilt der amerikanische Polarforscher Frederick Cook dem Direktor Georges Lecointe mit, dass er am 21. April 1908 den Nordpol erreicht habe und sich nun auf dem Rückweg nach Kopenhagen befinde. Die Nachricht sorgt weltweit für Aufsehen – scheint damit doch ein jahrelanges Wettrennen zwischen Cook, seinem schärfsten Konkurrenten Robert Edwin Peary und weiteren Polarforschern entschieden. Schon am 2. September 1909 veröffentlicht die „New York Tribune“ einen Exklusiv-Bericht, in dem Cook den historischen Moment seiner Reise im Detail schildert. Noch einmal vier Tage später meldet auch Peary von einer Telegrafenstation in Labrador das Erreichen des Pols. Er will dort mit seinen Begleitern am 6. April 1909 angekommen sein, also knapp ein Jahr nach Cook. Letzterer wird bei seiner Ankunft in New York am 21. September begeistert gefeiert: Ihm zu Ehren organisiert der „Arctic Club of America“ im Waldorf-Astoria-Hotel ein Gala-Dinner mit mehr als 1.000 Gästen.

Schon bald werden jedoch Zweifel laut, ob Cook den nördlichsten Punkt der Erde tatsächlich zu Gesicht bekommen hat. Stichhaltige Beweise für seine Behauptung kann er nicht vorlegen, und die Schilderungen seiner Begleiter sind sehr widersprüchlich. Insbesondere Peary bemüht sich, die Glaubwürdigkeit des Konkurrenten zu erschüttern – wobei ihm in die Karten spielt, dass just in jenen Monaten eine weitere mutmaßliche Pionier-Tat Cooks als Irrtum entlarvt wird: Statt in Alaska als erster Mensch den 6.190 Meter hohen Denali bestiegen zu haben, stand er 1906 lediglich auf einem kleinen, seither Fake Peak genannten Vorgipfel. Am Ende triumphiert Peary, dem US-Präsident William Howard Taft Anfang 1911 offiziell den Dank der Nation für das Erreichen des Nordpols ausspricht. Sehr wahrscheinlich zu Unrecht, denn auch Pearys Angaben erweisen sich bei näherer Betrachtung als wenig belastbar. Die zahlreichen Ungereimtheiten gehen jedoch durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs weitgehend unter, so dass Peary sich bis zu seinem Tod im Februar 1920 keinen kritischen Fragen mehr stellen muss.

Ob der Wettlauf zum Nordpol 1909 vor den Toren der Hansestadt Bremen ein Thema ist, liegt heute im Dunkeln – was leider auch für Adeles Kinder- und Jugendjahre in ihrem damals zu Preußen gehörenden Heimatort gilt. Angesichts von Weltkrieg, Kaiser-Sturz und der verheerenden Hyperinflation, die kurz vor Adeles Schulentlassung ihren Höhepunkt erreicht, sind es in jedem Fall bewegte Zeiten. Die sie irgendwann von Lesum nach Hiddigwarden verschlagen, denn dort arbeitet Adele vor ihrer am 4. Oktober 1932 in Hude geschlossenen Ehe mit Wilhelm Rohlfs gemäß Kirchenbuch-Eintrag als Hausangestellte. Die Ende 1918 ausgerufene Weimarer Republik ist da fast schon wieder Geschichte, abgelöst von der Diktatur des NS-Staats. Wie das junge Paar diese Zeit und den im September 1939 beginnenden Zweiten Weltkrieg erlebt? Auch darüber kann man mehr als 80 Jahre später ohne verlässliche Zeitzeugen-Berichte nur spekulieren.

Im Meldeverzeichnis der Gemeinde Hude amtlich festgehalten wiederum ist, dass Adele und Wilhelm im August 1945 – drei Monate nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht – von Delmenhorst nach Hurrel ziehen. Dort kommen sie zunächst in einer kleinen Oberwohnung auf dem Hof von Georg und Martha Hartmann unter (heute: Michael und Sara Westphal). Womit die in Delmenhorst möglicherweise ausgebombten Zuzügler in dieser schweren Zeit ihren Lebensunterhalt verdienen, lässt sich nur vermuten. Sehr wahrscheinlich helfen sie wie die meisten der im Dorf gestrandeten Ost-Flüchtlinge in der Landwirtschaft aus. Nach der im Juni 1948 vollzogenen Währungsreform arbeitet Wilhelm dann als Fahrer für den örtlichen Bäckerei- und Gaststättenpächter Otto Mehrings. In dessen Laden findet schließlich auch Adele Beschäftigung und hilft unter anderem jeden Morgen, den zunächst von einem geliehenen Pferd und später von Wilhelms Traktor gezogenen Bäckerwagen zu beladen.

Im Vorfeld ihrer Hochzeit mit Hinrich Kruse im Februar 1954 sucht Martha Wieting Mieter für ein ihr einige Jahre zuvor von ihrem Vater Gerhard überschriebenes Haus an der Hurreler Straße (heutige Eigentümerin: Inge Molde). Das bietet Adele und Wilhelm die Chance, die doch etwas beengten Wohnverhältnisse auf dem Hartmann-Hof hinter sich zu lassen: Nach dem Umzug arbeiten beide weiter für Otto Mehrings, in dessen Saal sie Im Oktober 1957 mit Nachbarn, Verwandten und Freunden auch ihre Silberhochzeit feiern. Ein besonderer Abend, dem allerdings schon bald eine niederschmetternde Diagnose folgt: Krebs. Die notwendig werdende Operation überlebt Adele nur kurz – sie stirbt am 15. April 1959, wenige Monate vor ihrem 50. Geburtstag. Beerdigt ist Adele fünf Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.