Adele Lückemeyer – Biographie

Adele Sophie Lückemeyer wird am 24. April 1920 als zweites Kind von Heinrich Sparke und Mathilde Sparke auf dem elterlichen Hof (heute: Gerold und Annegret Sparke) in Hurrel geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Adolf Sparke. Darüber hinaus hat sie mit Georg Hinrich Sparke noch einen älteren Halbbruder aus der ersten Ehe ihres Vaters mit Magdalene Heinemann.

Einen Tag vor Adeles Geburtstag beginnt in Antwerpen das Eishockey-Turnier der 7. Olympischen Spiele der Neuzeit. Zur Eröffnung trifft Gastgeber Belgien auf Schweden und verliert mit null zu acht Toren. Am 24. April findet dann das torreichste Spiel des Turniers statt – das US-Team fegt die Schweiz mit 29 zu null Toren vom Eis. Im Finale zwei Tage später besiegt Kanada Schweden mit zwölf zu eins. Parallel zum Eishockey finden drei Wettbewerbe im Eiskunstlauf statt. Im Einzel setzen sich mit Magda Julin bei den Damen und Gillis Grafström bei den Herren zwei schwedische Teilnehmer durch, die Goldmedaille im Paarlauf sichert sich das finnische Ehepaar Ludowika und Walter Jakobsson.

Es ist nach Stockholm 1912 das zweite und letzte Mal, dass Winter- und Sommersportler – wenn auch zeitlich versetzt – gemeinsam bei ein und derselben Olympiade an den Start gehen. Schon 1924 später wird es im französischen Ski-Ort Chamonix die ersten reinen Winterspiele geben. Das Außergewöhnlichste an den Wettkämpfen von Antwerpen ist allerdings, dass sie überhaupt stattfinden: Nach dem erst im November 1918 zu Ende gegangenen Ersten Weltkrieg liegt Belgiens Infrastruktur noch immer größtenteils in Trümmern. Hätte nicht Gustavus T. Kirby, Präsident des US-amerikanischen Olympischen Komitees, mit seinen Beziehungen die Versorgung der Athleten mit dem Nötigsten sichergestellt, die Spiele hätten wohl wie vier Jahre zuvor in Berlin abgesagt werden müssen.

Obwohl es mit mehr als 2.600 aktiven Sportlern einen neuen Teilnehmer-Rekord gibt, bleibt das Niveau in den meisten Wettbewerben hinter den Leistungen von Stockholm zurück. Viele Medaillengewinner von 1912, die wie der britische Sprinter Henry Macintosh oder der französische Langstreckenläufer Jean Bouin durchaus noch einmal für Furore hätten sorgen können, sind im Krieg gefallen. Andere wie der deutsche Gold-Schwimmer Walter Bathe sind von der Teilnahme ausgeschlossen. Sportler aus Österreich, Ungarn, Bulgarien und der Türkei – allesamt Kriegsverlierer wie Deutschland – gehen in Antwerpen ebenfalls nicht an den Start. Dass die am 12. September 1920 offiziell beendeten Spiele in der gerade erst gegründeten Weimarer Republik weder in den Medien noch in der Öffentlichkeit sonderlich Aufmerksamkeit hervorrufen, versteht sich da fast von selbst.

Auch in Hurrel sind die Wunden des Ersten Weltkriegs im Frühjahr 1920 noch längst nicht verheilt. Mit Adeles Vetter Heinrich Wefer, der 1901 nach dem Tod seiner Eltern als Zweijähriger Aufnahme auf dem Sparke-Hof gefunden hatte, gehört ein direktes Familienmitglied zu den Opfern: Heinrich erliegt zehn Tage nach dem Waffenstillstand von Compiègne in einem Tegeler Lazarett einer eitrigen Rippenfellentzündung. Damit ist er der letzte und gleichzeitig jüngste Hurreler Kriegstote. Adeles 1894 geborener Halbbruder Georg hingegen hat das Inferno unversehrt überstanden und arbeitet mittlerweile wieder im elterlichen Betrieb, der mit einer Fläche von knapp 50 Hektar zu den größten des Dorfes gehört.

Vermutlich ab Frühjahr 1926 besucht Adele die örtliche Volksschule, wo sie bei den gleichaltrigen Mitschülerinnen Ilse Asseln, Sophie Mönnich, Minna Spreen und Lily Lange schnell Anschluss findet. Noch Jahrzehnte später verbindet dieses Quintett eine enge Freundschaft, die auch im Alter nicht abreißt. Im Laufe des Jahres 1928 gibt es dann zwei familiäre Veränderungen: Anna Schweers, zusammen mit ihrem 1916 verstorbenen Ehemann Gerhard ursprüngliche Eigentümerin des Sparke-Hofes, stirbt im Alter von 93 Jahren. Zudem kauft Halbbruder Georg einen Hof in Altmoorhausen (heute: Dieter Fangmann und Ulrike Meyer-Fangmann) und siedelt ins Nachbardorf über.

Nach Schulabschluss und Konfirmation besucht Adele die 1921 eröffnete, als Internat konzipierte Haushaltungsschule auf Schloss Neuenburg. Dort freundet sie sich mit ihrer Mitschülerin Hanna Michelmann aus Jeringhave an – auch das eine Freundschaft, die ein Leben lang halten wird. Nächste Station ist ab 1938 der Hof der Familie Ahlers in Neuenkoop. Dort lernt sie sehr wahrscheinlich ihren künftigen Ehemann Heinrich Haverkamp kennen. Dessen Eltern bewirtschaften in Maibusch einen ähnlich großen Hof, wie es Adele von zu Hause aus kennt.

Ob sich Adele und Heinrich schon 1939 mit dem Gedanken an eine Heirat tragen, ist nicht überliefert. In jedem Fall spielt dieses Jahr für ihr weiteres Leben – wie für viele Millionen andere Menschen auch – eine entscheidende Rolle. Denn Anfang September 1939 beginnt mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Heinrich ist vermutlich von Anfang an dabei. Adele muss zudem knapp vier Monate später den Verlust ihres Vaters verkraften, er stirbt an Heiligabend im Alter von 72 Jahren.

Adele und Heinrich heiraten am 18. Oktober 1940. Am 7. Februar 1941 kommt Sohn Karl-Heinz zur Welt. Während Adele mit ihren Schwiegereltern Karl und Gesine den Haverkamp-Hof bewirtschaftet, schafft es Heinrich immer seltener nach Hause. Als sich Anfang 1945 an den unterschiedlichen Fronten die totale Niederlage Hitler-Deutschlands längst abzeichnet, erhält Adele schließlich Mitteilung von seinem Tod.

Auch nach Kriegsende reißen die schlechten Nachrichten zunächst nicht ab. Im Juli 1946 stirbt Mutter Mathilde in einem Oldenburger Krankenhaus an einem Magengeschwür. Bruder Adolf hat den Krieg zwar überlebt, kommt aber erst im Frühjahr 1947 aus amerikanischer und britischer Gefangenschaft frei. Solange bleibt der kurzfristig verwaiste Sparke-Hof in Hurrel verpachtet, während Adele mit Karl-Heinz weiter bei den Schwiegereltern in Maibusch wohnt.

Mit der im Juni 1948 in Kraft tretenden Währungsreform normalisiert sich das Leben im Nachkriegs-Deutschland allmählich wieder. Bereits fünf Wochen vorher ist Adele Gast auf der Hochzeit ihres Bruders mit Gretchen Drieling aus Grüppenbühren. Beide hatten sich auf Adeles Hochzeit mit Heinrich Haverkamp kennengelernt. Mit Heinrich Lückemeyer aus Dingstede findet auch Adele bald wieder einen Partner. Bei den Hochzeitsvorbereitungen ergibt sich allerdings ein gravierendes Problem: Adeles Schwiegereltern bestehen darauf, dass ihr als Erbe des Haverkamp-Hofes vorgesehener Enkel Karl-Heinz in Maibusch bleibt. Eine Bedingung, die Adele am Ende schweren Herzens akzeptiert.

Nach der am 15. September 1950 gefeierten Hochzeit beziehen Adele und Heinrich in Dingstede auf dem Grundstück von Heinrichs Eltern ein neu errichtetes Wohnhaus (heute: Hajo und Anke Lückemeyer). Während Heinrich als Zimmermann bei Georg Aschenbeck in Brettorf arbeitet, kümmert sich Adele um die im Oktober 1951 geborene Tochter Brigitte und hilft auf benachbarten Bauernhöfen aus. Daneben hält sie weiter regelmäßig Kontakt zu Karl-Heinz nach Maibusch.

Mitte der 50er Jahre macht sich Heinrich mit einer eigenen Zimmerei selbstständig. Auf einem von der Gemeinde Hatten neu hinzugekauften Nachbargrundstück entsteht kurz vor der Geburt von Sohn Hajo (Februar 1958) eine eigene Betriebshalle. Der Betrieb, in dem Adele nach Kräften mithilft, läuft gut – zeitweise so gut, dass mehrere Angestellte dort Arbeit finden. Nebenbei engagieren sich sowohl Heinrich als auch Adele im Heimatverein Dingstede, Heinrich sogar als erster Vorsitzender.

Am 20. November 1974 nimmt Adeles Leben dann zum zweiten Mal eine tragische Wende. Nur 14 Tage, bevor die zwischen Steinkimmen und Tweelbäke chronisch überlastete Bundesstraße 75 Entlastung durch ein neu eröffnetes Teilstück der A 28 bekommt, verunglückt Heinrich tödlich bei dem Versuch, die Straße in Höhe des Gasthofs Sandersfeld zu Fuß zu überqueren. Ein Verkehrs-Gefahrenpunkt, der zwei Jahre zuvor bereits Adeles Nachbarin Elfriede Pape zum Schicksal wurde. Dem Schock folgt tiefe Trauer, allenfalls gemildert durch den Blick auf die 1971 und 1972 geborenen Enkelkinder Heinke und Dennis. Die Söhne ihrer mittlerweile mit Ehemann Kurt Blankemeyer in Bergedorf lebenden Tochter Brigitte betreut Adele in jener Zeit regelmäßig einmal in der Woche. Die nach dem Unglück zunächst geschlossene Zimmerei führt Sohn Hajo nach seiner Ausbildung zum Zimmermann als Nebenerwerb weiter.

In den 80er und 90er Jahren unternimmt Adele viele Ausflüge mit dem Landfrauenverein Neuenkoop oder der Huder Ortsgruppe des Reichsbunds (heute: Sozialverband Deutschland). Häufig dabei: ihre Kusine Anna Auffarth aus Maibusch und Lina Meyer aus Steinkimmen, mit der Adele auf länger dauernden Reisen häufig ihr Zimmer teilt. Daneben arbeitet Adele viel im Garten und kümmert sich nach Hajos Hochzeit mit Anke Meyer um deren Kinder Alena und Hauke. Alle zwei Wochen steht zudem Kegeln mit den Dingsteder Dorffrauen auf dem Programm.

Ihre von langer Hand geplante Feier zum 80. Geburtstag am 24. April 2000 sagt Adele kurzerhand ab: Am 15. März ist Sohn Karl-Heinz nach längerer Krankheit gestorben, am 22. April dann Bruder Adolf. Vier Jahre später erkrankt Adele an Krebs, von dem sie sich nur kurzzeitig erholt. Sie stirbt am 10. April 2005 in Dingstede im Kreise der Familie und wird fünf Tage später auf dem Neuen Friedhof in Kirchhatten beerdigt.