Adele Asseln – Biographie

Adele Asseln wird am 28. Dezember 1890 als drittes Kind von Carl Busch und Bertha Busch in Hurrel geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Emma Schmidt und Frieda Martens und die ältere Schwester von Adolf Busch, Hermine Meyer und Else Kornagel.

Im Dezember 1890 markieren in den USA zwei Ereignisse das Ende der Indianerkriege: der gewaltsame Tod des weit über die Grenzen seines Stammes bekannten Sioux-Häuptlings Sitting Bull und das Massaker von Wounded Knee. Für die amerikanischen Prärie-Indianer gibt es danach endgültig keinen Weg mehr zurück zu ihrer ursprünglichen Lebensweise – anders, als es die von Sitting Bull unterstützte Geistertanz-Bewegung in den Monaten zuvor in einem Akt der Verzweiflung immer wieder beschworen hatte.

Unter den seit Jahren in unwirtlichen Reservaten eingepferchten Stämmen des Mittleren Westens fällt die Prophezeiung, dass durch die spirituellen Tänze ihre Vorfahren und auch die von den Weißen ausgerotteten Büffelherden zurückkehren, rasch auf fruchtbaren Boden. Das für die Verwaltung der Reservate zuständige Bureau of Indian Affairs fürchtet daraufhin einen neuen Indianeraufstand und sinnt darauf, jeden Widerstand frühzeitig im Keim zu ersticken. Dazu gehört es, den vermeintlichen, sich in der Standing Rock Reservation aufhaltenden Anführer Sitting Bull zu inhaftieren. Als ein aus indianischen Polizisten bestehendes Kommando diesen Auftrag in den frühen Morgenstunden des 15. Dezember 1890 ausführen will, kommt es unter nie restlos aufgeklärten Umständen zu einer Schießerei, die Sitting Bull und mehrere seiner Stammesbrüder das Leben kostet.

Davon aufgeschreckt fliehen viele Indianer aus den umliegenden Reservaten, darunter auch eine 350 Personen große, zu rund einem Drittel aus Frauen und Kindern bestehende Gruppe um den Minneconjou-Häuptling Spotted Elk. Bei klirrender Kälte versucht sie, die rund 200 Kilometer südwestlich gelegene Pine Ridge Reservation zu erreichen und sich dort unter den Schutz des Oglala-Häuptlings Red Cloud zu stellen. Kurz vor dem Ziel holt jedoch am 28. Dezember eine von James William Forsyth befehligte Einheit des 7. Kavallerieregiments die Gruppe ein und bringt sie zum Wounded Knee Creek, einem Nebenfluss des White River. Dort schlagen beide Seiten ihr Lager für die Nacht auf.

Am nächsten Morgen ergeht an die Indianer der Befehl, sämtliche Feuerwaffen abzugeben. Bei der Durchsuchung des Lagers löst sich beim Gerangel um ein Gewehr plötzlich ein Schuss. Er verletzt niemanden, setzt aber eine verhängnisvolle Kettenreaktion in Gang: Die Soldaten feuern sofort aus allen Rohren und richten mit ihren auf den umliegenden Hügeln postierten Hotchkiss-Kanonen ein wahres Blutbad an. Am Ende sterben schätzungsweise 300 Indianer und 25 Kavalleristen – letztere ganz überwiegend getötet von Granaten der eigenen Seite. Unmittelbar nach dem Massaker setzt ein eisiger Schneesturm ein, so dass die Opfer erst drei Tage später in einem Massengrab beerdigt werden können. Die wenigen Überlebenden werden schließlich nach Pine Ridge gebracht und dort notdürftig versorgt.

Mit bis zu minus 12 Grad nicht ganz so frostige, aber immer noch ungewohnt kühle Temperaturen herrschen in den letzten Dezembertagen des Jahres 1890 auch im von Pine Ridge mehr als 7.500 Kilometer entfernt liegenden Großherzogtum Oldenburg. Bei der Geburt von Adele in Hurrel wird das prompt zu einem Problem: Weil angesichts der Witterungsverhältnisse kurzfristig keine Hebamme verfügbar ist, muss Nachbarin Anna Rüdebusch einspringen – bringt aber angesichts von zehn eigenen auf die Welt gebrachten Kindern genügend Erfahrung für diese Aufgabe mit.

Für Adeles Mutter Bertha ist es zwar immerhin schon die dritte Geburt, aber die erste am neuen Wohnort. Erst im Frühjahr oder Sommer 1890 hat die zuvor im Nachbardorf Lintel ansässige Familie den im Zentrum des Dorfes gelegenen, von Ehemann Carl gekauften Hof mit angeschlossener Bäckerei (heute: Hajo und Dagmar Mehrings) bezogen. Noch bevor Adele laufen lernt, beginnt ihr Vater mit dem Bau eines Festsaals, der in den folgenden Jahren zu einem wichtigen Anlaufpunkt für Hochzeits- und andere Feiergesellschaften wird und den von Carl und Bertha neben Bäckerei und Landwirtschaft betriebenen Gasthof „Zur fröhlichen Einkehr“ zu einem florierenden Unternehmen macht. Kurz vor Adeles zweitem Geburtstag kommt dann ein Ladengeschäft hinzu, das neben Lebensmitteln aller Art unter anderem auch Glaser- und Malerzubehör im Angebot hat.

Gerade rechtzeitig zu Adeles Einschulung 1897 setzt Carl Busch durch, dass Hurrel ein eigenes Schulgebäude erhält – praktischerweise direkt gegenüber der Gastwirtschaft. Dort gehören in den folgenden Jahren neben Schwester Frieda unter anderem Johann Mönnich, Georg Rüdebusch, Gesine Rüdebusch, Friedrich Schwarting, Gerhard Schwarting, Heinrich Schwarting, Adele Wiedau und Friedrich Wilkens zu Adeles in etwa gleichaltrigen Mitschülern. Kurz vor ihrer Schulentlassung macht dann die Geburt der beiden jüngeren Schwestern Hermine und Else die Familie komplett.

Ob Adele ihren künftigen, aus Zetel stammenden Ehemann Reinhard Asseln im elterlichen Betrieb kennenlernt, lässt sich heute nicht mehr mit Gewissheit sagen. Es steht jedoch zu vermuten, denn Reinhard ist gelernter Bäcker und scheint Erzählungen aus der Familie zufolge in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg zum Personal ihres Vaters zu gehören. Sollte das der Fall sein, verhindern möglicherweise nur die Kriegswirren, dass sich beide schon vor dem 13. Januar 1920 in Hude ihr Jawort geben. Zeit wird es allemal: Am 1. April 1920 kommt Tochter Ilse zur Welt.

Sehr wahrscheinlich steht da längst fest, dass Adele und Reinhard einmal Bäckerei, Gasthof und Laden übernehmen werden. Mit ihrem Bruder Adolf, dem einzigen potenziellen männlichen Erben, hat sich Vater Carl kurz zuvor aus heute nicht mehr bekannten Gründen überworfen. Die beiden älteren Schwestern haben das Elternhaus längst verlassen und leben in Köln beziehungsweise Kirchhatten. Hermine und Else wiederum sind zu jung, denn viel Zeit für eine geordnete Übergabe bleibt Carl – durch die anstrengende Kombination der Berufe Bäcker, Gastwirt und Einzelhändler gesundheitlich angeschlagen – nicht mehr: Er stirbt im September 1923 im Alter von nur 63 Jahren.

Nachdem Adele und Reinhard den Betrieb einigermaßen glatt durch die Hyperinflation gebracht haben, stirbt im April 1927 auch Mutter Bertha. Die folgenden, von viel Arbeit und wenig Schlaf geprägten Jahre gehen an Ehemann Reinhard ebenfalls nicht spurlos vorüber. Da zudem absehbar ist, dass Tochter Ilse beruflich einen anderen Weg einschlagen wird, scheint über kurz oder lang die Übergabe an einen Dritten die sinnvollste Lösung zu sein. Ein dem ersten Anschein nach geeigneter Pächter ist bald gefunden, und zwar in Gestalt des zuvor in Kirchhatten ansässigen Bäckermeisters Otto Mehrings.

Zwischen dem Tag, an dem Otto seine Probezeit beginnt (8. August 1938) und dem Tag, an dem er Anfang Oktober mit Ehefrau Karla und Tochter Lore nach Hurrel übersiedelt, liegen auf weltpolitischem Parkett entscheidende Wochen. Seit Monaten schwelt die Sudeten-Krise – von den seit Anfang 1933 in Deutschland regierenden Nationalsozialisten bewusst provoziert, um die 1918 auf den Trümmern der Habsburger-Monarchie entstandene Tschechoslowakei zu destabilisieren. Auf der zur Klärung der erhobenen Ansprüche am 29. September 1938 einberufenen Münchner Konferenz kann sich NSDAP-Führer Adolf Hitler voll und ganz durchsetzen und nach dem im Frühjahr 1938 vollzogenen Anschluss Österreichs auch die überwiegend deutsch besiedelten Gebiete der Tschechoslowakei „heim ins Reich“ holen.

Ein diplomatischer Erfolg, der durchaus auch in Hurrel bejubelt worden sein dürfte. Schon wenige Monate später zeigt sich jedoch, was von Hitlers Beteuerungen, dies sei seine „letzte territoriale Forderung in Europa“ gewesen, zu halten ist: Am 15. März 1939 rollen deutsche Panzer Richtung Prag, die Zerschlagung der Rest-Tschechei beginnt. Zu diesem Zeitpunkt leben Adele und Reinhard auf einer Baustelle: Auf der ehemaligen Diele des Haupthauses entstehen für sie drei separate Zimmer, während Pächter Otto Mehrings mit seiner Familie nach weiteren Umbauarbeiten die restlichen Räume in Beschlag nimmt.

Aus Adeles Plan, es anschließend etwas ruhiger angehen zu lassen, wird freilich nichts. Schon kurz vor dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 und dem dadurch ausgelösten Zweiten Weltkrieg erhält Otto – mit der Geburt von Sohn Bodo just zum zweiten Mal Vater geworden – einen Stellungsbefehl zur Wehrmacht. Dadurch sieht sich Reinhard von einem Tag auf den anderen zur Rückkehr in die Backstube gezwungen, während Adele Karla Mehrings im Laden und bei der Kinderbetreuung zur Hand geht. Ein Ausnahmezustand, der sechs volle Jahre lang anhalten wird und erst mit Ottos Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft allmählich ausläuft. Auch auf dem benachbarten Hof von Johann Heinemann, seit Januar 1944 Ehemann von Tochter Ilse, packt Adele in dieser schweren Zeit hin und wieder mit an.

In den ersten Nachkriegsjahren kommt für Adele zur materiellen Not, die der vorübergehende Zusammenbruch aller staatlichen Strukturen mit sich bringt, auch noch die Sorge um ihren unter Gicht und Rheuma leidenden Ehemann Reinhard hinzu. Immerhin: Mit der Währungsreform vom Juni 1948 sind die Grundlagen für einen neuen wirtschaftlichen Aufschwung geschaffen, den Otto Mehrings in steigende Umsätze für Gastwirtschaft, Bäckerei und Ladengeschäft umzumünzen versteht. Die Pachteinnahmen für Adele und Reinhard sind also gesichert, und sie fließen pünktlich. In diese Zeit fällt auch die Geburt ihrer drei Enkelsöhne Günter, Hans und Erich Heinemann.

Nachdem eine 1955 eröffnete Postagentur ebenfalls gut anläuft, tritt Otto zwei Jahre später mit dem Wunsch an Adele und Reinhard heran, den Betrieb zu kaufen. Damit verbunden ist der Bau eines Altenteiler-Hauses auf dem Nachbargrundstück, das beide 1958 beziehen. In den folgenden Jahren hilft Adele bei Bedarf immer mal wieder im Laden aus – findet darüber hinaus aber endlich Zeit und Muße für andere Dinge wie die Anlage eines eigenen Gartens. Dafür benötigte Stauden-Ableger besorgt sie sich bevorzugt bei ihrer Schwester Emma in Aschhauserfeld, die das gleiche Hobby pflegt.

Im Mai 1964 stirbt Ehemann Reinhard nach längerer Krankheit. Fortan lebt Adele allein in ihrem Altenteiler-Haus, wo sie in der Nacht vom 6. auf den 7. April 1966 friedlich entschläft. Beerdigt ist sie fünf Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.