Hermann Friedrich Georg Rüscher – Rufname Georg – wird am 26. Februar 1907 als zweites Kind von Gerhard August Rüscher und Meta Gesine Rüscher in Hurrel geboren. Er ist der jüngere Bruder von Martha Wachtendorf und der ältere Bruder von Else Ahrens, Adolf Rüscher und Herbert Rüscher.
Kurz vor Georgs Geburt endet in Bremen die Festwoche zum 50-jährigen Bestehen der Reederei Norddeutscher Lloyd. Zu den Höhepunkten des fünftägigen Spektakels gehört am 20. Februar 1907 die Grundsteinlegung für das neue Lloyd-Gebäude, an der als prominentester Gast Friedrich Wilhelm von Preußen teilnimmt. Der älteste Sohn von Kaiser Wilhelm II. und designierte Thronfolger des Deutschen Reiches verleiht anlässlich des Jubiläums zahlreiche Orden und Ehrenzeichen – unter anderem an Friedrich Bremermann, bei der Firmengründung einfacher Lehrling und seit 1892 Mitglied des Vorstands. Nach einem von vielen Reden gesäumten Festmahl in der Oberen Rathaushalle und einem Abendempfang im Ratskeller bricht der Tross der Ehrengäste am nächsten Tag mit dem Schnelldampfer Kaiser Wilhelm II. Richtung Bremerhaven auf und feiert dort weiter.
Eng verbunden mit dem Norddeutschen Lloyd ist der Aufstieg Bremens zu einer der größten Hafenstädte Deutschlands. Als die Kaufleute Hermann Henrich Meier, Eduard Crüsemann und Gustav Kulenkampff die Reederei 1857 gründen, hat Bremen gerade einmal 60.000 Einwohner. Anfang 1907 sind es schon 220.000. Rund jeder zehnte Bremer arbeitet beim Lloyd, der unter anderem 93 Seedampfer, 51 Küstendampfer und 53 Flussdampfer betreibt und 1906 mehr als 490.000 Passagiere –zu einem großen Teil Auswanderer nach Nordamerika – und 3,8 Millionen Tonnen Fracht befördert.
Trotz dieser fast beispiellosen Erfolgsgeschichte häufen sich 1907 beim Lloyd die Probleme. Zum einen belastet eine im Vorjahr ausgebrochene Rezession mit anschließender Börsenkrise die Geschäfte, zum anderen gewinnen angelsächsische Konkurrenten wie die bereits 1839 gegründete Cunard Line Boden zurück. Deren im Juni 1906 vom Stapel gelaufenes Schiff Lusitania ist damals nicht nur der größte Passagierdampfer der Welt, es erobert im Oktober 1907 vom Lloyd-Dampfer Kronprinz Wilhelm auch das Blaue Band für die schnellste Atlantik-Überquerung von Ost nach West. Noch größer und noch schneller ist das Lusitania-Schwesterschiff Mauretania, das im Dezember 1907 einen neuen Rekord in östlicher Richtung aufstellt.
Vom in jenen Monaten immer verbissener geführten Wettrennen auf den Weltmeeren bekommt Georgs Familie in Hurrel vermutlich wenig mit. Seine Eltern arbeiten wie fast alle Dorfbewohner in der Landwirtschaft, haben aber anders als die meisten Nachbarn keinen eigenen Grundbesitz. Zum Zeitpunkt von Georgs Geburt wohnen sie auf einem in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts abgebrochenen Hof an der Hurreler Straße zwischen den Hausnummern 48 (heutige Eigentümerin: Inge Molde) und 46 (Elke Brumund und Egon Wachtendorf). Eigentümer ist Gerhard Wieting, der aber an der Bremer Straße eine eigene Landwirtschaft betreibt und den zweiten Hof noch im Laufe des Jahres 1907 an Hinrich Gode verkauft. Gerhard und Meta Rüscher ziehen daraufhin mit ihren beiden Kindern nach Altmoorhausen, wo sie ein ehemals als Schulhaus dienendes Heuerhaus am Pohlweg (heute: Ingo Fischer) mieten. Dort kommen nach einem im Juni 1908 tot geborenen Bruder zwischen September 1909 und Juni 1912 Georgs jüngere Geschwister zur Welt.
Die Volksschule, die Georg wahrscheinlich ab Frühjahr 1913 besucht, liegt von seinem Elternhaus weniger als 200 Meter entfernt – was sich allerdings mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 vorübergehend ändert: Wegen akuten Lehrermangels werden die Altmoorhauser Kinder ab 1915 zeitweise in Neu-Moorhausen unterrichtet, dem heutigen Hemmelsberg. Schwerer als der nun rund zweieinhalb Kilometer lange Fußweg wiegt für Georg aber sicher der Umstand, dass einer später im Dorf kursierenden Gedenktafel zufolge auch sein Vater am Krieg teilnimmt.
Obwohl Gerhard Rüscher spätestens Ende 1918 unversehrt in die Heimat zurückkehrt und seine kurz vor dem Krieg begonnene Arbeit in der Ziegelei Munderloh wieder aufnehmen kann, bleibt die wirtschaftliche Lage der Familie in den ersten Jahren der Weimarer Republik angespannt. Angesichts der immer stärkeren Geldentwertung sucht Georgs ältere Schwester Martha im Frühjahr 1923 ihr Heil in der Hollandgängerei – ein Weg, den einige Jahre später auch die jüngere Schwester Else geht. Georg hat in dieser schwierigen Zeit das Glück, nach seinem Schulabschluss eine Lehrstelle als Maler angeboten zu bekommen.
Wahrscheinlich noch während der Lehre lernt Georg seine künftige Ehefrau Käthe Bruns kennen, die zu jener Zeit auf einem Bauernhof in Munderloh arbeitet. Georg und Käthe heiraten Ende Dezember 1931, vier Monate vor der Geburt des gemeinsamen Sohnes Günther. Zu diesem Zeitpunkt leben beide bereits in einem von Heinrich Diedrich Schmidt gekauften Haus an der Bremer Straße in Sandersfeld (heute: KFZ-Werkstatt Günther Gramberg), wo Georg sich neben den Wohnräumen im Erdgeschoss eine Malerwerkstatt einrichtet. Im Obergeschoss wohnt das Ehepaar Gustav und Bertha Kleine zur Miete.
Trotz der Anfang der 30er Jahre nach Deutschland überschwappenden Weltwirtschaftskrise gelingt es Georg noch in der Endphase der Weimarer Republik, sich als selbstständiger Maler zu etablieren. Im September 1933 – neun Monate nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten – kommt der zweitgeborene Sohn Harro zur Welt, dem bis zum Ende dieses so verhängnisvollen Jahrzehnts noch vier weitere Kinder folgen: Inge (September 1934), Werner (März 1936), Walter (Juni 1937) und Hilde (Februar 1939). Sieben Monate nach Hildes Geburt beginnt mit dem Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg.
Anfangs kommt Georg noch um eine Einberufung zur Wehrmacht herum. Irgendwann zwischen der Geburt von Heino (September 1940) und Rudolf (Juli 1942) liegt dann jedoch der Einberufungsbescheid auf dem Tisch. Wohin es ihn im weiteren Kriegsverlauf verschlägt und welche schrecklichen Dinge er vor und nach der Geburt der dritten Tochter Irene im Februar 1944 erlebt, ist in der Familie nicht überliefert. Zumindest hat Georg mehr Glück als sein jüngster Bruder: Herbert Rüscher stirbt im April 1945 als einer der wenigen noch in Ostpreußen verbliebenen deutschen Soldaten bei einem Fliegerangriff auf ein in der Nähe von Bludau eingerichtetes Lazarett.
Schon bald nach der deutschen Kapitulation im Mai 1945 kehrt Georg nach Sandersfeld zurück. Unter schwierigsten Bedingungen und gesundheitlich durch ein aus dem Krieg mitgebrachtes Nierenleiden beeinträchtigt, startet er mit Käthe den Malerbetrieb neu. Im Mai 1947 wird er dann ein letztes Mal Vater: Nesthäkchen Helga macht die Familie komplett.
Während es geschäftlich mit der Währungsreform vom Juni 1948 und einigen Großaufträgen – unter anderem für den Tweelbäker Gastwirt Johann Decker – bald wieder aufwärts geht und Georg mehrere Mitarbeiter einstellen kann, häufen sich zu Beginn der 50er Jahre die privaten Sorgen. Käthe hat sich mit Tuberkulose infiziert, auch fünf der zehn Kinder sind betroffen und müssen teilweise längere Zeit in einer Lungenheilstätte verbringen. Eine Behandlung, die Käthe für sich selbst aus Pflichtgefühl gegenüber den zu Hause gebliebenen Kindern ablehnt. Sie erliegt der heimtückischen Krankheit Anfang Januar 1955 im Alter von nur 43 Jahren. Den Verlust verwindet Georg nur schwer, und vermutlich kostet er ihn selbst das Leben: Er stirbt am 11. März 1957 und wird vier Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.