Gesine Margarete Schwarting wird am 30. Oktober 1845 als einziges Kind von Johann Dierk Rodiek und Beke Rodiek auf dem elterlichen Hof in Sandersfeld (heute: Ingo und Elke Haverkamp) geboren. Mit Catharina Sophie Wiedau, Hinrich Wiedau, Anna Sophie Freese, Hermann Wiedau, Jürgen Diedrich Wiedau und Wilhelm Hinrich Wiedau hat sie noch sechs ältere Halbgeschwister aus der ersten Ehe ihrer Mutter mit Hermann Wiedau.
Der Sommer 1845 ist in Europa sehr feucht. Das begünstigt einen auf dem alten Kontinent bis dato unbekannten Feind, der in den folgenden Jahren die Lebensgrundlage von Millionen Menschen zerstört: die Kartoffelfäule. Eingeschleppt mutmaßlich von einem Segelschiff aus den USA, breitet sich der Pilz innerhalb weniger Wochen von Belgien bis nach Osteuropa aus. Am schlimmsten betroffen ist Irland, wo im Oktober 1845 nahezu die gesamte Ernte ausfällt. Es kommt zur Großen Hungersnot, in deren Folge bis 1849 rund eine Million Iren verhungern und weitere zwei Millionen Iren auswandern. Eine nationale Tragödie, die bis heute als Trauma fortwirkt und das Verhältnis zur einstigen Kolonialmacht Großbritannien trübt. Deren Vertreter in London nämlich unternehmen herzlich wenig, um die Not zu lindern. Im Gegenteil: Weil auch England, Schottland und Wales unter Missernten leiden, bezieht das Königreich in den Jahren der Hungersnot weiter große Mengen Nahrungsmittel aus Irland und verschlimmert so die Lage.
Auch im Großherzogtum Oldenburg, zu dem Sandersfeld gehört, sind die Auswirkungen der Kartoffelfäule zu spüren – zeitgenössischen Quellen zufolge allerdings stärker in küstennahen Gebieten und der Wesermarsch als auf dem eher sandigen Boden der Wildeshauser Geest. Inwieweit Gesines Familie direkt betroffen ist und ob der Anbau von Kartoffeln 1845 überhaupt eine nennenswerte Einnahmequelle auf dem Rodiek-Hof darstellt, lässt sich heute natürlich nicht mehr mit Gewissheit sagen. Da aber auch 1846 und 1847 aus erntetechnischer Sicht in ganz Deutschland als Krisen- und Hungerjahre in die Geschichte eingehen, dürften Gesines Eltern wie die Nachbarn ringsum nur mit Mühe über die Runden kommen. Wobei es Johann Dierk und Beeke Rodiek aber wirtschaftlich ganz gewiss nicht zum Nachteil gereicht, statt fünf, acht oder zehn Kindern lediglich eine einzige Tochter großziehen zu müssen.
Ganz allgemein kann man konstatieren, dass Gesines Eltern besser gestellt sind als viele ihrer Zeitgenossen. Diese Einschätzung rührt zum einen aus dem Wissen, dass sie den bereits im Oldenburger Salbuch von 1428 erwähnten Hof in siebter Generation führen und damit auf eine wesentlich größere Substanz zurückgreifen können als ein Neusiedler aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie fußt aber auch ganz konkret auf einem Detail: Als nämlich Gesine sechs oder sieben Jahre alt ist, lassen Johann Dierk und Beeke sich mit ihrer Tochter in einem Fotostudio ablichten. Sie haben dafür sehr wahrscheinlich nicht nur eine weite Anfahrt in Kauf genommen, sondern auch relativ viel Geld bezahlt, denn die Fotografie steckt um 1850 herum noch in den Kinderschuhen. Es gibt nur wenige Fotografen, entsprechend teuer ist ihre Dienstleistung.
Weitere Foto-Dokumente aus Gesines Jugend sind leider nicht vorhanden, ebenso wenig wie Details zu ihrer Volksschulzeit in Kirchkimmen. Nach Konfirmation und Schulabschluss wird sie aber vermutlich weiter auf dem elterlichen Hof mitarbeiten, den sie als Alleinerbin eines Tages fortführen soll. Knapp zehn Jahre später – am 10. November 1870, inmitten des Deutsch-Französischen Krieges – heiratet sie ihren ersten Ehemann Hermann Osterloh aus Klattenhof. Die Ehe bringt mit Dietrich (März 1872) und Elise Catharine (April 1876) zwei Kinder hervor.
Drei Monate nach Elise Catharines Geburt stirbt Gesines Mutter, im Januar 1882 dann auch Ehemann Hermann Hinrich im Alter von nur 36 Jahren. Am 6. Mai 1884 heiratet Gesine daraufhin Heinrich Schwarting aus Bergedorf. Im März des folgenden Jahres kommt die gemeinsame Tochter Anna Catharine zur Welt. Vater Johann Dierk – er wird 84 Jahre alt – stirbt im April 1889.
Über das Jahrzehnt vor der Jahrhundertwende und die beiden Jahrzehnte danach ist innerhalb der Familie wenig über Gesines Leben überliefert. Im Mai 1898 heiratet Tochter Elise Catharine Hinrich Carl Siemers aus Bergedorf und macht sie durch die Geburt von Enkelin Alma fünf Monate später erstmals zur Großmutter. Mit Dietrichs Ehefrau Johanne Heinemann aus Hurrel kommt im Juni 1903 eine Schwiegertochter ins Haus, der im Juni 1904 die zweite Enkeltochter Gesine Christine folgt. Die nächsten drei Enkelkinder Elli (April 1910), Georg (Januar 1912) und Gustav (August 1913) wiederum stammen aus der im Februar 1910 geschlossenen Ehe der jüngsten Tochter Anna Catharine mit Heinrich Rüdebusch in Hurrel. Enkelkind Nummer 6 – Elise Catharines Tochter Henni – setzt in dieser Reihe am 1. August 1915 auf den Tag genau zwölf Monate nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs einen vorläufigen Schlusspunkt.
Gesine erlebt drei Jahre später zwar noch das Kriegsende und die Ausrufung der Weimarer Republik mit, nicht jedoch die Geburt ihres jüngsten Enkelkindes Heino Rüdebusch im August 1924. Nach einem Schlaganfall stirbt sie am 27. April 1920 und wird wenige Tage später auf dem evangelischen Friedhof in Ganderkesee beerdigt.