Anna Pieper – Biographie

Anna Katharina Henriette Pieper wird am 6. Oktober 1897 als drittes Kind von Diedrich Petershagen und Aline Gesine Petershagen in Hurrel geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Friedrich Petershagen und Martha Klattenhoff und die ältere Schwester von Gesine Reuter, Johann Hinrich Petershagen und Johanne Birnbaum. Darüber hinaus hat sie mit Aline Luise Marie Petershagen und Heinrich Petershagen noch zwei jüngere Halbgeschwister aus der zweiten Ehe ihres Vaters mit Meta Sophie Klattenhoff.

In den Tagen um Annas Geburt endet auf tragische Weise der Versuch des schwedischen Polarforschers Salomon August Andrée, mit einem Wasserstoffballon den Nordpol zu erreichen. Andrée und seine beiden Begleiter Knut Frænkel und Nils Strindberg waren am 11. Juli 1897 von Spitzbergen aus gestartet, konnten aber nur etwa ein Drittel der Strecke per Ballon zurücklegen. Nach der Landung versuchen die drei Forscher, zu Fuß ein etwa 350 Kilometer entferntes Versorgungslager zu erreichen. Sie bleiben verschwunden, ihre Leichen und diverse Ausrüstungsgegenstände werden erst 33 Jahre später per Zufall gefunden. Die letzten Tagebuchaufzeichnungen datieren von Anfang Oktober 1897.

Die 1982 unter dem Namen „Der Flug des Adlers“ verfilmte Andrée-Expedition markiert nur einen von vielen Versuchen jener Jahre, am nördlichen Ende der Erde Neuland zu betreten. Der Norweger Fridtjof Nansen scheitert 1896 ebenso beim Versuch, zum Nordpol vorzustoßen wie 1899 der Spanier Luigi Amadeo von Savoyen. Dem Italiener Umberto Cagni gelingt es immerhin zwei Monate nach der Geburt von Annas Schwester Gesine am 26. Februar 1900, dem begehrten Punkt so nah zu kommen wie noch kein Mensch vor ihm.

Wo genau Anna an der Schwelle zum 20. Jahrhundert in Hurrel aufwächst, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Ihre Eltern sind Heuerleute, haben also im Dorf keinen eigenen Grundbesitz. Annas lebenslanger Kontakt zu Bernhard Haverkamp lässt jedoch darauf schließen, dass sie in einem seiner Heuerhäuser laufen lernt – vielleicht in jenem Haus am Goehlweg, das in späteren Jahren unter anderem von Heinrich und Anna Schütte bewohnt wird (heute: Marie Herrmann).

Irgendwann zwischen der Geburt des später nach Amerika auswandernden Bruders Johann Hinrich (November 1902) und der Geburt von Schwester Hanni (Mai 1905) zieht die Familie nach Nordenholz. Der erste Tag im Leben der jüngeren Schwester ist dabei zugleich der letzte der Mutter, Anna und ihre Geschwister werden zu Halbwaisen. Vater Diedrich bringt seine Kinder daraufhin in verschiedenen Familien in der näheren Umgebung unter. Auf welchem Hof Anna die nächsten Jahre verbringt, ist nicht überliefert – ebenso wenig, wo sie nach Abschluss der Volksschule in Nordenholz als Dienstmagd in Stellung geht. Kurz vorher, im August 1911, heiratet Diedrich Petershagen ein zweites Mal und wird 1913 und Anfang 1917 – mitten in den Wirren des Ersten Weltkriegs – noch einmal Vater.

Anna selbst heiratet am 30. September 1920 in Hude den aus Motzen stammenden Bootsbauer Heinrich Wilhelm Pieper. Nur eine Woche später kommt Sohn Heinrich zur Welt. In den folgenden Jahren wohnt die Familie in Berne, wo Anna im November 1923 – auf dem Höhepunkt der Hyperinflation – mit der Geburt von Tochter Almuth zum zweiten Mal Mutter wird. Im Juli 1927 kommt als drittes Kind Tochter Gisela hinzu. Aus späteren Aufzeichnungen der damals vierjährigen Almuth ist überliefert, dass Anna von Weihnachten 1927 an längere Zeit im Krankenhaus liegt, wahrscheinlich mit einer Bauchfellentzündung.

Die bald darauf nach Deutschland überschwappende Weltwirtschaftskrise führt allem Anschein nach dazu, dass Annas Ehemann seinen Arbeitsplatz auf einer der damals noch vergleichsweise zahlreich an der Unterweser vertretenen Werften verliert. Darauf deutet zumindest der mehrmalige Umzug der Familie in den 30er Jahren hin. Noch vor Ende des durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten geprägten Jahrzehnts kehrt sie nach Nordenholz zurück. Dass der im September 1939 durch den Überfall auf Polen entfesselte Zweite Weltkrieg, zu dem auch Sohn Heinrich einberufen wird, kein gutes Ende nehmen kann, scheint Anna früher zu ahnen als andere. Überliefert ist in diesem Zusammenhang das aus ihrem Mund in späteren Jahren noch häufig zu hörende Brecht-Zitat „Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Schlächter selber.“

Das Kriegsende erlebt Anna im Keller der Nachbarin Alma Schote, in den sie sich mit ihren Töchtern geflüchtet hat. Als die Frauen von kanadischen Soldaten ans Tageslicht geholt werden, sieht Anna ihr Haus lichterloh brennen. Wann genau Ehemann Heinrich Wilhelm nach Hause kommt, ist heute in der Familie nicht mehr bekannt – den Überlieferungen von Tochter Almuth zufolge kehrt er jedoch vor Bruder Heinrich zurück, der in Norwegen in Kriegsgefangenschaft geraten ist.

Nach den schwierigen Nachkriegsjahren geht es Anfang der 50er Jahre wieder bergauf. Heinrich Pieper übernimmt in Vielstedt den Bauernhof seiner Schwiegermutter Anna Vosteen am Steinweg (heute: Günter Pieper), auf dem Anna und Heinrich Wilhelm fortan ihren Lebensabend verbringen. In dieser Zeit sehen sie die insgesamt sechs Enkelkinder – zwei aus Heinrichs Ehe mit Elli Vosteen, drei aus Almuths Ehe mit Georg Budde in Altmoorhausen und eins aus Giselas Ehe mit Herbert Adam in Hude – aufwachsen. Diese behalten ihre Großmutter als sehr belesen und den Großvater als sehr musikalisch in Erinnerung.

Anna stirbt am 30. Januar 1986 an Altersschwäche, 17 Jahre nach Heinrich Wilhelm. Beerdigt ist sie vier Tage später auf der Ahnenstätte Hilligenloh in Hurrel.