Enno von Kempen – Biographie

Enno von Kempen wird am 29. Dezember 1914 als erstes Kind von Heinrich von Kempen und Martha von Kempen in Vielstedt geboren. Er ist der ältere Bruder von Wilma Kloberdanz. Mit Werner von Kempen, Gertrud von Kempen, Rudolf von Kempen, Anneliese von Kempen, Hans-Helmut von Kempen, Lorenz von Kempen, Robert von Kempen und Grete Roder hat er darüber hinaus insgesamt acht jüngere Halbgeschwister aus der zweiten Ehe seines Vaters mit Bertha Timmermann.

Zwei Tage vor dem Jahreswechsel ist Ende 1914 auf allen Seiten die Hoffnung erloschen, im seit Anfang August tobenden Ersten Weltkrieg einen schnellen Sieg zu erringen. An der Westfront stehen sich Deutsche, Briten und Franzosen seit Monaten in einem zermürbenden Grabenkrieg gegenüber. Im Osten ist es zwar aus deutscher Sicht gelungen, durch den Sieg in der Schlacht bei Tannenberg eine russische Invasion Ostpreußens zu verhindern. Weitere nennenswerte Erfolge halten sich aber auch dort in Grenzen.

Vor allem im Norden der Westfront sinkt die Moral der Truppen angesichts des herannahenden Winters nahezu mit jedem weiteren Tag. In Flandern, wo sich die Stellungen von Briten und Deutschen teilweise in Rufweite befinden, kommt es dadurch seit Heiligabend immer wieder spontan zu Szenen der Verbrüderung: Soldaten beider Lager singen gemeinsam Weihnachtslieder, tauschen Tabak oder Süßigkeiten aus und spielen sogar miteinander Fußball. Während an manchen Abschnitten schon ab dem 26. Dezember wieder geschossen wird, hält der inoffizielle Weihnachtsfriede mancherorts auch am 29. Dezember noch an – insbesondere im Umfeld von schottischen Regimentern, deren Mitglieder in der Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar traditionell ihr Hogmanay-Fest feiern.

Viele Befehlshaber reagieren erwartungsgemäß äußerst kritisch auf die später unter anderem im Video zum Paul-McCartney-Song „Pipes of peace“ (1983) oder im Sachbuch „Der kleine Frieden im Großen Krieg“ (2005) von Ex-„Stern“-Chefredakteur Michael Jürgs thematisch verarbeitete Fraternisierung, sehen aber bis auf wenige Ausnahmen von Strafmaßnahmen ab. An der deutschen Heimatfront geht diese Episode des Krieges angesichts der vorherrschenden Zensur nahezu komplett vorbei. Dort häufen sich kurz vor Silvester die Appelle, es mit den Feierlichkeiten zum Jahreswechsel nicht zu übertreiben. „Unsere Väter und Söhne und sonstige Anverwandte stehen im Felde im Schlachtgetümmel Auge in Auge dem Feinde gegenüber“, mahnt etwa am 29. Dezember 1914 die „Vossische Zeitung“ in Berlin ihre Leser. Für lärmende Fröhlichkeit und Trinkgelage, Konfetti-Schlachten sowie sonstige Scherze sei daher nicht die Zeit.

Wie und wo genau Ennos Eltern Silvester 1914 verbringen, liegt heute im Dunkeln. Bei seiner Geburt sind Heinrich und Martha von Kempen gerade einmal sieben Tage miteinander verheiratet – so wie die Planungen Millionen anderer Menschen hat der Kriegsausbruch Anfang August auch ihre ursprünglichen Hochzeitsvorbereitungen komplett über den Haufen geworfen. Wobei es die beiden Jungvermählten schlimmer hätte treffen können: Seine Ausbildung als Schneider bewahrt Ennos Vater nämlich davor, direkt an die Front abkommandiert zu werden. Stattdessen leistet er seinen Dienst zunächst im Bekleidungsamt in Leipzig ab und fertigt dort Uniformen und andere Ausrüstungsgegenstände für die Armee.

Letztlich ergeht es Enno jedoch genauso wie den meisten 1914 in Europa geborenen Kindern: Er bekommt seinen Vater nahezu vier Jahre lang kaum zu Gesicht. Darüber hinaus erlebt er vermutlich hautnah mit, wie die durch die schlechte Versorgungslage im Krieg begünstigte Volksseuche Tuberkulose seine Mutter nach der Geburt seiner Schwester Wilma im Juni 1916 immer schwächer werden lässt. Sie stirbt im März 1920, knapp drei Monate nach Ennos fünftem Geburtstag.

Hilfe in dieser für ihn sehr schwierigen Situation erhält Heinrich von Kempen von seiner Schwägerin Bertha Timmermann aus Hurrel. Marthas jüngere, kurz vor deren Tod 18 Jahre alt gewordene Schwester kümmert sich um die verwaiste Familie, und ein knappes Jahr später ist sie Ennos und Wilmas Stiefmutter. Trotz dieser positiven Wendung bleibt der Tod im Hause von Kempen ein regelmäßiger Gast: Von Ennos vier ältesten Stiefgeschwistern erlebt lediglich der im Dezember 1924 geborene Bruder Rudolf seinen ersten Geburtstag – Werner (geboren im Juni 1921), Gertrud (Juni 1922) und Anneliese (November 1925) sterben noch im Säuglingsalter.

Während Enno in Vielstedt die Volksschule besucht, hat sich Vater Heinrich in der von ihm und Berta angemieteten Wohnung als Schneidermeister selbstständig gemacht. Kurz nach Annelieses Tod zieht die Familie allerdings nach Hurrel um und errichtet in direkter Nachbarschaft von Ennos Großeltern Diedrich und Katharine Timmermann ein kleines Siedlungshaus, ebenfalls mit eingebauter Schneiderwerkstatt (heute: Uta Trump und Karl-Heinz Kunert). Damit verbunden ist für Enno ein Wechsel in die Volksschule Hurrel.

In etwa zeitgleich mit der Geburt des nächsten Halbbruders Hans-Helmut im Mai 1928 schließt Enno die Schule ab und beginnt in Delmenhorst eine Schneiderlehre, der sich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 mehrere Gesellenjahre anschließen. Kurz vor der Einberufung zur Wehrmacht – der Zweite Weltkrieg tobt bereits – kommt Enno am 2. Mai 1940 in Lintel seiner künftigen Ehefrau Erna Schröder aus Vielstedt näher: An diesem Himmelfahrtstag feiert der Schützenverein Lintel noch einmal sein traditionelles Schützenfest, bevor der Krieg und seine Folgen eine insgesamt zehnjährige Pause erzwingen.

Den größten Teil seines Kriegsdienstes leistet Enno in Griechenland ab, wo er im Zuge der Befreiung durch alliierte Truppen in amerikanische Gefangenschaft gerät. Als er im Frühjahr 1946 nach Hude zurückkehrt, heiratet er Erna und besucht sechs Monate lang die Meisterschule in Delmenhorst. Nach bestandener Prüfung richtet er seine Schneiderwerkstatt zunächst auf dem Hof der Schwiegereltern Hinrich und Luise Schröder in Vielstedt ein. Dort kommt im September 1947 Tochter Lisa zur Welt. Zwei Jahre später siedeln Enno und Erna sich im Huder Neubaugebiet Am Fuhrenkamp an, wo im Februar 1951 die zweitgeborene Tochter Ingrid die Familie komplett macht.

Weil sich abzeichnet, dass der Tätigkeit als Herrenschneider wohl keine große Zukunft beschieden sein wird, sattelt Enno Mitte der 50er Jahre beruflich noch einmal um. Er bewirbt sich bei der neu formierten Bundeswehr und gehört zu den ersten Berufssoldaten, die ab Ende 1956 wieder in die Kasernen einziehen. Bis zur Pensionierung 1968 dient Enno auf verschiedenen Positionen, zum Schluss als Stabsfeldwebel am Standort Bümmerstede.

Weil er sich mit 53 Jahren zu jung für den Ruhestand fühlt, arbeitet Enno noch eine Zeitlang als Versicherungsvertreter, gibt diese Nebentätigkeit aber schon bald wieder auf. Fortan widmet er sich gemeinsam mit Erna der größten gemeinsamen Leidenschaft, dem eigenen Garten. Daneben pflegt er regelmäßig Kontakte mit alten Bundeswehrkameraden und gehört im Februar 1980 zu den Mitgründern der ERH Delmenhorst, einer regionalen Unterabteilung des Deutschen Bundeswehrverbands.

Bis ins hohe Alter besuchen Enno und Erna regelmäßig das für ihr weiteres Leben so richtungsweisende Linteler Schützenfest – auch wenn Enno nach der im Juli 1996 gefeierten Goldenen Hochzeit gesundheitlich abbaut und unter anderem mehrere Herzinfarkte erleidet. Nach einem kurzen Krankenhaus-Aufenthalt stirbt er am 5. Dezember 2001 und wird sechs Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.