Martha Gesine von Kempen wird am 3. Februar 1895 als erstes Kind von Diedrich Timmermann und Katharine Timmermann in Hurrel geboren. Sie ist die ältere Schwester von Adolf Timmermann, Heinrich Timmermann, Johann Timmermann, Bertha von Kempen, Karl Diedrich Timmermann, Karl Timmermann, Hanna Hagestedt, Georg Timmermann und Friedel Timmermann.
Ende des 19. Jahrhunderts herrscht im Ruhrgebiet eine starke Rivalität zwischen sozialdemokratisch und christlich orientierten Bergbau-Gewerkschaften. Am Tage von Marthas Geburt kommt es dabei zu mehreren folgenschweren Begegnungen zweier Repräsentanten der verfeindeten Flügel, die einem von beiden – SPD-Mitglied Ludwig Schröder – eine mehrjährige Zuchthausstrafe einbringt.
Folgendes trägt sich historischen Gerichtsakten und Zeitungsberichten zufolge zu: In Oberhausen, Herne und Baukau finden insgesamt drei Versammlungen des „Gewerkvereins christlicher Bergarbeiter“ unter Leitung des Vorsitzenden August Brust statt. Schröder, als einer der „Kaiser-Delegierten“ im Bergarbeiterstreik von 1889 in der Region kein Unbekannter, besucht mit mehreren Mitstreitern alle drei Versammlungen und verlangt jeweils, zu Wort zu kommen. Beim ersten Mal wird ihm dies gewährt, die beiden anderen Male nicht mehr. Beim dritten Mal fordert Brust Schröder überdies auf, die Versammlung zu verlassen. Dem kommt Schröder zwar nach, fordert aber an der Kasse sein Eintrittsgeld zurück. Daraufhin wird er von einem von Brust zur Unterstützung angeforderten Polizisten zweimal unsanft zu Boden gestoßen.
Eine bis hierhin relativ harmlose Begebenheit, die allerdings durch einen Bericht der „Deutschen Berg- und Hüttenarbeiterzeitung“ drei Wochen später Fahrt aufnimmt. Deren bei der dritten Begegnung vor Ort anwesender Redakteur schildert die Handgreiflichkeit und wird von dem eine Dienstaufsichtsbeschwerde fürchtenden Polizisten wegen Beleidigung verklagt. Zum im Juni 1895 stattfindenden Schwurgerichtsprozess in Essen wird Schröder als Zeuge vorgeladen und entlastet durch seine Aussagen – wie auch sechs andere Zeugen – den Redakteur. Trotzdem befinden die Geschworenen ihn für schuldig. Das wiederum gibt dem Staatsanwalt die Möglichkeit, Schröder und die übrigen Zeugen der Verteidigung wegen Meineids anzuklagen. Am 17. August 1895 fällt das Urteil: Schröder muss für zweieinhalb Jahre ins Zuchthaus, seine Mitangeklagten erhalten Strafen von dreieinhalb Jahren bis sechs Monaten.
Das 15 Jahre später aufgehobene Urteil stößt auch in bürgerlichen Kreisen auf Unverständnis. Dass die Schlagzeilen, die es im Ruhrgebiet und darüber hinaus natürlich reichsweit in der sozialdemokratischen Presse produziert, bis nach Hurrel vordringen, ist allerdings eher zweifelhaft – zu unterschiedlich sind die einzelnen Milieus.
Wo genau Martha in Hurrel zur Welt kommt und wo sie dort ihre ersten Lebensjahre verbringt, liegt heute im Dunkeln. Ihre Eltern besitzen im Dorf keine eigene Hofstelle und arbeiten wahrscheinlich für einen der ortsansässigen Bauern. Bei der Geburt der jüngsten Schwester Hanna im März 1909 lebt die Familie allerdings bereits in Nordenholz, möglicherweise auf dem von Marthas Tante Metta Voigt bewirtschafteten Hof ihres 1907 verstorbenen Großvaters Arend Ahlers.
Marthas 1910 geborener Bruder Georg stirbt im August 1912 in Nordenholz an Diphtherie. Kurz darauf kauft Vater Diedrich in Hurrel einen kleinen Hof an der Hurreler Straße (heute: Thomas und Kerstin Schwantje). Ob Martha – mittlerweile fast 18 Jahre alt – den erneuten, Ende 1912 vollzogenen Umzug mitmacht, lässt sich heute nicht mehr mit Gewissheit sagen. Mit einiger Sicherheit ist sie aber zu diesem Zeitpunkt bereits auf einem anderen Hof oder in einem Haushalt in der näheren Umgebung in Stellung. Vielleicht sogar im benachbarten Vielstedt, wo sie in jenen Jahren ihren späteren Ehemann, den aus Aachen stammenden Schneidergesellen Heinrich von Kempen kennenlernt.
Im Frühjahr 1914 – wenige Monate vor der Geburt ihres jüngsten Bruders Friedel – wird Martha von Heinrich schwanger. Gut möglich deshalb, dass die beiden für den Sommer ihre Hochzeit planen. Dazu kommt es jedoch zunächst nicht: Das Attentat von Sarajevo löst Anfang August den Ersten Weltkrieg aus, an dem Heinrich von Beginn an teilnimmt. Erst am 22. Dezember 1914 findet die Trauung statt, eine Woche vor der Geburt von Sohn Enno.
Wie oft Heinrich im Laufe der folgenden vier Jahre nach Hause kommt, ist nicht überliefert. Als Schneider ist er nicht im Fronteinsatz, sondern arbeitet nach einer kurzen militärischen Ausbildung im Bekleidungsamt in Leipzig. Martha wohnt in dieser Zeit in Vielstedt, dürfte sich aber mit Enno und der im Juni 1916 geborenen Tochter Wilma auch des Öfteren auf dem Hof ihrer Eltern in Hurrel aufhalten.
Vermutlich ist der Krieg noch nicht zu Ende, als Martha die ersten typischen Symptome von Tuberkulose verspürt. Auch wenn die Not im berüchtigten Steckrübenwinter in Hurrel und Vielstedt weniger groß ist als in den städtischen Ballungsgebieten, dürfte die allgemein schlechte Versorgungslage maßgeblich dazu beitragen, dass die Krankheit sich rasch verschlimmert und Martha schließlich am 27. März 1920 das Leben kostet. Beerdigt ist sie vier Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.