Heinrich Brockshus – Biographie

Heinrich Martin August Brockshus wird am 7. Januar 1867 als fünftes Kind von Hermann Brockshus und Gesine Brockshus auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Kerstin und Thomas Schwantje) geboren. Er ist der jüngere Bruder von Johann Christian Brockshus, Heinrich Diedrich Brockshus, Bernhard Brockshus und Aline Burkhart und der ältere Bruder von Johann Diedrich Brockshus. Darüber hinaus hat er mit Hermann Brockshus Jr., Johann Hinrich Brockshus, Gesine Margarete Brockshus und Mette Fischbeck vier ältere Halbgeschwister aus früheren Ehen seines Vaters.

Obwohl der Amerikanische Bürgerkrieg seit fast zwei Jahren vorüber ist, kommen die weiter in Nord und Süd gespaltenen USA Anfang 1867 noch immer nicht zur Ruhe. Im politischen Washington nimmt vor dem Hintergrund der Reconstruction der Streit zwischen Demokraten sowie gemäßigten und radikalen Republikanern weiter zu. Er kreist in erster Linie um die Person des demokratischen Präsidenten Andrew Johnson, der seinem ermordeten republikanischem Vorgänger Abraham Lincoln im April 1865 als dessen Vize-Präsident im Amt nachgefolgt ist: Nach Meinung vieler radikaler Republikaner betreibt Johnson eine zu Südstaaten-freundliche Politik und kümmert sich nicht ausreichend um die Rechte der aus der Sklaverei befreiten Afroamerikaner.

Zu den erbittertsten Gegnern des Präsidenten gehört James Mitchell Ashley. Der für einen Bezirk in Ohio ins Repräsentantenhaus gewählte radikale Republikaner verdächtigt Johnson, an der Ermordung Lincolns als Mitwisser beteiligt gewesen zu sein und wirft ihm überdies vor, sein Amt zugunsten reicher Plantagenbesitzer im Süden zu missbrauchen. Deshalb bringt er im Januar 1867 ein Amtsenthebungs-Verfahren auf den Weg.

Bei gemäßigten Parteifreunden stößt Ashley damit allerdings auf wenig Gegenliebe. Manche von ihnen fürchten nach einem Sturz Johnsons eine noch stärkere Radikalisierung der weißen Südstaaten-Bevölkerung. Tatsächlich verzeichnet der Ende 1865 von ehemaligen Offizieren der Konföderierten-Armee gegründete Ku-Klux-Klan in Staaten wie Georgia, Alabama oder Tennessee enormen Zulauf und verfügt Anfang 1867 angeblich bereits über mehrere hunderttausend Mitglieder. Mit der Wahl des Ex-Südstaaten-Generals Nathan Bedford Forrest zum „Großen Hexenmeister“ gibt sich der für zahlreiche Morde an Schwarzen und mit den Republikanern sympathisierenden „Scalawags“ verantwortliche Geheimbund daraufhin erstmals eine überregionale Struktur. Vor diesem Hintergrund scheitert letztlich Johnsons Abwahl – wenn auch denkbar knapp. Bei der entscheidenden Abstimmung am 16. Mai 1868 fehlt lediglich eine einzige Stimme.

Dass die Auseinandersetzungen auf der anderen Seite des Atlantiks in Heinrichs Familie im Detail verfolgt werden, ist eher unwahrscheinlich. Etwas genauer als andere dürften Vater Hermann und Mutter Gesine allerdings schon hinschauen, denn Heinrichs ältester Halbbruder Hermann Jr. ist Anfang 1864 noch während des Bürgerkriegs in die USA ausgewandert und lebt seither in Iowa. Der zweite Halbbruder Johann Hinrich nimmt nur wenige Monate nach Heinrichs Geburt denselben Weg, und schon im April 1869 steht der nächste Abschied an: Auch Halbschwester Mette und Bruder Johann Christian machen sich bereit für die große Überfahrt. Dabei scheint insbesondere Heinrich und der damals 15-jährigen Mette die Trennung voneinander schwerzufallen: Erzählungen aus der Familie zufolge verbindet beide seit Heinrichs Geburt ein sehr inniges Verhältnis.

Heinrichs im Dezember 1871 geborener Bruder Johann Diedrich stirbt – wie zuvor schon der ältere Bruder Heinrich Diedrich – wenige Wochen nach der Entbindung. Gemäß dem Jüngstenrecht in der Gemeinde Hude wäre Heinrich also legitimer Erbe des 1793 begründeten Brockshus-Hofes. Ob der Antritt dieses Erbes je eine Option ist, lässt sich heute nicht mehr mit Gewissheit sagen. Doch obwohl nahezu parallel zu Johann Diedrichs Tod die Nachricht aus den USA eintrifft, dass Halbbruder Johann Hinrich nur fünf Jahre nach seiner Auswanderung in Iowa verstorben ist, scheinen die sonstigen Botschaften von der anderen Seite des Atlantiks ganz überwiegend positiver Natur zu sein. Vermutlich steht deshalb für Heinrichs Eltern schon vor dessen Einschulung fest, die Verbindung zum immer noch sehr obrigkeitsstaatlich regierten Deutschland über kurz oder lang ganz zu kappen und mit der kompletten Familie auszuwandern. Dass in diesen Überlegungen der beim Verkauf des Hofes zu erzielende Kaufpreis eine wichtige Rolle bei der Finanzierung der Schiffs-Tickets spielt, liegt auf der Hand.

Das große Abenteuer Atlantik-Überquerung beginnt für Heinrich im Alter von 13 Jahren mit der Fahrt von Bremerhaven nach London. Kurz nach der Ankunft schnappt er mündlichen Überlieferungen zufolge sein erstes englisches Wort auf: below. Die Hafenarbeiter, die das Schiff mit frischer Kohle versorgen, rufen es, wenn sie mit ihrer Schubkarre das Ende der Planke erreichen und ihre Ladung in die dafür vorgesehene Öffnung plumpsen lassen. Während der knapp vierwöchigen Seereise freundet sich Heinrich mit einigen Mitgliedern der Crew an, die ihn ins Herz schließen und oft mit ihm herumalbern.

Nach der Ankunft in New York geht es für Heinrich, seine Eltern und die beiden älteren Geschwister Bernhard und Aline mit dem Zug weiter ins rund 1.600 Kilometer westwärts gelegene Iowa. Dort haben sich Hermann Jr. und Johann Christian mit der befreundeten, aus Lintel stammenden Familie von Johann Hinrich Petershagen in der Nähe von Williamsburg niedergelassen. Hermann Jr. ist inzwischen mit Meta Petershagen verheiratet. Zum erhofften Wiedersehen mit Halbschwester Mette kommt es allerdings vorerst nicht: Sie ist nach ihrer Hochzeit mit Eilert Fischbeck nach Kansas weitergezogen.

In den ersten Jahren in der neuen Heimat wohnt Heinrich mit seinen Eltern und den leiblichen Geschwistern in Homestead und besucht unter anderem eine Schule in den Amana-Kolonien. Im Laufe des Jahres 1889 kauft er eine Farm im York Township, sieben Meilen östlich von Williamsburg. Dort lernt er Bertha Lösekann kennen, die 1893 – ermuntert vom Beispiel ihres ältesten Bruders Hermann Georg – aus dem von Hurrel nur 15 Kilometer entfernt liegenden Huntebrück in die USA ausgewandert ist.

Heinrich und Bertha heiraten im Februar 1895 und bekommen insgesamt 13 Kinder: Gesine (Dezember 1895), Anna Johanna (Juni 1897), Carl (Mai 1899), Lillie (April 1901), Henry (März 1903), Martha (März 1905), John (März 1907), Bertha Anna (März 1909), Elesa (März 1911), Paul (Juni 1913), Verna (Januar 1916), Alfred (Oktober 1917) und Arnold (November 1921). Bis auf Bertha Anna erreichen alle das Erwachsenenalter, wobei Henry Anfang 1928 an einer Lungenentzündung stirbt. Kurz nach der Geburt von Verna Anfang 1916 kommt es endlich zum langersehnten Treffen mit Halbschwester Mette, die mittlerweile in Oklahoma wohnt und einige Monate zuvor ihren Ehemann verloren hat.

Obwohl die USA und Deutschland sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg auf gegnerischen Seiten stehen, hält Heinrich über all die Jahre hinweg brieflichen Kontakt in die alte Heimat. Kurz nach der Kriegserklärung Deutschlands an die USA im Dezember 1941 übergibt er seine Farm an den jüngsten Sohn Arnold und zieht mit Bertha nach Williamsburg. Dort stirbt Heinrich am 20. Januar 1950 im Alter von 83 Jahren. Beerdigt ist er wenige Tage später auf dem Immanuel Lutheran Cemetery in Williamsburg.