Mathilde Münstermann – Biographie

Elise Mathilde Münstermann – Rufname Mathilde – wird am 19. Juni 1888 als siebtes Kind von Hermann Ahrens und Anna Katharina Ahrens auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Rolf Ahrens und Sonja Kosmann) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Catharine Gesine Ahrens, Sophie Ahrens, Helene Ahrens, Johann Gerhard Ahrens, Heinrich Ahrens und Gesine Ahrens und die ältere Schwester von Hermann Friedrich Ahrens und Johann Ahrens. Mit Meta Ahrens, Adeline Marks und Anna Gesine Ahrens hat sie noch drei ältere Halbschwestern aus der ersten Ehe ihres Vaters mit Margarete Elise Schweers.

Einen Tag vor Mathildes Geburt wird in Potsdam Kaiser Friedrich III. zu Grabe getragen. Es ist im 1871 ausgerufenen Deutschen Reich das zweite Monarchen-Begräbnis innerhalb weniger Monate, was das Jahr 1888 als Drei-Kaiser-Jahr in die deutsche Geschichte eingehen lässt. Friedrich hatte erst am 9. März seinen 90-jährigen Vater Wilhelm I. beerbt, war zu diesem Zeitpunkt aber bereits unheilbar an Kehlkopfkrebs erkrankt. Sein ältester Sohn Friedrich Wilhelm Viktor Albert von Preußen besteigt daraufhin als Wilhelm II. den Thron.

Bis heute streiten Historiker darüber, ob eine längere Regentschaft Friedrichs die deutsche Geschichte maßgeblich verändert hätte. Viele progressive und politisch aktive Zeitgenossen wie der für die Deutsche Freisinnige Partei im Reichstag sitzende Arzt Rudolf Virchow sehen in ihm einen liberalen Hoffnungsträger, der das deutsche, stark auf die Person des Kaisers zugeschnittene Regierungssystem ein Stück weit der mehr parlamentarisch geprägten britischen Monarchie annähern könnte – beeinflusst unter anderem von Ehefrau Victoria, einer Tochter der britischen Königin Victoria. Gespeist werden diese Hoffnungen unter anderem von diversen Äußerungen Friedrichs zur Pressefreiheit, aber auch durch sein konsequentes Eintreten für Minderheiten wie das Judentum. Inwieweit sich allerdings diese Haltung später in praktischer Regierungspolitik widergespiegelt hätte, ist und bleibt reine Spekulation.

Tatsächlich hat Friedrich, bei Amtsantritt durch einen kurz zuvor vollzogenen Luftröhrenschnitt bereits stumm, in den 99 Tagen seiner Regentschaft kaum Einfluss genommen. Für größere Unruhe in konservativen Kreisen sorgt lediglich die Bereitschaft, in die Hochzeit seiner seit 1883 mit Bulgariens ehemaligem Monarchen Alexander von Battenberg verlobten Tochter Viktoria einzuwilligen – eine Verbindung, die Viktorias Bruder Wilhelm und Reichskanzler Otto von Bismarck aus außenpolitischen Erwägungen heraus strikt ablehnen. Zu den ersten Amtshandlungen des neuen Kaisers Wilhelm II. gehört es denn am 17. Juni 1888 auch, die Verlobung seiner Schwester mit Battenberg offiziell zu lösen.

Ungeachtet aller Machtkämpfe im Hintergrund dürfte Friedrichs Tod in Hurrel ähnlich große Betroffenheit auslösen wie überall im Reich. Gut möglich deshalb, dass Mathilde im späteren Verlauf ihres Lebens noch häufiger auf den engen zeitlichen Zusammenhang mit diesem Ereignis angesprochen wird. Dass sie es ist, die in jenen turbulenten Tagen auf dem Ahrens-Hof im Mittelpunkt steht, bedarf jedoch keiner weiteren Erläuterung – mag die Familie nach ihrer Geburt auch schnell wieder zum Tagwerk übergehen. Letzteres wiederum wird bestimmt durch harte körperliche Arbeit, die jeweilige Wetterlage und die Bedürfnisse der gehaltenen Tiere. Wozu auf dem Ahrens-Hof auch Schafe gehören, denn ein großer Teil des Besitzes besteht Ende des 19. Jahrhunderts noch aus unkultiviertem Heideland.

Im Juni 1888 leben mit Helene, Johann Gerhard und Gesine schon drei von Mathildes Geschwistern nicht mehr – Todesursache ist mutmaßlich Tuberkulose. Im Mai 1891 stirbt auch die 1878 geborene Schwester Sophie. Das engste Verhältnis innerhalb der Familie dürfte Mathilde zu ihrem 1889 geborenen Bruder Hermann Friedrich haben. Mit ihm besucht sie sechs oder sogar sieben Jahre lang gemeinsam den Schulunterricht – zunächst im Nachbardorf Lintel, von 1897 an dann im neuerbauten Hurreler Schulgebäude, das im Zentrum des Dorfes dem Gasthof von Carl Busch (heute: Hajo und Dagmar Mehrings) gegenüberliegt. Zu Mathildes in etwa gleichaltrigen Mitschülerinnen gehören neben den drei Gastwirtstöchtern Emma, Frieda und Adele Busch unter anderem Gesine Rüdebusch und deren Schwester Martha.

Nach Schulentlassung und Konfirmation arbeitet Mathilde vermutlich zunächst weiter auf dem elterlichen Hof. Darauf deutet zumindest ein um 1906 herum aufgenommenes Foto hin, das sie zusammen mit ihren Eltern, den beiden jüngeren Brüdern und dem als Hoferben vorgesehenen Bruder Heinrich zeigt. Vater Hermann ist zu diesem Zeitpunkt bereits über 70 Jahre alt, er stirbt im März 1911 im Alter von 78 Jahren. Nur ein Jahr später – sieben Tage nach Mathildes 24. Geburtstag – stirbt überraschend auch der jüngste Bruder Johann an einem Herzschlag.

Wann und bei welcher Gelegenheit Mathilde ihren künftigen Ehemann Dietrich Münstermann kennenlernt, liegt heute im Dunkeln. Dietrich stammt aus Kirchkimmen und hat 1910 in Hurrel auf einem von Dietrich Schütte gekauften Grundstück an der Bremer Straße ein Haus (heute: Karl-Heinz Ziessow und Sibylle Deutsch) errichtet. Als gelernter Maurer ist er auch auf diversen anderen Baustellen im Dorf unterwegs und hilft möglicherweise auch auf dem Ahrens-Hof bei der zu dieser Zeit vorgenommenen Modernisierung des 1607 errichteten Haupthauses.

Wie hunderttausenden oder gar Millionen anderen Paaren in ganz Europa kommt Mathilde und Dietrich bei ihren Plänen im Sommer 1914 der Erste Weltkrieg in die Quere. So sind sie zwar verlobt, aber eben noch nicht verheiratet, als Dietrich zur Armee eingezogen und dem Pionier-Bataillon 27 in Trier zugeordnet wird. Später ist er dann in Litauen und an anderen Schauplätzen der Ost- und Westfront im Einsatz. Bis zum ersehnten Kriegsende im November 1918 schickt er mehr als 40 Feldpostkarten an seine Verlobte, die Mathilde zusammen mit den Karten ihrer Brüder, Vettern und ehemaligen Klassenkameraden fein säuberlich einem speziell dafür vorgesehenen Album anvertraut.

Der Krieg stellt in Hurrel wie andernorts nicht nur den Alltag der Männer auf den Kopf, er verlangt auch den in der Heimat verbliebenen Frauen einiges ab. Wer, wenn nicht sie, soll die auf den Höfen anfallende Arbeit erledigen? Da beide Brüder eingezogen wurden, haben Mathilde und ihre bei Kriegsausbruch 62 Jahre alte Mutter in der Folge alle Hände voll zu tun. Zu allem Unglück zieht sich Anna Katharina Ahrens im Sommer 1916 eine Lungenentzündung zu, der sie – körperlich möglicherweise bereits nicht mehr in bester Verfassung – wenig später erliegt. Unterstützung in dieser schweren Zeit erhält Mathilde vermutlich unter anderem aus der Familie ihres Onkels Johann Friedrich Tönjes, der einen vom Ahrens-Hof knapp einen Kilometer entfernten Betrieb (heute: Heiko Pflug) bewirtschaftet.

Der Waffenstillstand von Compiègne beendet zwar das massenhafte Sterben an der Front, beschwört aber in der nach der militärischen Niederlage gleich zweimal ausgerufenen Republik vielerorts bürgerkriegsähnliche Verhältnisse herauf. Das Wichtigste aus Mathildes Sicht ist jedoch, dass ihr Verlobter heil aus den Schützengräben zurückgekehrt ist, und so stehen sie und Dietrich am 22. April 1919 in Hude vor dem Traualtar. Fast zeitgleich, am 8. April 1919, heiratet Bruder Heinrich Anna Rüdebusch aus Kirchkimmen. Während die Schwägerin Mathildes Platz auf dem Ahrens-Hof einnimmt, zieht sie selbst zu Dietrich an die Bremer Straße und betreibt dort in kleinem Rahmen weiter Landwirtschaft. Dietrich arbeitet derweil wieder als Maurer.

Ob angesichts von Hyperinflation und Weltwirtschaftskrise gewollt oder – was wahrscheinlicher ist – ungewollt, die Ehe zwischen Mathilde und Dietrich bleibt kinderlos. Irgendwann nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten erkrankt Mathilde dann schwer und wird ähnlich wie ihr zu dieser Zeit bereits im Rollstuhl sitzender Bruder Heinrich zum Pflegefall. Sie stirbt am 21. März 1938. Beerdigt ist Mathilde vier Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.