Hermann Janzen – Biographie

Hermann Diedrich Janzen wird am 28. Februar 1870 als sechstes Kind von Johann Hinrich Janzen und Christine Janzen auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Rita Wiemer) geboren. Er ist der jüngere Bruder von Heinrich Janzen, Gesine Margarete Harms, Christine Meyer genannt Schumacher, Johanne Gesine Bischoff und Gerhard Hinrich Friedrich Janzen und der ältere Bruder von Christine Sophie Janzen und Anna Henriette Janzen.

Sechs Tage vor Hermanns Geburt findet in Berlin die Gründungsversammlung der Deutschen Bank statt. Die Initiative dafür geht zurück auf den Bankier Adelbert Delbrück, der mit dem neuen, als Aktiengesellschaft organisierten Institut die Abhängigkeit des deutschen Außenhandels von britisch dominierten Banken beenden möchte und im nationalliberalen Reichstags-Abgeordneten Ludwig Bamberger einen einflussreichen Mitstreiter gefunden hat. Auch Preußens Ministerpräsident Otto von Bismarck steht dem Projekt wohlwollend gegenüber, so dass Kaiser Wilhelm I. schon am 10. März 1870 seine Zustimmung zum Gründungsstatut gibt. Vier Wochen später nimmt die Deutsche Bank in einem zweigeschossigen Mietshaus in der Französischen Straße ihren Geschäftsbetrieb auf.

Wie reif die Zeit für ein derartiges Institut ist, können Delbrück und Bamberger im Frühjahr 1870 noch nicht ahnen. Nach dem gewonnenen Krieg gegen Frankreich und der Proklamation des Deutschen Reiches Anfang 1871 kommt der wirtschaftliche Erfolg schneller als erwartet. Viel Geld verdient die neue Bank außer im Außenhandel unter anderem am Verkauf der staatseigenen Silberbestände, für den sie nach der Einführung des Goldstandards den Auftrag erhält. Der Eröffnung von Filialen in Shanghai und Yokohama 1872 folgt ein Jahr später eine Zweigstelle in London. Den Gründerkrach von 1873 – eine Reaktion auf die überschäumende Konjunktur nach der Reichsgründung – übersteht sie besser als viele Wettbewerber, weil sie noch keine größeren industriellen Beteiligungen besitzt. Unterm Strich gehört die Deutsche Bank in diesem Zeitraum sogar zu den Krisengewinnern, kann sie doch gleich mehrere Konkurrenten günstig aufkaufen. Schon 1876 überholt sie dadurch die bisherigen Marktführer Disconto-Gesellschaft und Dresdner Bank und steigt zur größten Bank des Kaiserreichs auf.

Die Deutsche Bank finanziert nicht nur Geschäftskunden, sondern bietet auch Spar- und Girokonten an und buhlt so um dieselbe Klientel wie die Sparkassen oder die im Entstehen begriffenen Kreditgenossenschaften von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, Hermann Schulze-Delitzsch und Wilhelm Haas. Ihre erste Filiale außerhalb Berlins entsteht übrigens nicht im Fernen Osten oder in einer der Finanzmetropolen der damaligen Zeit, sondern am 1. Juli 1871 in Bremen. Die Hansestadt an der Weser ist damals eine der Drehscheiben für den Übersee-Handel – egal, ob es um Kaffee, Tabak oder Baumwolle geht.

Mag die Deutsche-Bank-Filiale in der Bremer Katharinenstraße von Hermanns Elternhaus in Hurrel auch nur knapp 30 Kilometer entfernt sein: Zwischen ihr und dem Alltag seiner Familie liegen Welten. Ans Sparen etwa dürfte für Vater Johann Hinrich angesichts von acht zwischen 1857 und 1874 geborenen Kindern kaum zu denken sein. Hinzu kommt, dass der von ihm bewirtschaftete Boden im Hurreler Sand – Nomen est omen – von eher minderwertiger Qualität ist. Gekauft hat die Hofstelle 1819 Hermanns Großvater Cord Hinrich Janzen. Mehr als 60 Jahre später wohnt die Familie noch immer in einem Heuerhaus, das ursprünglich Tönjes Hinrich Wübbenhorst, der einstige Eigentümer des heutigen Ganteföhr-Hofes in der Ortsmitte, 1816 am nördlichen Dorfrand errichtet hat.

Angesichts der ärmlichen Verhältnisse grenzt es fast schon an ein Wunder, dass neben Hermann auch alle sieben Geschwisterkinder das Erwachsenenalter erreichen. Anfangs zusammen mit der späteren Hoferbin Johanne Gesine und Bruder Gerhard Hinrich Friedrich sowie später mit den beiden jüngeren Schwestern besucht Hermann vermutlich von 1876 an knapp drei Kilometer entfernt gelegene Volksschule in Lintel. Dort gehören aus Hurrel unter anderem Bernhard Haverkamp, Diedrich Heinemann, Gerhard Friedrich Heinemann und Johann Hinrich Stolle zu seinen in etwa gleichaltrigen Mitschülern.

Wo Hermann die ersten Jahre nach Schulabschluss und Konfirmation verbringt, liegt heute im Dunkeln. Wie damals üblich, leistet er irgendwann zwischen 1888 bis 1895 seinen Militärdienst ab – allerdings nicht wie viele seiner ehemaligen Schulkameraden beim Oldenburgischen Infanterie-Regiment Nr. 91 oder beim Oldenburgischen Dragoner-Regiment Nr. 19, sondern bei der Fußartillerie im mehr als 600 Kilometer entfernten Straßburg. Seine künftige, sechs Jahre jüngere Ehefrau Gesine Finke lernt Hermann vermutlich erst nach der Rückkehr kennen.

Gesines Eltern Johann Heinrich Friedrich Finke und Gesine Finke gehören zur ersten Siedler-Generation im nordöstlich von Hude liegenden Moorgebiet, das 1852 den Namen „Colonie Hudermoor“ bekommen hat. In ihre 1859 begründete Hofstelle an der Königstraße heiratet Hermann im April 1897 ein. An den Tag der Hochzeit erinnert er sich auch 60 Jahre später noch genau – oder vielmehr an die Tage der Hochzeit. Wie Hermann und Gesine der Nordwest-Zeitung anlässlich ihrer Diamantenen Hochzeit im April 1957 berichten, findet die standesamtliche Trauung am 26. April 1897 statt, die kirchliche Trauung in der St.-Elisabeth-Kirche einen Tag später. Das sei in der damaligen Zeit eher unüblich gewesen, aber aufgrund eines Trauerfalls im Helferkreis nicht anders gegangen. Sehr gut erinnern sich die Jubilare auch noch daran, dass der Frühling 1897 schon früh einsetzt, es im Mai aber noch einmal Schnee und Eis gibt.

Aus der Ehe gehen zwischen 1898 und 1912 mit Gesine Christine, Hinrich, Heinrich, Gesine, Magda, Käte und Helmut sieben Kinder hervor. Sowohl die älteste Tochter als auch der jüngste Sohn sterben jedoch noch im Säuglingsalter. Begleitet ist diese Zeit von harter Arbeit – gilt es doch, dem Moor Stück für Stück weiteren Siedlungsraum abzugewinnen.

Mitten hinein in diese Pionier-Aufgabe platzt im Sommer 1914 der Erste Weltkrieg. An dessen Kämpfen nimmt Hermann, obwohl inzwischen 44 Jahre alt, noch aktiv teil. Mag er selbst auch unversehrt in die Heimat zurückkehren, so reißt der Krieg in der Familie doch gewaltige Lücken: Auf dem Ehrenmal für die Opfer seines Geburtsortes Hurrel stehen mit Friedrich Meyer genannt Schumacher, Heinrich Meyer genannt Schumacher, Herbert Meyer genannt Schumacher, Johann Meyer genannt Schumacher, Rudolf Meyer genannt Schumacher und Heinrich Bischoff nicht weniger als sechs von Hermanns Neffen.

Im September 1919 stirbt in Hudermoor Schwiegermutter Gesine im Alter von 84 Jahren (Schwiegervater Johann Heinrich Friedrich lebt bereits seit 1901 nicht mehr). In den 1920er und 1930er Jahren arbeitet Hermann dann weiter mit auf dem später vom jüngsten Sohn Heinrich und dessen Ehefrau Henni übernommenen Hof, dessen Bewirtschaftung durch den Einsatz von Kunstdünger zunehmend ertragreicher wird. Auch der 1924 unmittelbar nach Ende der Hyperinflation erfolgte Anschluss der Königstraße an das Huder Stromnetz erleichtert Hermann und seiner Familie das Leben – mögen angesichts der bald darauf ausbrechenden Weltwirtschaftskrise, der Machtübernahme der Nationalsozialisten, dem von ihnen entfesselten Zweiten Weltkrieg und dem kompletten Zusammenbruch der staatlichen Ordnung im Frühjahr 1945 auch weitere schwere Zeiten folgen.

Als es 14 Monate nach der im April 1947 lediglich innerhalb der Familie gefeierten Goldenen Hochzeit mit der Währungsreform auch in der Landwirtschaft endlich wieder aufwärts geht, ist Hermann 78 Jahre alt. Die folgenden Jahre verbringt er mit Ehefrau Gesine weiter auf dem Janzen-Hof, wo das Paar 1957 seine bereits erwähnte Diamantene Hochzeit begeht und außer von den fünf überlebenden Kindern sowie von Nachbarn und Freunden die Glückwünsche von 16 Enkel- und vier Urenkelkindern entgegennehmen kann. Eine größere Feier findet allerdings auch dieses Mal nicht statt: Dafür fühlen sich beide Jubilare gesundheitlich nicht mehr fit genug.

Hermann stirbt am 26. Januar 1960, vier Wochen vor seinem 90. Geburtstag. Beerdigt ist er drei Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.