Anna Hobbie – Biographie

Anna Adele Hobbie wird am 29. Januar 1911 als fünftes Kind von Johann Wilhelm Witte und Martha Gesine Witte auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Hans und Heike Burgmann) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Wilhelm Witte, Johanne Stolle, Heinrich Witte und Alma Klara Witte und die ältere Schwester von Johann Witte.

In den Wochen vor Annas Geburt erreicht in der Mandschurei eine im Herbst 1910 ausgebrochene Lungenpest-Epidemie ihren Höhepunkt. Es ist das erste Mal seit dem Mittelalter, dass diese sehr ansteckende Pest-Art derart gehäuft auftritt. Übertragen wird sie vom Tarbagan-Murmeltier, im dünn besiedelten Grenzgebiet von Russland, China und der Mongolei eine seit jeher begehrte Jagdbeute. Einheimische Jäger wissen um die Gefahr, die von den Nagern ausgeht, und haben im Laufe der Zeit Techniken entwickelt, gesunde von kranken Tieren zu unterscheiden. Seit einigen Jahren boomt jedoch der weltweite Pelzhandel, im Auftrag international tätiger Gesellschaften strömen immer mehr Ortsfremde in die Region. Nach erfolgreicher Häutung landet deshalb so manches Exemplar im Kochtopf, das dort definitiv nicht hineingehört.

Die rasche Ausbreitung begünstigen dann gleich mehrere Faktoren. Zum einen die gestiegene Mobilität: Mit der Eisenbahn legen die Pelzjäger in kurzer Zeit große Entfernungen zurück und tragen den Pest-Erreger in weit entfernte Ballungsgebiete. Dort findet er angesichts der oft horrenden Hygiene-Bedingungen nahezu ideale Bedingungen vor. Zum anderen reagieren die Behörden auf die Ausbreitung relativ spät, und ein Teil der Bevölkerung lehnt die danach oft nur unzureichend erklärten Vorgaben rigoros ab. Richtig Fahrt auf nimmt die Epidemie, als sich im Vorfeld des am 30. Januar 1911 gefeierten Neujahrsfestes zigtausende chinesische Wanderarbeiter auf den Weg zu ihren Familien machen und dabei die eilig eingerichteten, mit Quarantäne drohenden Kontrollstationen systematisch meiden. Am Ende fordert die Epidemie so schätzungsweise mehr als 60.000 Tote.

Im Deutschen Reich ist zeitweise die von einigen bewusst reißerisch formulierten Zeitungsartikeln befeuerte Angst vor einem Übergreifen der Epidemie groß – schließlich existiert an Chinas Ostküste seit 1898 das Pachtgebiet Kiautschou mit mehreren tausend deutschen Marinesoldaten. Da es zwischen ihnen und der einheimischen Bevölkerung kaum Kontakte gibt, droht von dort aus aber keine echte Gefahr. Gleichwohl entsendet die Reichsregierung in Berlin neben Japan, den USA und weiteren europäischen Nationen namhafte Experten zu einer Anfang April 1911 in Shenyang abgehaltenen Fachkonferenz, die Lehren aus dem Seuchenzug aufzeigen soll. Dabei würdigen die Teilnehmer unter anderem die Rolle des vor Ort tätigen Mediziners Wu Lien-teh, dessen beharrlich durchgesetzte Hygiene-Maßnahmen wie das Tragen von Stoffmasken und Leichenverbrennungen einhelliger Meinung zufolge Schlimmeres verhindert haben.

Dass sich todbringende Seuchen rasend schnell verbreiten können, bekommen nur sieben Jahre später auch die Deutschen zu spüren: Zwischen 1918 und 1920 zieht die Spanische Grippe durchs Land und fordert zwischen Konstanz und Königsberg groben Schätzungen zufolge mehr als 300.000 Menschenleben. Unter dem Eindruck des gerade mit mehr als zwei Millionen Toten allein auf deutscher Seite zu Ende gegangenen Ersten Weltkriegs gerät diese Tragödie in den Anfängen der auf den Trümmern des Kaiserreichs errichteten Weimarer Republik jedoch beinahe zur Nebensache.

Definitiv keine Nebensache ist für Anna und ihre Familie in Hurrel der Tod der Mutter: Martha Gesine Witte stirbt 1920 im Alter von nur 41 Jahren. Fortan führt vermutlich die 1904 geborene Schwester Johanne den Haushalt, während sich der noch einmal zwei Jahre ältere Bruder Wilhelm auf die Hof-Nachfolge vorbereitet. Obwohl erst neun Jahre alt, muss aber wohl auch Anna nach diesem Einschnitt ordentlich mit anpacken.

Sehr wahrscheinlich im Frühjahr 1925 beendet Anna die örtliche Volksschule, wo sie unter anderem Erna Barkemeyer, Anni Bleckwehl, Marie Janzen, Erna Lange und Elli Rüdebusch nahezu die gesamte Schulzeit über begleitet haben. Über die folgenden, durch den Ausbruch der Weltwirtschaftskrise und die Machtübernahme der Nationalsozialisten geprägten Jahre in Annas Leben ist in der Familie nur noch wenig bekannt. Gut möglich, dass sie weiter auf dem väterlichen Hof mitarbeitet und von 1928 an mehr oder weniger an die Stelle von Schwester Johanne tritt, die Hurrel nach ihrer Heirat mit Heinrich Stolle Richtung Klattenhof verlässt. Vielleicht geht sie aber auch andernorts in Stellung und lernt dadurch ihren künftigen Ehemann Helmut Hobbie aus Streekermoor kennen. Letzterer arbeitet zu Beginn der 30er Jahre in der Ziegelei von Friedrich Knabe in Kirchkimmen, also nur knapp drei Kilometer von Annas Elternhaus entfernt.

Anna und Helmut heiraten am 22. November 1934. Da ist Anna bereits hochschwanger. Die am 5. Januar 1935 in Streekermoor geborene Tochter Hanna Wilhelmine lebt allerdings nur zwölf Tage. Über die Todesursache ist nichts weiter bekannt. Fast auf den Tag genau ein Jahr später wird Anna von ihrer zweiten Tochter Eva entbunden, bevor am 3. Mai 1938 mit Edith Gertrud noch ein weiteres Mädchen hinzukommt. Auch Edith Gertrud wird jedoch nur wenige Wochen alt und erlebt den Einzug der Familie in ein am Oldenburger Weg in Hurrel neu errichtetes Siedlungshaus (heute: Detmar Drieling) nicht mehr mit.

Annas neues Zuhause liegt in unmittelbarer Nähe des Witte-Hofes, den ihr Bruder Wilhelm inzwischen zusammen mit Ehefrau Gretchen bewirtschaftet. Vater Johann Wilhelm wohnt ebenfalls noch mit auf dem Hof, stirbt aber drei Jahre später – zu einem Zeitpunkt, als der von den Nationalsozialisten entfesselte Zweite Weltkrieg mit dem Angriff auf die Sowjetunion die nächste Eskalationsstufe erreicht. Längst ist da auch Helmut Hobbie schon zur in ganz Europa kämpfenden Wehrmacht eingezogen. Wie oft Anna ihren Ehemann bis zu seinem Tod – er kommt im Oktober 1944 beim Fliegerangriff auf seinen Truppen-Transporter im Mittelmeer ums Leben – noch um sich hat, lässt sich nur vermuten.

Für Anna als Kriegswitwe sind die ersten Nachkriegsjahre alles andere als eine einfache Zeit. Der enge Kontakt zu Bruder Wilhelm und Schwägerin Gretchen sowie zu vom gleichen Schicksal betroffene Nachbarinnen wie Martha Wachtendorf oder Anni Meyer hilft allerdings über manches hinweg. Materiell kommt Anna zudem mit Eva einigermaßen gut über die Runden: Zwei Kühe, einige Schweine und ein großer Gemüsegarten machen sie bis weit in die 50er Jahre hinein zur Selbstversorgerin, die nicht viel Geld zum Leben braucht.

Im Mai 1955 heiratet Tochter Eva Diedrich Drieling aus Hiddigwardermoor. Daraufhin vermietet Anna ihr Haus an die Familie von Diedrich Ennen und zieht auf den Hof ihres Schwiegersohns. Dort leben allerdings mit Diedrichs Mutter Anna Drieling, Großmutter Johanne Burhop und der unverheirateten Tante Else Burhop drei weitere Frauen – eine Konstellation, von der rasch abzusehen ist, dass sie auf längere Sicht nicht funktionieren wird. Deshalb kehrt Anna schon nach wenigen Monaten nach Hurrel zurück und richtet sich im zunächst ebenfalls vermieteten Obergeschoss ihres Hauses neu ein. Darauf beschränkt sie sich auch, als Diedrich Ennen und Ehefrau Hinrike Anfang 1961 in Vielstedt eine neue Bleibe finden. Es folgt eine längere Phase mit wechselnden Untermietern, bis schließlich 1977 Evas gerade 21 Jahre alt gewordener Sohn Detmar einzieht und wieder für etwas Kontinuität in der Wohnsituation sorgt.

Im Juli 1981 heiratet Detmar Inge Klattenhoff aus Adelheide. Die Geburt von Urenkel Torsten erlebt Anna noch mit, nicht aber die Ankunft von dessen Bruder Christian und den Kindern ihres zweiten Enkels Dieter Drieling. Anna stirbt am 17. November 1987 nach längerer Krankheit im Haushalt von Tochter Eva in Hiddigwardermoor. Beerdigt ist sie drei Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.