Hinrike Ennen wird am 2. April 1903 als zweites Kind von Johann Weerts und Margarete Weerts auf dem elterlichen Hof in Willen bei Wittmund geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Lissy Andresen und die ältere Schwester von Heinrich Weerts, Johann Weerts und Hans Weerts.
Einen Tag vor Hinrikes Geburt tritt im Deutschen Reich ein für sämtliche Mitgliedsstaaten verbindliches Fleischbeschau-Gesetz in Kraft. Das im Juni 1900 vom Reichstag verabschiedete Regelwerk verfügt, dass das zum menschlichen Verzehr bestimmte Fleisch von Rindern, Schweinen, Schafen, Ziegen, Pferden und Hunden vor und nach der Schlachtung von einem amtlich bestellten Sachverständigen auf seine Unbedenklichkeit hin untersucht werden muss. Heute eine Selbstverständlichkeit, die aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts erst ganz wenige Länder gesetzlich geregelt haben.
Am selben Tag führt die Dresdner Polizei ein Verfahren ein, das heute ebenfalls jedem geläufig ist – die Daktyloskopie genannte Täter-Erkennung per Fingerabdruck. Anders als bei der Fleischbeschau hinkt Deutschland in diesem Bereich international aber zunächst eher hinterher. Nachdem 1892 in La Plata weltweit erstmals ein Mordfall mit Hilfe eines Fingerabdrucks gelöst wurde, führte Argentinien die von den Briten Henry Faulds und William James Herschel entwickelte Methode bereits 1896 landesweit ein. Großbritannien folgte nach guten Erfahrungen in Britisch-Indien 1901. Im Deutschen Reich hingegen bleibt die Daktyloskopie lange Zeit ein auf Sachsen und wenige andere Regionen beschränktes Pilotprojekt. Im Königreich Preußen etwa, zu dem Hinrikes Heimat Ostfriesland gehört, arbeitet die Polizei einer im Oktober 1912 erstellten Statistik zufolge in weniger als 100 von 1104 Amtsgerichtsbezirken mit dem neuen Verfahren. Im benachbarten Großherzogtum Oldenburg kommt es 1912 noch überhaupt nicht zur Anwendung.
Ein Ereignis, das für Hinrikes Umfeld langfristig wesentlich größere Bedeutung hat, nimmt bereits am 31. März 1903 seinen Lauf. An diesem Tag nämlich stiftet der im Ruhestand lebende Pastor Peter Friedrich Ludwig Hoffmann 50.000 Goldmark, um dafür in Wittmund und Esens je ein Krankenhaus zu bauen. Die im Januar 1905 eröffnete Wittmunder Einrichtung existiert bis heute, das nach seinem Spender Peter-Friedrich-Ludwig-Stift getaufte Krankenhaus in Esens dient seit 1998 als kirchliches Altenpflegeheim.
Ob in den folgenden Jahrzehnten je ein Mitglied aus Hinrikes Familie die Leistungen eines der beiden Häuser in Anspruch nehmen muss, liegt heute im Dunkeln – wie auch viele andere Details aus Hinrikes Kinder- und Jugendzeit. Überliefert ist lediglich, dass sie vermutlich ab Frühjahr 1909 die Willener Volksschule besucht und nach Schulabschluss und Konfirmation irgendwo auf einem Bauernhof in der näheren Umgebung in Stellung geht. Ob Vater Johann am 1914 ausbrechenden Ersten Weltkrieg teilnimmt, lässt sich nur vermuten. Falls ja, kehrt er in jedem Fall zurück und führt nach Kaiser-Sturz und Ausrufung der Republik seinen landwirtschaftlichen Betrieb weiter.
Den schwierigen, in der verheerenden Hyperinflation von 1923 gipfelnden Nachkriegsjahren folgt eine Phase, die heute leicht verklärend als die „Goldenen Zwanziger“ umschrieben wird. Das neue Lebensgefühl, das daraufhin vor allem in Metropolen wie Berlin oder München um sich greift, strahlt zwar nur relativ schwach in die entlegene ostfriesische Provinz aus. Doch auch zwischen Emden, Leer und Wittmund sehnen sich die Menschen nach Abwechslung vom nach wie vor oft tristen Alltag – und sei es lediglich für einige Stunden bei Musik und Tanz. Entsprechende Angebote haben Hochkonjunktur, und für Wittmund ist hier in erster Linie das an der Ausfallstraße Richtung Aurich liegende Ausflugslokal „Hof von Hannover“ zu nennen. Dort trifft Hinrike eines Abends auf ihren künftigen Ehemann Diedrich Ennen, der sich neben seiner Tätigkeit bei der Reichsbahn als Kellner noch etwas hinzuverdient. Aufgewachsen ist Diedrich auf einem Bauernhof in Angelsburg, gerade einmal einen Kilometer von Willen entfernt. Gut möglich also, dass beide sich auch schon bei früheren Gelegenheiten über den Weg gelaufen sind.
Im Herbst 1925 wird Hinrike schwanger, sie und Diedrich heiraten daraufhin im Dezember desselben Jahres in Wittmund. Danach heißt es Abschied nehmen aus der vertrauten Umgebung: Diedrich hat von der Reichsbahn das Angebot erhalten, nach Brake zu wechseln, wohin ihm Hinrike natürlich folgt. In der immerhin rund 70 Kilometer südöstlich gelegenen Weser-Stadt bringt sie im Juni 1926 Tochter Annette zur Welt. Dank der vergleichsweise gut ausgebauten Bahn-Verbindung zwischen den beiden Städten und der für Familienmitglieder von Eisenbahnern kostenlosen Mitfahrt droht der Kontakt in die ostfriesische Heimat allerdings nie abzureißen – auch nicht, als ab 1930 die aus den USA herüberschwappende Weltwirtschaftskrise den „Goldenen Zwanzigern“ ein jähes Ende bereitet.
In Brake kommen mit Johann (September 1928) und Doris (August 1930) zwei weitere Kinder hinzu. Danach geht es für Diedrich beruflich nach Hude, wo die Familie ein der Reichsbahn gehörendes Haus an der Hurreler Straße bezieht. Dort werden mit Cornelius (Mai 1932), Margret (Januar 1936) und Dieter (März 1937) noch einmal drei Kinder geboren. Während Diedrich im nahegelegenen Huder Bahnhof als Rangiermeister arbeitet, hat Hinrike also mehr als genug zu tun, zumal zum Haushalt auch noch einige Schweine, Schafe, Ziegen und Hühner gehören und sie zur Selbstversorgung einen direkt am Bahndamm angelegten Gemüsegarten bewirtschaftet.
Die politische Landschaft in Deutschland hat sich zwischen der Geburt von Cornelius und Margret radikal verändert. Die Weimarer Republik ist nach der Anfang 1933 erfolgten Machtübernahme der Nationalsozialisten einem Minderheiten und Andersdenkende brutal verfolgenden Terror-Regime gewichen – das ab 1937 auch nach außen immer aggressiver auftritt. Das geht mehr als zwei Jahre lang gut, doch mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 ist der Bogen überspannt und der Zweite Weltkrieg beginnt.
Als Eisenbahner mit sechs Kindern erhält Diedrich keine Einberufung zur Wehrmacht, die drei Söhne hingegen sind für eine Kriegsteilnahme noch zu jung. Insofern hat Hinrike vermutlich deutlich weniger Ängste auszustehen als die meisten anderen Frauen ihrer Generation. Dass die folgenden Jahre auch für sie alles andere als einfach sind, steht jedoch außer Frage. Dies umso mehr, als sie im Dezember 1942 mit der Geburt der jüngsten Tochter Erika noch einmal Mutter wird und in der Endphase des Krieges auch bislang zurückgestellte Männer sowie Jugendliche der Jahrgänge 1928 und 1929 zum Volkssturm eingezogen werden. Letztlich kann diese weitere unnötige Opfer fordernde Maßnahme die im Mai 1945 verkündete bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht nur um wenige Monate oder gar Wochen hinauszögern. Zu den schätzungsweise mehr als 60 Millionen Kriegstoten gehören am Ende auch Hinrikes Brüder Johann und Heinrich.
Unter britischer Besatzung nimmt die Reichsbahn ihren Betrieb relativ zügig wieder auf, was Hinrike und ihrer Familie den gleichwohl von zahlreichen Entbehrungen geprägten Neustart erleichtert. Mit der Währungsreform vom Juni 1948 kehrt dann ein Stück weit Normalität in den Alltag zurück, und nur wenige Monate später steht im Hause Ennen die erste Hochzeit vor der Tür: Tochter Annette heiratet Thomas Schmidt aus Hude. Bis auf Dieter und Erika verlassen in den folgenden Jahren auch die anderen Kinder den elterlichen Haushalt, bevor im Sommer 1955 die Pensionierung von Ehemann Diedrich den nächsten Lebensabschnitt einleitet. Er beginnt mit dem Umzug in ein von Anna Hobbie gemietetes Haus im Hurreler Sand (heute: Detmar Drieling). Weil die Hurreler Kriegswitwe, die künftig eigentlich bei ihrer Tochter Eva in Hiddigwardermoor wohnen wollte, nach einigen Monaten wieder zurückkehrt, beschränkt Hinrike sich mit ihrer Familie anders als ursprünglich geplant auf das Untergeschoss.
In Hurrel erlebt Hinrike die Hochzeit zweier Kinder: Cornelius heiratet im Mai 1956 Inge Weist aus Nordenholz, Margret im Juli 1959 Günther Mansholt aus Kirchkimmen. Kurz vor Dieters im März 1961 gefeierten Hochzeit mit Lisa Melius ziehen Hinrike, Diedrich und Erika dann nach Vielstedt, wo sie von Johann und Gerda Ruge ein Haus mieten. Dort haben sie dann bald reichlich Platz, denn im August 1961 heiratet auch Erika und zieht mit Ehemann Jürgen Brüning nach Hude.
Hinrikes Zeit in Vielstedt ist überschattet von gleich mehreren Verlusten: Im Oktober 1963 stirbt Sohn Cornelius, im Mai 1964 ihr erst 1961 geborener Enkel Holger und schließlich im Juli 1971 Ehemann Diedrich. Bald nach Diedrichs Tod – für sie alleine ist das Haus in Vielstedt zu groß – mietet sie bei Beta Cordes an der Linteler Straße eine kleine Wohnung. Dort lebt Hinrike noch einmal spürbar auf: Über den Frauenbund der evangelischen Kirchengemeinde Hude knüpft sie in den folgenden Jahren viele neue Kontakte und ist noch weit über den 80. Geburtstag hinaus fast jeden Tag mit dem Rad unterwegs, um Freundinnen oder Mitglieder ihrer am Schluss aus 17 Enkelkindern und 20 Urenkelkindern bestehenden Familie zu besuchen.
Geistig bleibt Hinrike bis ins hohe Alter fit, körperlich verlassen sie aber nach dem 90. Geburtstag allmählich die Kräfte. Ein halbes Jahr vor ihrem Tod zieht sie deshalb zu Tochter Annette und Schwiegersohn Thomas in deren Haus nach Hude-Süd. Hinrike stirbt am 29. April 1995 an Altersschwäche, beerdigt ist sie fünf Tage später in Hude auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche.