Johann Friedrich Tönjes – Biographie

Johann Friedrich Tönjes wird am 12. Januar 1863 als achtes Kind von Gerd Hinrich Tönjes und Anna Catharina Sophia Tönjes auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Heiko Pflug) geboren. Er ist der jüngere Bruder von Anna Katharina Ahrens, Gesine Sophie Tönjes, Anna Sophie Schnier, Anna Elise Schröder, Heinrich Bernhard Tönjes und Gerhard Hinrich Tönjes. Eine weitere, am 10. Januar 1857 zur Welt gekommene Schwester stirbt noch am selben Tag und bleibt deshalb namenlos.

Zwei Tage vor Johann Friedrichs Geburt nimmt in London die erste U-Bahn der Welt ihren Betrieb auf. Die mit Dampflokomotiven betriebene Strecke führt rund sechs Kilometer von Paddington nach Farringdon und benötigt weniger als drei Jahre bis zur Fertigstellung. Erste Pläne datieren allerdings bereits aus dem Jahr 1845, als der liberale Politiker Charles Pearson eine unterirdische Verbindung zwischen den Fernbahnhöfen der britischen Hauptstadt ins Gespräch bringt. Damit kann er sich zwar zunächst nicht durchsetzen, doch spätestens mit der Londoner Industrieausstellung von 1851 wird das Verkehrs-Chaos in der auf mehr als 2,5 Millionen Einwohner angewachsenen Metropole für jedermann offensichtlich. Hundertausende Arbeitnehmer, die sich keine zentrumsnahe Wohnung leisten können, müssen täglich aus den Vororten in die City pendeln. Die Weigerung einflussreicher Landbesitzer, auf ihrem Terrain oberirdische Linien in die Innenstadt verlegen zu lassen, verschärft das Problem.

Doch auch gegen eine von der angesehenen Tageszeitung „The Times“ als „Beleidigung des gesunden Menschenverstands“ geschmähte Untergrundbahn gibt es zunächst massiven Widerstand. Viele Bürger fürchten um die Substanz ihrer Häuser und wehren sich zudem gegen die Zerstörung hunderter Vorgärten sowie den mit den Bauarbeiten verbundenen Lärm. Anfängliche Probleme wie eingestürzte oder mit Abwässern geflutete Tunnel und eine mehrere Todesopfer fordernde Kesselexplosion unter Tage scheinen den Bedenkenträgern Recht zu geben, doch am Ende sind alle Vorbehalte gegen das privat finanzierte Projekt rasch vergessen: Schon in den ersten zwölf Monaten nach der Fertigstellung zählt die Betreibergesellschaft „Metropolitan Railway“ fast zehn Millionen Fahrgäste. In den folgenden Jahren steigt die Zahl der Streckenkilometer und der Passagiere kontinuierlich.

Für deutsche Großstädte ist ein derartiges Projekt 1863 reine Zukunftsmusik – erst 1902 wird die Berliner U-Bahn ihren Betrieb aufnehmen. Im Großherzogtum Oldenburg wäre man zum Zeitpunkt von Johann Friedrichs Geburt schon froh, wenn überhaupt eine oberirdische Eisenbahn führe. Die immerhin kommt noch vor seiner Einschulung mit der 1867 eröffneten Bahnstrecke Bremen-Oldenburg, für die sogar im von Hurrel nur knapp acht Kilometer entfernten Hude ein Bahnhof entsteht.

Ein Ereignis, das neben der namenlos gebliebenen Schwester zwei weitere Geschwister Johann Friedrichs nicht mehr erleben: Die zweitälteste Schwester Gesine Sophie ist 1854 wenige Monate nach der Geburt gestorben, der Ende 1861 geborene Bruder Gerhard Hinrich im September 1864. Obwohl damals selbst schon fast zwei Jahre alt, dürfte Johann Friedrich an ihn keinerlei Erinnerung haben. Mit den anderen Geschwistern wächst er in den folgenden Jahren, die vor allem durch die Deutschen Einigungskriege und die Ausrufung des preußischen Königs Wilhelm I. zum Kaiser geprägt sind, auf dem elterlichen Hof auf.

Die Schule besucht Johann Friedrich wie zu jener Zeit üblich im Nachbardorf Lintel. Dort gehören aus Hurrel unter anderem Catharine Harfst, Johann Heinemann, Meta Schweers, Heinrich Wilkens und seine nur wenige hundert Meter entfernt wohnende Kusine Sophie Mathilde Tönjes zu den in etwa gleichaltrigen Mitschülern.

Vermutlich schon vor Schulabschluss und Konfirmation dürfte feststehen, dass Johann Friedrich in der Frage der Hofnachfolge gemäß Jüngstenrecht den Vorzug vor seinem drei Jahre älteren Bruder Heinrich erhalten wird. Letzterer zieht daraus die Konsequenzen und entschließt sich wie vor ihm schon seine Vettern Johann und Bernhard Tönjes, nach Nordamerika auszuwandern. Nur ein knappes Jahr nach Heinrichs Abschied stirbt im Februar 1879 Vater Gerd Hinrich. Obwohl gerade erst 16 Jahre alt geworden, tritt Johann Friedrich daraufhin sein Erbe an.

Wer fortan neben Johann Friedrich und seiner im Alter von 54 Jahren zur Witwe gewordenen Mutter die Hauptlast bei der Bewirtschaftung des Tönjes-Hofes trägt, liegt heute im Dunkeln. Die beiden ältesten Schwestern haben den elterlichen Haushalt bereits verlassen: Anna Katharina ist seit 1874 mit Hermann Ahrens vom knapp einen Kilometer entfernt liegenden Ahrens-Hof (heute: Rolf Ahrens und Sonja Kosmann) verheiratet, Anna Sophie lebt seit ihrer 1878 gefeierten Hochzeit mit Johann Gerhard Schnier in Dingstede. Einzig die jüngste, 1858 geborene Schwester Anna Elise dürfte noch zur Verfügung stehen – neben von Zeit zu Zeit wechselnden Knechten und Mägden.

Gut möglich, dass auch Johann Friedrichs künftige, in Altmoorhausen auf dem heutigen Hof von Henning Struthoff geborene Ehefrau Anna Mathilde Grummer anfangs zum Personal gehört. Beide heiraten am 24. Mai 1892 in Hude. Kurz darauf gibt es ein Wiedersehen mit Bruder Heinrich, der noch einmal für einige Monate aus den USA zurückkehrt und sich während seines Aufenthaltes in der alten Heimat mit Anna Wilkens verlobt, der Schwester von Johann Friedrichs ehemaligem Schulkameraden Heinrich Wilkens. Heinrich und Anna verlassen Hurrel im April 1893 – begleitet von Heinrich Wilkens und Johann Friedrichs Kusine Sophie Mathilde Tönjes. Fünf Monate später wird Johann Friedrich mit der Geburt von Sohn Johann Gerhard zum ersten Mal Vater. Nach dem Tod von Johann Friedrichs Mutter im November 1895 kommen noch drei weitere Kinder zur Welt: Hermann Friedrich (Dezember 1896), Sophie (Mai 1899) und Georg (Juni 1902).

Den im August 1914 ausbrechenden Ersten Weltkrieg übersteht Johann Friedrich mit seiner Familie weitgehend unbeschadet. Dass er und Anna Mathilde ihre Silberhochzeit im Mai 1917 in äußerst bescheidenem Rahmen begehen, versteht sich jedoch angesichts des gerade erst zu Ende gegangenen Steckrüben-Winters von selbst. Auch die folgenden Jahre sind angesichts des Ende 1918 als verloren erklärten Krieges und der sich bis 1923 zur Hyperinflation hochschaukelnden Geldentwertung alles andere als eine leichte Zeit.

Nach dem Tod von Ehefrau Anna Mathilde im Januar 1927 lebt Johann Friedrich weiter auf seinem Hof, den später einmal Sohn Georg weiterführen soll. Mit Sophie Hollmann aus Habbrügge kommt im Frühjahr 1933 eine Schwiegertochter ins Haus – kurz nachdem die 1929 begonnene Weltwirtschaftskrise die von Adolf Hitler geführten Nationalsozialisten an die Macht gespült hat. Das katastrophale Ende der zwölf Jahre währenden NS-Diktatur erlebt Johann Friedrich nicht mehr mit: Er stirbt am 3. Juli 1940 im Alter von 77 Jahren und wird fünf Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.