Anna Catharina Harfst wird am 18. September 1838 als sechstes Kind von Johann Hinrich Hartmann und Trine Margarete Hartmann auf dem elterlichen Hof am Brink in Hurrel (heute: Michael und Sara Westphal) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Gesche Wiechmann, Gesche Margarete Ötken, Hinrich Hartmann, Sophie Catharine Schwarting und Johann Diedrich Hartmann.
In den Tagen vor Anna Catharinas Geburt steigt in der nordenglischen Grafschaft Northumberland eine zuvor unbekannte junge Frau quasi über Nacht zur Nationalheldin auf. Der plötzliche Ruhm geht zurück auf eine mutige Rettungstat: Zusammen mit ihrem als Leuchtturmwärter auf den Farne-Inseln arbeitenden Vater rudert Grace Darling am Morgen des 7. September 1838 auf die sturmgepeitschte See hinaus und bringt insgesamt neun Überlebende des in der Nacht zuvor auf ein Riff gelaufenen Dampfers „Forfarshire“ in Sicherheit. Dabei ist es der Überlieferung zufolge Grace, die bei der Aktion die Initiative ergreift: Ihrem Vater erscheint das Unwetter zunächst zu heftig, um sich ihm in einem lediglich sechs Meter langen Ruderboot auszusetzen.
Im stark auf die Seefahrt fixierten Großbritannien geht die Nachricht von der wundersamen Rettung auch ohne moderne Kommunikationsmittel wie ein Lauffeuer um. Fast alle namhaften Zeitungen des Landes widmen Grace Titelgeschichten. Den Reportern folgen Künstler, die sie porträtieren wollen, und neben unzähligen Briefen, die auch diverse Heiratsanträge enthalten, gehen bei ihrer Familie immer wieder Geldzahlungen ein. Sogar Queen Victoria persönlich sendet der Lebensretterin 50 Pfund. Von der plötzlichen Aufmerksamkeit überfordert, zieht sich Grace mehr und mehr ins Private zurück. Völlig entfliehen kann sie dem um ihre Person entfachten Rummel jedoch nicht – was ihr angesichts der damit verbundenen vielzähligen Kontakte möglicherweise zum Verhängnis wird: Grace erkrankt an Tuberkulose und stirbt im Oktober 1842, vier Wochen vor ihrem 27. Geburtstag.
Während Grace Darling im Norden Englands noch heute fast kultische Verehrung genießt, ist ihr Name den meisten Deutschen zu keiner Zeit ein Begriff. Das traurige Ende der mutigen Leuchtturmwärter-Tochter aus Northumberland wirft jedoch ein Licht auf die unsichtbare Gefahr, die im 19. Jahrhundert auch hierzulande praktisch jeden bedroht. Zumal in den Jahren um Anna Catharinas Geburt herum noch völlige Unkenntnis darüber herrscht, wie sich die rasch zur Volkskrankheit auswachsende Tuberkulose verbreitet. Nicht einmal ein einheitlicher Name für die Seuche existiert: Mal ist in den Sterbebüchern der Kirchengemeinden von „Auszehrung“ die Rede, mal von „Schwindsucht“ oder ganz allgemein von einer „Brustkrankheit“. Sofern der örtliche Pfarrer überhaupt eine Todesursache vermerkt hat – in der Gemeinde Hude, zu der Hurrel gehört, wird das erst ab etwa 1870 zur Regel.
Nicht auszuschließen deshalb, dass sich auch Anna Catharinas Bruder Johann Diedrich in die lange Reihe der Hurreler Tuberkulose-Opfer einreiht: Er stirbt im Januar 1839 ein halbes Jahr vor seinem fünften Geburtstag. Wie alle anderen Geschwisterkinder ist er noch in Altmoorhausen geboren, wo Anna Catharinas Eltern bis 1834 einen von ihrem Großvater Hinrich Hartmann begründeten Hof am Lemmelweg bewirtschaftet haben. Nach dessen Verkauf an Johann Albert Finke folgt der Umzug nach Hurrel auf den am Brink gelegenen Hof von Berend Barkemeyer, Anna Catharinas verstorbenen Großvater mütterlicherseits. Dort wächst sie mit den nächstälteren Geschwistern Hinrich und Sophie Catharine auf – die beiden anderen Schwestern verlassen den elterlichen Haushalt spätestens mit ihrer Hochzeit 1840 beziehungsweise 1843.
Vermutlich im Frühjahr 1845 wird Anna Catharina in die Volksschule im Nachbardorf Lintel eingeschult, wo aus Hurrel neben Anna Margaretha Hartmann, der zwei Monate jüngeren Tochter ihres Vetters Hinrich Hartmann, unter anderem Hermann Barkemeyer, Catharine Ellinghusen, Röbe Haverkamp, Johann Pieper, Johann Tönjes und Diedrich Wübbenhorst zu ihren in etwa gleichaltrigen Mitschülern gehören. Ihren späteren, knapp acht Jahre älteren Ehemann Gerhard Heinrich Harfst verpasst sie dort nur um Haaresbreite. Beide kennen sich aber vermutlich von Kind auf aus der Nachbarschaft: Der Hof von Gerhard Heinrichs Eltern (heute: Günter und Renate Heinemann) liegt nur rund 200 Meter vom Hartmann-Hof entfernt.
Bevor Anna Catharina Gerhard Heinrich am 2. Juli 1861 in Hude heiratet, erlebt sie noch mehrere Schicksalsschläge in der Familie. Im Juni 1855 stirbt Vater Johann Hinrich, im April 1856 folgen innerhalb von nur zwei Wochen Mutter Trine Margarete und Schwester Gesche Margarete. Auch bei diesen drei weit vor der Zeit erfolgten Todesfällen muss mangels mündlicher und schriftlicher Überlieferung die Frage offen bleiben, ob möglicherweise Tuberkulose die Ursache ist. Den Hartmann-Hof übernimmt derweil nach seiner Hochzeit mit Anna Catharine Arnke im Dezember 1855 Anna Catharinas Bruder Hinrich.
Zum Zeitpunkt ihres Umzugs auf den Harfst-Hof führen dort noch Anna Catharinas Schwiegereltern Dierk und Catharine Harfst Regie. Letztere stirbt allerdings bereits ein Jahr nach der Geburt von Anna Catharinas und Gerhard Heinrichs Tochter Catharine im März 1862. Weiteren Familienzuwachs gibt es im März 1868 mit Sohn Hermann Heinrich. Der mutmaßliche Hoferbe wird allerdings nur fünf Jahre alt – wobei Tuberkulose in diesem Fall einmal keine Rolle spielt: Hermann Heinrich Harfst stirbt im November 1873 an Scharlachfriesel. Drei Jahre später folgt Anna Catharinas Schwiegervater Dierk Harfst.
Obwohl sie beim Tod ihres einzigen Sohnes erst 35 Jahre alt ist, bekommt Anna Catharina keine weiteren Kinder mehr. Somit läuft in puncto Nachfolge alles auf Tochter Catharine hinaus, die ihren Eltern mit Johann Heinemann einen abgehenden Sohn vom Hof des Hurreler Großbauern Johann Hinrich Heinemann als künftigen Schwiegersohn präsentiert. Ein Jahr nach der im November 1884 gefeierten Hochzeit kaufen Gerhard Heinrich und Anna Catharina von Tönjes Hinrich Pralle einen zweiten, am Sandersfelder Weg gelegenen Hof hinzu (heute: Hans Heinemann). Wiederum ein Jahr später wird Anna Catharina zum ersten Mal Großmutter – der am 1. März 1886 geborene Enkelsohn erweist sich jedoch als nicht lebensfähig und stirbt noch am selben Tag.
Anna Catharinas Freude über die folgenden Enkelkinder Gerhard (Juni 1887) und Mathilde (April 1889) währt nur kurz: Mathilde stirbt drei Tage nach ihrem ersten Geburtstag, und im Februar 1891 ist nach nur 28 Jahren auch der Lebensweg von Tochter Catharine zu Ende. Todesursache laut Kirchenbuch: „Brustkrankheit“ und „Schwindsucht“.
In den folgenden anderthalb Jahrzehnten bleibt Anna Catharinas Familie von weiteren Todesfällen verschont. Ruhe kehrt dennoch nicht ein: Schon bald nach der Hochzeit von Schwiegersohn Johann mit Metta Bruns im Mai 1897 bricht auf dem Harfst-Hof ein Feuer aus, dessen Ursache heute nicht mehr bekannt ist. Obwohl mittlerweile beide über 60 Jahre alt, helfen Anna Catharina und Gerhard Heinrich nach besten Kräften beim Wiederaufbau. Im März 1908 muss Anna Catharina dann auch von ihrem Ehemann Abschied nehmen, der wenige Wochen vor seinem 77. Geburtstag stirbt.
Anna Catharina stirbt am 4. Dezember 1909, laut Kirchenbuch-Eintrag an Altersschwäche. Beerdigt ist sie vier Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.