Johann Gerhard Schmidt – Rufname Gerhard – wird am 10. August 1887 als sechstes Kind von Johann Diedrich Schmidt und Margarete Elisabeth Schmidt auf dem elterlichen Hof in Aschhauserfeld (heute: Heinz Schmidt) geboren. Er ist der jüngere Bruder von Elise Osterloh, Helene Osterthun, Johann Schmidt, Diedrich Schmidt und Gerd Schmidt und der ältere Bruder von Meta Sophie Schmidt, Anna Marie Schmidt und Meta Seeger. Darüber hinaus hat er mit Frieda Ahlers und Friedrich Schmidt noch zwei jüngere Halbgeschwister aus der zweiten Ehe seines Vaters mit Anna Afken.
Im August 1887 verbringt der nahe der Westküste von Schleswig-Holstein lebende Schriftsteller Theodor Storm einen zweiwöchigen Sommerurlaub auf Sylt. Obwohl die Insel fast vor seiner Haustür liegt, ist es das erste Mal, dass er sie besucht. Storm hat schwierige Monate hinter sich: Fast den ganzen Winter 1886/87 über fesseln ihn gesundheitliche Probleme ans Bett. Am Ende steht die Diagnose Magenkrebs – in den Augen des 69-jährigen Dichters ein Todesurteil. Er verfällt in Depressionen, mit seiner schon vor längerer Zeit begonnenen Novelle „Der Schimmelreiter“ geht es kaum noch voran. „Der Elan fehlt, ohne den es nichts wird“, schreibt er seinen Verlegern, den Brüdern Elwin und Hermann Paetel.
Da geschieht Erzählungen seines Urenkels Peter Bachér zufolge ein kleines Wunder. Die Familie arrangiert zum Schein eine zweite Untersuchung an der Universitätsklinik in Kiel. Das bewusst falsche, mit den Angehörigen im Vorfeld abgesprochene Ergebnis: kein Krebs, nur die Ausdehnung eines Zweiges der Hauptschlagader. Storm fasst daraufhin neuen Lebensmut und lässt sich, begleitet von Tochter Lucie Sander, zu dem Erholungsurlaub überreden. Auf Sylt sammelt er dann durch Gespräche mit Einheimischen eine Fülle von Eindrücken, die in den „Schimmelreiter“ einfließen. Auch das Fragment einer weiteren Erzählung („Sylter Novelle“) entsteht.
Im Februar 1888 schließt Storm die Arbeiten am „Schimmelreiter“ ab. Den Erfolg der seither für Generationen von Schülern zur Pflichtlektüre im Deutschunterricht zählenden Tragödie um den Deichgrafen Hauke Haien erlebt der Autor nicht mehr mit, er stirbt am 4. Juli desselben Jahres. Obwohl Storm bereits damals – zumindest nördlich der Mainlinie – zu den populärsten deutschsprachigen Schriftstellern gehört, geht sein Tod in der Öffentlichkeit etwas unter. Die Nation steht noch unter dem Schock zweier verstorbener Kaiser: Im März 1888 wurde Wilhelm I. zu Grabe getragen, im Juni 1888 sein Sohn und Nachfolger Friedrich III.. Seither regiert der erst 29 Jahre alte Wilhelm II. das Reich.
Nur ein Jahr später gibt es in Gerhards Familie ebenfalls zwei Todesfälle zu betrauern: Die gerade erst am 2. November 1889 geborenen Zwillinge Meta Sophie und Anna Marie sterben kurz nacheinander noch im selben Monat. Auch Gerhards ältere Brüder Johann und Gerd leben zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr. Zwei Jahre nach Gerhards Einschulung in die Volksschule Kayhausen stirbt dann im Mai 1896 seine Mutter an Tuberkulose. Im April 1897 heiratet der Vater zum zweiten Mal, Gerhards Halbgeschwister kommen jeweils im Herbst 1900 und 1903 zur Welt.
Als Haupterbe des elterlichen, mehr als 30 Hektar großen Hofes steht frühzeitig der älteste überlebende Sohn Diedrich fest – Gerhard muss also nach Schulabschluss und Konfirmation seinen Lebensunterhalt auf andere Art und Weise verdienen. Kurz nach der Jahrhundertwende beginnt er deshalb im Hotel Fischer in Oldenburg eine Kellnerlehre. Möglicherweise nimmt er sich dafür seinen 14 Jahre älteren Vetter Johann Hots zum Vorbild, der denselben Berufsweg eingeschlagen hat und inzwischen in England arbeitet.
Im Hotel Fischer lernt Gerhard Emma Busch aus Hurrel kennen, die dort eine Ausbildung zur Köchin absolviert. Die beiden werden ein Paar, doch zunächst setzt Gerhard – sehr wahrscheinlich auf Vermittlung von Johann Hots – seine Ausbildung ab Dezember 1904 in England fort. Bis Sommer 1907 arbeitet er unter anderem im Grand Hotel in Hastings und im Londoner Victoria Hotel. Im Herbst 1907 tritt Gerhard die Heimreise an und wohnt zeitweise wieder in Aschhauserfeld.
Nach der am 18. März 1910 im Gasthof der Schwiegereltern Carl und Bertha Busch (heute: Hajo und Dagmar Mehrings) gefeierten Hochzeit eröffnen Gerhard und Emma in Bad Zwischenahn am Marktplatz das Schmidts Hotel (heute: Hof von Oldenburg). Die Selbstständigkeit ist jedoch nur von kurzer Dauer, es tun sich unerwartete wirtschaftliche Schwierigkeiten auf. Noch während Emma mit dem gemeinsamen, im Dezember 1910 geborenen Sohn Edmund schwanger ist, geben sie das Projekt schweren Herzens auf und ziehen nach Platjenwerbe bei Ritterhude.
Wie Gerhard in den folgenden Jahren den Lebensunterhalt für die Familie bestreitet, ist nicht überliefert – ebenso wenig, wann genau er die Nachricht von Emmas nächster Schwangerschaft erhält. Mit einiger Sicherheit jedoch irgendwann zwischen der Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 in Sarajevo und dem Beginn des daraus resultierenden Ersten Weltkriegs fünf Wochen später, denn geboren ist der zweite Sohn Enno am 9. Februar 1915 in Hurrel. Dorthin hat sich Emma mit Edmund nach Kriegsausbruch zurückgezogen, während Gerhard im Ersatz-Bataillon des Dritten Rheinischen Infanterie-Regiments Nr. 29 Dienst tut. Von April 1915 an nimmt er dann als Mitglied des Achten Armee-Korps an der Westfront an den täglich abertausende Opfer fordernden Kämpfen teil, zwischen Oktober 1916 und Mai 1917 auch an der Ostfront. Zurück in Frankreich wird er im Frühjahr 1918 den amtlichen Verlustlisten zufolge leicht verwundet, dann nach Kriegsende am 20. November 1918 aus dem Wehrdienst entlassen und laut entsprechender Urkunde nach Hurrel in Marsch gesetzt.
Nach der Rückkehr vor die Frage nach seiner Zukunft in der auf den Trümmern des zusammengebrochenen Kaiserreichs entstandenen Weimarer Republik gestellt, trifft Gerhard irgendwann im Laufe des Jahres 1919 eine pragmatische Entscheidung. Weil er sich durch seine Englischkenntnisse im von den Alliierten besetzten Rheinland bessere Arbeitsmöglichkeiten erhofft, siedelt er mit seiner Familie von Hurrel nach Köln um. Unter der von manchen Einheimischen zu Zeiten der Ruhr-Krise als „Insel der Seligen“ betrachteten britischen Besatzung der Stadt fasst er tatsächlich schnell Fuß und findet schon bald im Gastgewerbe Beschäftigung – auch wenn die ersten Jahre angesichts der nach wie vor katastrophalen wirtschaftlichen Lage der jungen Republik und der sich bis Ende 1923 zur Hyperinflation steigernden Geldentwertung ganz sicher alles andere als einfach sind.
Als die Briten Anfang 1926 aus Köln abziehen, haben in der rund 500 Kilometer weiter östlich gelegenen Reichshauptstadt Berlin bereits die „Goldenen Zwanziger“ begonnen. Derart mondän geht es zwar – von den Tagen zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch einmal abgesehen – in der Rhein-Metropole mit ihren damals etwas mehr als 700.000 Einwohnern nicht zu. Gleichwohl hilft die Aufbruchsstimmung jener Jahre Gerhard, erste Reserven für einen erneuten Start in die Selbständigkeit zu bilden. In die Tat umsetzen lässt sich dieser Plan jedoch erst nach Ende der Weltwirtschaftskrise und der Machtübernahme der von Wahlerfolg zu Wahlerfolg eilenden Nationalsozialisten: Ab 1937 führen Gerhard und Emma dann an der Bergisch Gladbacher Straße im Stadtteil Dellbrück die „Gaststätte Schmidt“.
Auch dieser Existenzgründung ist jedoch angesichts des nur zwei Jahre später mit dem Überfall auf Polen losbrechenden Zweiten Weltkriegs kein Glück beschieden. Zwischen Frühjahr 1941 und Herbst 1944 arbeitet Gerhard als Verwaltungsangestellter im Luftwaffenbauamt Köln. Nach der erfolgreichen Invasion der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 gehört er zum letzten Aufgebot neu eingezogener deutscher Soldaten, das die drohende Niederlage noch abwenden soll. Als Mitglied des Landesschützen-Bataillons 310 erlebt er die letzten Kriegsmonate irgendwo in Nordwestdeutschland zwischen Meppen, Osnabrück und Lüneburg und wird zwei Tage vor der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945 aus britischem Gewahrsam nach Hause entlassen.
Nach Hause, das ist im unbeschreiblichen Chaos jener Wochen nicht die Trümmerwüste Köln, sondern Gerhards räumlich deutlich näher liegender Geburtsort Aschhauserfeld. Dort findet er Unterschlupf bei seinen Brüdern Diedrich und Friedrich, die den elterlichen Hof 1934 nach dem Tod des Vaters gemäß Testament unter sich aufgeteilt haben. Auch Emma und der jüngere Sohn Enno schlagen sich nach Aschhauserfeld durch, während der ältere Sohn Edmund beschließt, in Köln zu bleiben.
Ähnlich wie schon nach dem Ersten Weltkrieg kommen Gerhard im nun britisch besetzten Ammerland seine Englischkenntnisse zugute. Bereits Anfang 1946 findet er eine feste Beschäftigung auf dem ehemaligen Fliegerhorst in Rostrup, wo er bis zum Ruhestand unter anderem in der Offiziersmesse des Royal Air Force Hospitals arbeitet.
Schon bald nach seiner Ankunft in Aschhauserfeld hat Gerhard von Bruder Diedrich ein für die Landwirtschaft unbrauchbares Eckgrundstück zur Nutzung überlassen bekommen. Dort lebt er mit Emma und Enno ab 1948 in einer dem Finanzamt Westerstede gehörenden, ehemals vom Reichsarbeitsdienst genutzten Baracke, die Enno 1951 vom Land Niedersachsen kauft. Gerhard wiederum kauft 1955 das Grundstück, auf dem Enno 1964 nach der Übertragung auf ihn für Ehefrau Lisa, den 1953 geborenen Sohn Edmund und die Eltern ein Wohnhaus errichtet.
Der zur Baracke gehörende, in den ersten Jahren für die Selbstversorgung dringend notwendige Gemüsegarten wird im Ruhestand zu einem Hobby, an dem neben Emma auch Gerhard bis ins hohe Alter Freude findet. Seinen 80. Geburtstag im August 1967 feiert er bei guter Gesundheit. Nur 15 Monate später kommt er dann infolge eines tragischen Unglücks ums Leben: Als er am 29. November 1968 auf der Toilette einer Gaststätte in Bad Zwischenahn sein Benzin-Feuerzeug auffüllt, gelangt unbemerkt Benzin auf seine Hose. Beim Betätigen des Feuerzeugs steht das Hosenbein plötzlich in Flammen. Ein Vertretungsarzt schickt ihn trotz der erlittenen Verbrennungen statt ins Krankenhaus nach Hause, wo Gerhard in den frühen Morgenstunden des 30. November stirbt. Beerdigt ist er drei Tage später auf der Ahnenstätte Hilligenloh in Hurrel.