Martha Aline Mahlstedt wird am 26. Oktober 1897 als viertes Kind von Bernhard Wiedau und Catharine Wiedau auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Heinz und Alke Brinkmann) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Adele Brinkmann, Georg Hinrich Wiedau und Johanne Grummer und die ältere Schwester von Clara Neuhaus und Bertha Adeline Wiedau.
Marthas Geburt – und die ihres astrologischen Zwillings, des späteren Ohnsorg-Theater-Schauspielers Henry Vahl – fällt auf einen Dienstag. Für die Bürger Hamburgs ist der 26. Oktober 1897 jedoch ein Feiertag: Nach elfjährigen Bauarbeiten wird endlich das neue Rathaus der Stadt eingeweiht. Schon um neun Uhr morgens erklingen Choräle von den Türmen der fünf Hauptkirchen, auf dem Rathausmarkt spielt ein Orchester. Im Großen Festsaal des Rathauses begrüßt Bürgermeister Johann Georg Mönckeberg wenig später nach dem feierlichen Einmarsch der Senatoren 650 geladene Gäste.
Mehr als 45 Jahre lang musste die Regierung der stolzen Hansestadt ohne offiziellen Amtssitz auskommen. Das alte Rathaus an der Trostbrücke ist dem großen Stadtbrand von 1842 zum Opfer gefallen, danach können sich die Senatoren lange Zeit weder auf einen Standort noch auf einen Entwurf für den Nachfolgebau einigen. Erst ein aus neun Architekten gebildeter „Rathausbaumeisterbund“ unter der Leitung von Martin Haller kann 1880 mit seinen Vorschlägen überzeugen.
Sechs Jahre später erfolgt die Grundsteinlegung an der Kleinen Alster, direkt neben der Hamburger Börse. Der Prestige-Bau verzögert sich jedoch immer wieder – anfangs unter anderem durch einen Bauarbeiterstreik, später dann durch die Cholera-Epidemie von 1892. Am Ende summieren sich die zunächst auf 4,5 Millionen Goldmark veranschlagten Kosten angesichts zahlreicher Änderungen an den ursprünglichen Plänen auf 11 Millionen Goldmark (heute: 80 Millionen Euro). Und noch ist das aus insgesamt 647 Räumen bestehende Gebäude mit der schmucken Neorenaissance-Fassade und dem 112 Meter hohen Rathausturm nicht fertig: Letzte Schönheitsarbeiten werden erst 1901 abgeschlossen.
Zu diesem Zeitpunkt lebt im rund 150 Kilometer entfernten Hurrel Marthas einziger Bruder bereits nicht mehr, er ist 1894 als Säugling verstorben. Auch die jüngste, im September 1905 geborene Schwester Bertha wird nur elf Monate alt. Mit den anderen Schwestern wächst Martha auf dem elterlichen Hof an der Pirschstraße auf, mit ihnen besucht sie auch die örtliche Volksschule. Aus jener Phase in Marthas Leben stammt ein in der Familie bis heute erhaltenes, Anfang 1912 im Vorfeld der Konfirmation herumgereichtes Poesiealbum. Dort haben sich neben Mitkonfirmandinnen wie Anna Petershagen, Schulleiter Heino Schierenbeck und seiner Ehefrau Emma auch zahlreiche Hurreler Mitschüler eingetragen – unter anderem Hermine Busch, Meta Hartmann, Bernhard Haverkamp, Georg Haverkamp, Mathilde Pannenborg, Anna Schweers, Berta Soller, Sophie Tönjes, Heinrich Wefer, Heinrich Wieting und Martha Wieting.
Nach Schulabschluss und Konfirmation geht Martha zunächst auf dem Hof von Bernhard Diedrich Tönjes in Altmoorhausen (heute: Bernhard Tönjes) in Stellung. Später arbeitet sie dann auf einem Hof in Kirchkimmen und erlebt im August 1914 den Ausbruch des Ersten Weltkriegs, an dem – sicher zur Erleichterung aller Familienmitglieder – ihr kurz zuvor 58 Jahre alt gewordener Vater nicht mehr teilnimmt. Da zwischen Kirchkimmen und dem elterlichen, mit 35 Hektar für damalige Verhältnisse recht großen Betrieb nur wenige Kilometer liegen, hilft sie in dieser Zeit aber mit einiger Sicherheit auch dort regelmäßig aus.
Wann und bei welcher Gelegenheit Martha ihren künftigen Ehemann Hermann Mahlstedt aus Bergedorf kennenlernt, ist nicht überliefert. Hermann arbeitet nach Kriegsende als Maurer und Hausschlachter und kommt deshalb in den umliegenden Dörfern einigermaßen viel herum. Als beide am 12. Dezember 1924 heiraten, ist Martha bereits schwanger – im Februar 1925 wird Sohn Benno geboren.
Schon bald nach Bennos Geburt bezieht die junge Familie in Dingstede ein 1967 abgebrochenes Heuerhaus (Eigentümer des auf dem Grundstück errichteten Neubaus: Artur Sanders) an der Nutteler Straße, wo sie nebenher ein wenig Landwirtschaft betreibt. Im Hauptberuf arbeitet Hermann weiter als Betriebsmaurer in Dwoberg und zeitweise auch in Rastede. Noch vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrise kommen mit Carla (Juni 1927) und Ada (August 1929) zwei Töchter hinzu. Zehn Wochen nach Carlas Geburt muss sich Martha von ihrer Schwester Clara verabschieden, die mit Ehemann Heinrich Neuhaus in die USA auswandert. Martha und Clara sehen sich nie wieder, bleiben aber lebenslang in Briefkontakt.
Im Laufe des Jahres 1936 pachten Hermann und Martha im Nachbarort Nuttel einen rund 15 Hektar großen Hof, der fortan ihre volle Arbeitskraft erfordert. Ende November 1938 macht dann der jüngste Sohn Herbert die Familie komplett. Knapp zehn Monate später beginnt mit dem Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Zwar bleibt Hermann von der Einberufung zur Wehrmacht verschont, doch nahezu zeitgleich zu seinem 18. Geburtstag im Februar 1943 erhält Benno einen Stellungsbefehl. Er fällt am 30. Mai 1944 in der Nähe der niederländischen Ortschaft Ijsselstein.
Der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht im Mai 1945 folgen schwere Nachkriegsjahre, in denen auf dem Nutteler Pachthof gleich mehrere Flüchtlingsfamilien Unterschlupf finden. Auch wenn die Grundversorgung mit Lebensmitteln durch die Landwirtschaft gesichert ist, so sind doch die von Schwester Clara regelmäßig über den Atlantik geschickten Care-Pakete eine hochwillkommene Hilfe.
Als mit der Währungsreform und der Gründung der Bundesrepublik Deutschland die Zeiten endlich besser werden, müssen Martha und Hermann sich 1952 noch einmal neu orientieren: Die Familie ihres Verpächters Heinrich Köhler will den Hof künftig selbst weiterführen. Nächste Station ist ein mit 18 Hektar etwas größerer Hof in Munderloh, auf dem es jedoch immer wieder Probleme mit zu nassem Land gibt. Ein Jahr nach Herberts im Sommer 1961 gefeierten Hochzeit mit Inge Köhler aus Oberhausen ziehen Martha und Hermann deshalb zusammen mit Sohn und Schwiegertochter weiter nach Großenkneten, wo beide Generationen angesichts eines dieses Mal sogar fast 35 Hektar großen, mit deutlich besseren Bodenverhältnissen gesegneten Pachthofes ihr Auskommen haben.
Obwohl Martha und Hermann beim Umzug kurz vor dem Rentenalter stehen, arbeiten sie weiter regelmäßig auf dem Hof mit – auch wenn Hermanns Kräfte Ende der 60er Jahre infolge Krankheit immer mehr nachlassen. Er stirbt im November 1974, vier Wochen nach Marthas 77. Geburtstag. Martha selbst wiederum zeigt noch keinerlei Ermüdungserscheinungen und kümmert sich unter anderem weiter um die fünf im Haushalt lebenden, zwischen 1961 und 1971 geborenen Enkelkinder.
Herberts und Inges ursprünglichen Plan, auf einen 1977 gekauften Hof in Inges Heimatdorf Oberhausen überzusiedeln, durchkreuzt Mitte der 80er Jahre die Einführung der Milchquote. Stattdessen kaufen beide 1986 kurzentschlossen einen in Sage-Haast freiwerdenden Betrieb mit Schweinemast. Der erneute Umzug erfüllt Marthas langgehegten Traum, endlich in den eigenen vier Wänden zu wohnen – freilich nur für kurze Zeit: Sie stirbt nach kurzer Krankheit am 20. Juli 1987, drei Monate vor ihrem 90. Geburtstag. Beerdigt ist Martha vier Tage später auf dem Friedhof der St.-Marien-Kirche in Großenkneten.