Erwin Otto Franz wird am 11. Januar 1906 als fünftes Kind von Karl Franz und Berta Franz im thüringischen Neidenberga (Landkreis Ziegenrück) geboren. Er ist der jüngere Bruder von Kurt Franz, Erna Höpken, Elly Behnken und Otto Franz und der ältere Bruder von Rudolf Franz und Arno Franz.
Am Tag nach Erwins Geburt notiert der seit 1896 vom Wall Street Journal veröffentlichte Dow Jones Industrial Average erstmals über der Marke von 100 Punkten. Es ist der vorläufige Schlusspunkt einer im Frühjahr 1903 gestarteten Hausse, die den aus zwölf führenden US-Unternehmen gebildeten Aktienindex innerhalb von 44 Monaten um rund 140 Prozent in die Höhe katapultiert hat. Denn nur eine Woche später setzt eine Gegenbewegung ein. Verstärkt wird sie in der zweiten Aprilhälfte 1906 durch das verheerende Erdbeben von San Francisco, das insbesondere Versicherungstitel nach unten zieht. Experten beziffern die von der Branche zu begleichenden Schäden auf mehr als 400 Millionen US-Dollar – eine für damalige Verhältnisse astronomisch hohe Summe. So berichtet beispielsweise die Aetna Fire Insurance Company, die dem Erdbeben folgende Feuersbrunst habe bei ihr die Ersparnisse von 40 Jahren aufgezehrt.
Zwar können sich die Kurse im zweiten Halbjahr 1906 noch einmal fangen. Danach verschlechtert sich die Stimmung an der Wall Street jedoch von Monat zu Monat. Als im März 1907 die Aktie der Eisenbahngesellschaft Union Pacific stark einbricht, kommt es zu ersten Panikverkäufen und im Herbst 1907 schließlich zu einer Reihe von Bankenpleiten, weil viele Sparer zeitgleich ihre Einlagen zurückfordern.
Auch der Börse fehlt es an Liquidität. Ein Aktienhändler jener Tage beschreibt die vergeblichen Versuche einiger Akteure, ihre eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen, mit der Lage einer Maus unter einer Glasglocke, der die Luft abgepumpt wird: „Man kann sehen, wie die arme Maus immer schneller atmet, ihre Lunge arbeitet wie ein überlasteter Blasebalg, über den sie versucht, genügend Sauerstoff aus dem schwindenden Volumen in der Glocke zu bekommen. Man sieht, wie sie erstickt, ihre Augen treten aus dem Kopf hervor, sie schnappt nach Luft und ist schließlich hinüber.“ Erst als ein Konsortium unter Führung des prominenten Bankiers John Pierpont Morgan Staatsanleihen aufkauft und damit den Markt stützt, beruhigt sich die Lage. Am Ende des Jahres 1907 notiert der Dow-Jones-Index dennoch 45 Prozent niedriger als Anfang 1906.
Anders als beim Gründerkrach von 1873 und in späteren von der Wall Street ausgehenden Finanzkrisen bleibt die wirtschaftliche Lage im Deutschen Reich vergleichsweise stabil. Was nicht unbedingt bedeutet, dass es breiten Kreisen der Bevölkerung gut geht. Erwins Vater etwa, der in Neidenberga in vierter Generation als Schmied arbeitet und nebenbei eine kleine Landwirtschaft betreibt, kann trotz dieser beiden Einkommensquellen seine stetig wachsende Familie kaum ausreichend ernähren. Auf der Suche nach einem Ausweg wird er bald nach der Geburt des sechsten Kindes Rudolph auf ein Angebot der Provinz Westpreußen aufmerksam: Dort stellen die Behörden nach der Aufteilung mehrerer großer Rittergüter siedlungswilligen Bauern zu sehr günstigen Konditionen Land zur Verfügung. Als sich Familie Franz Anfang Juli 1910 von Neidenberga aus mit all ihrem Hab und Gut ins mehr als 500 Kilometer nordöstlich gelegene Dorf Rebkau (Kreis Kulm) aufmacht, ist Erwin vier Jahre alt.
In der neuen Heimat, in der im Juli 1911 der jüngste Bruder Arno geboren wird, besucht Erwin acht Jahre lang die Volksschule. Unmittelbar vor dem Abschluss deutet sich allerdings bereits an, dass danach eine weit größere Veränderung ansteht als der Wechsel von der Schulbank ins Arbeitsleben: Deutschland hat den Ersten Weltkrieg verloren, und im Friedensvertrag von Versailles sprechen die Siegermächte weite Teile Westpreußens Polen zu. Weil diese Entscheidung den Landkreis Kulm miteinschließt, bricht Familie Franz Anfang Mai 1920 erneut alle Brücken hinter sich ab und zieht ins rund 650 Kilometer westlich von Rebkau gelegene Hurrel.
Der Anfang in Hurrel auf dem ehemals Hermann Christian Bischoff gehörenden Hof (heute: Rita Wiemer) ist alles andere als einfach: Die Bodenverhältnisse sind – was Erwins Vater beim Kauf unterschätzt hatte – vollkommen anders als in den sehr fruchtbaren Niederungen der Weichsel, und in den kargen Jahren nach dem verlorenen Krieg fehlt es an vielem. Weil aber alle Familienmitglieder mit anpacken und Nachbarschaftshilfe im Hurreler Sand schon damals groß geschrieben wird, hält sich der Betrieb über Wasser.
Erwin selbst fügt sich am neuen Wohnort schnell ein – zumal es auch sprachlich kaum Verständigungsprobleme gibt: Das vor dem Ersten Weltkrieg in weiten Teilen Westpreußens gesprochene Plautdietsch und das Oldenburger Platt weisen viele Gemeinsamkeiten auf. Zwar ist er nicht im 1899 gegründeten Schützenverein aktiv, dafür aber im Männergesangverein, der sich regelmäßig in der Gaststätte von Reinhard Asseln (heute: Hajo und Dagmar Mehrings) trifft.
Sein privates Glück findet Erwin in unmittelbarer Nähe – in Form von Caroline Ramke aus Holle, die auf dem Hof seines Nachbarn Wilhelm Witte arbeitet. In die am 29. November 1935 in Hude geschlossene Ehe bringt Caroline ihren 1929 geborenen Sohn Hans mit, im Dezember 1936 kommt die gemeinsame Tochter Hilda hinzu. Zu diesem Zeitpunkt haben Erwin und Caroline bereits in unmittelbarer Nähe der Ahnenstätte Hilligenloh ihren eigenen Hof (heute: Klaus und Sabine Bruhn) begründet. Da sie von den dazugehörenden vier Hektar Land allein nicht leben können, arbeitet Erwin wie auch sein Bruder Kurt zeitweise nebenberuflich als Fahrer für die Molkerei Hude.
Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verhindert zunächst nicht nur die weitere Familienplanung, sondern auch den Ausbau des Hofes. Erwin verbringt nahezu die gesamten Kriegsjahre in Frankreich, wo er Anfang 1945 in amerikanische Gefangenschaft gerät. Erst im Frühjahr 1946 kehrt er zu Caroline, Hans, Hilda und der zweiten, im Oktober 1942 geborenen Tochter Ursel zurück. Die dritte, als Acht-Monats-Kind auf die Welt gekommene Tochter Aenne stirbt Anfang August 1949 bereits einen Tag nach der Geburt.
Den eigenen Hof bewirtschaftet Erwin noch bis 1970. Danach verpachtet er ihn an Tochter Hilda und deren Ehemann Hinrich Helms, bleibt aber mit Caroline als Altenteiler dort wohnen, bis ein im Schlaf erlittener Herzinfarkt sein Leben am 18. Juni 1983 abrupt beendet. Beerdigt ist Erwin drei Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.