Martha Helene Gerhardine Spreen wird am 4. November 1918 als erstes Kind von Anna Wöbken in Klein Scharrel geboren. Sie ist die ältere Schwester von Frieda Griese.
Am Tag vor Marthas Geburt beginnt mit einer Gefangenenbefreiung und einem Demonstrationszug Richtung Innenstadt der Kieler Matrosenaufstand. Auslöser der Revolte ist der am 29. Oktober erteilte Befehl, die in Wilhelmshaven stationierte Hochseeflotte zu einer Entscheidungsschlacht gegen die britische Royal Navy auslaufen zu lassen – obwohl der seit 1914 tobende Erste Weltkrieg längst verloren ist und die neue Reichsregierung unter Prinz Max von Baden in Verhandlungen über einen Waffenstillstand steht. Die daraufhin ausbrechenden Meutereien an Bord zweier Schlachtschiffe kann Flottenchef Franz von Hipper noch unterbinden, nicht jedoch das Übergreifen auf den zweiten Reichskriegshafen Kiel. Dort solidarisieren sich rasch Tausende Arbeiter mit den Aufständischen, so dass diese die Stadt bereits am Abend des 4. November fest in ihrer Hand haben.
Überall im Deutschen Reich bilden sich in den nächsten Tagen nach Kieler Vorbild Arbeiter- und Soldatenräte. Aus dem Aufstand ist eine Revolution geworden, die am 9. November Berlin erreicht. Unabhängig voneinander rufen SPD-Staatssekretär Philipp Scheidemann und Spartakisten-Führer Karl Liebknecht die Republik aus, Kaiser Wilhelm II. muss abdanken. Zwei Tage später tritt der ausgehandelte Waffenstillstand von Waffenstillstand von Compiègne in Kraft. Am selben Tag dankt in Oldenburg Großherzog Friedrich August ab, das Großherzogtum wird zum Freistaat.
Eine wahrhaft aufregende Woche also, von der Marthas Mutter im nahegelegenen Klein Scharrel aber vermutlich wenig mitbekommt. Zum einen verläuft der Übergang von der Monarchie zur Republik in ihrer Heimat vergleichsweise gemäßigt. Zum anderen hat sie genug mit sich selbst und ihrer eigenen, nicht eben rosigen Lage zu tun: Sie bringt ihr Kind unehelich zur Welt, über die Identität des Vaters ist heute in der Familie nichts mehr bekannt. Dasselbe gilt für die Umstände, unter denen Anna Wöbken Martha und ihre ebenfalls unehelich geborene Schwester über die wirtschaftlich äußerst schwierigen ersten Nachkriegsjahre bringt und schließlich ihren späteren Ehemann Johann Heinrich Wachtendorf aus Schmede kennenlernt.
Anna und Johann Heinrich heiraten im Mai 1926. Fortan wächst Martha auf dem Hof ihres Stiefvaters (heute: Paul Griese) am Bookholter Weg auf. Mit Schwester Frieda besucht sie sehr wahrscheinlich in Munderloh die Volksschule, möglicherweise aber auch im ähnlich weit entfernten Hauptort Kirchhatten. Kurz bevor sie die Schule abschließt, sorgt die Machtübernahme der Nationalsozialisten erneut für einen Gezeitenwechsel in der Politik. Den sich innerhalb weniger Monate vollziehenden radikalen Wandel von der Demokratie zur Diktatur und die ersten Jahre des Dritten Reichs erlebt Martha dann als Dienstmagd auf einem Bauernhof in der näheren Umgebung.
Ihren künftigen Ehemann Johann Spreen aus Hurrel lernt Martha vermutlich bereits kennen, bevor dieser im Herbst 1938 zum Wehrdienst herangezogen wird. Danach nämlich dürfte Johann nur noch selten nach Hause kommen: Mitten hinein in seinen Wehrdienst platzt der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, der ihn in den folgenden Jahren als Panzerfahrer bis nach Afrika führt. Als er und Martha am 19. Februar 1943 in Kirchhatten heiraten, ist sein Einsatz in der Truppe von Generalfeldmarschall Erwin Rommel aber wohl bereits wieder beendet. Nicht jedoch der Krieg, der Martha und ihrem im Oktober 1944 geborenen Sohn Horst auf dem elterlichen Hof in Schmede zum Schluss gefährlich nahe kommt.
Johanns Rückkehr nach der Kapitulation und Marthas zweite Schwangerschaft gehen Hand in Hand, im Januar 1946 kommt Horsts Bruder Hans zur Welt. Die folgenden Jahre sind wie überall in Deutschland geprägt vom alltäglichen Mangel an allem Lebensnotwendigen und – spätestens nach der Geburt des dritten Sohnes Jürgen im Januar 1950 – von Raumnot. Da auch Marthas Schwester Frieda mit ihrer Familie auf dem vergleichsweise kleinen Wachtendorf-Hof wohnt und diesen später erben wird, ziehen Martha und Johann 1950 mit den Kindern auf den Hof von Johanns Eltern Friedrich Heinrich und Mathilde Spreen in Hurrel. Dort leben jedoch bereits Johanns jüngster Bruder Heino und dessen Ehefrau Emma, so dass auch das keine Lösung auf Dauer ist.
Diese findet sich dann im Folgejahr: Johanns Bruder Friedrich, der ein Haus an der Hurreler Straße (heute: Gunda Böseleger) bewohnt, zieht mit seiner Familie aus beruflichen Gründen nach Delmenhorst, Martha rückt mit Johann und den Kindern nach. In ihrer neuen Umgebung fühlt sie sich von Beginn an wohl: Vor allem mit den direkten Nachbarn Heino und Anneliese Borgmann entsteht im Laufe der Jahre eine enge Freundschaft.
Während Johann in der Woche als LKW-Fahrer im Fernverkehr unterwegs ist und die Kinder die nach wie vor von August Meyer geleitete Volksschule in Hurrel besuchen, kümmert sich Martha um Haushalt und Garten. Nach dem Tod ihres Schwiegervaters Friedrich Heinrich im Juni 1963 nimmt sie zudem dessen Witwe Mathilde auf, die sich zu Hause mit Schwiegertochter Lisa nicht versteht. Als im März 1968 auch Mathilde stirbt, zieht Friedrichs Tochter Ursel mit ihrem Mann Rolf Zabrodski ins zwischenzeitlich ausgebaute Obergeschoss des nach wie vor Friedrich gehörenden Hauses.
Nach dem Verkauf des Hauses an Hans-Hermann Böseleger finden Martha und Johann, der mittlerweile in Delmenhorst in der Werkstatt der Spedition Temmen arbeitet, in Vielstedt ein neues Zuhause. Auch dort, in unmittelbarer Nähe des Vielstedter Bauernhauses, fühlt Martha sich sehr wohl. Sie bleibt deshalb auch dort wohnen, als Johann Ende 1979 im Alter von nur 62 Jahren stirbt.
Obwohl sie selbst keinen Führerschein besitzt, bleibt Martha bis ins hohe Alter mobil und fährt beispielsweise zwei- bis dreimal in der Woche mit dem Fahrrad nach Hude zum Einkaufen. Freude bereitet ihr neben dem Kontakt zu den zwischen 1972 und 1987 geborenen Enkelkindern und der Arbeit im eigenen Garten unter anderem auch der Besuch von Kaffeefahrten, auf denen sie aber grundsätzlich nichts kauft.
Weil das Alter letztlich doch seinen Tribut fordert, entschließt Martha sich kurz vor ihrem 80. Geburtstag schweren Herzens zu einem letzten Umzug: Als erste Mieterin überhaupt bezieht sie 1998 im Wohnpark Sonnentau eine der neu geschaffenen Senioren-Wohnungen. Dort stirbt Martha am 5. Januar 2000. Beerdigt ist sie sechs Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.